Gebrauchte Software ist billiger und nutzt sich nicht ab

Peter Schneider, Geschäftsführer von usedSoft

Peter Schneider: „Werfen Sie Ihr Geld nicht aus dem Window.“ Gebraucht sind...
Peter Schneider: „Werfen Sie Ihr Geld nicht aus dem Window.“ Gebraucht sind die Programme von Microsoft billiger.
Quelle: usedSoft

Es gibt gebrauchte Autos und gebrauchte Computer. Gibt es auch gebrauchte Software? Ja, sagt Peter Schneider, Geschäftsführer von usedSoft. Nach jahrelangem juristischen Hickhack mit Microsoft und Oracle hat kürzlich der Europäische Gerichtshof für Schneider entschieden. Was ist das für ein Mann, der die US-Riesen herausgefordert hat? Und was bedeutet das Urteil für die IT-Entscheider in den Unternehmen?

Peter Schneider, 57 Jahre alt, ist weder IT'ler noch Jurist. Als Bauingenieur arbeitete er am Computer. „Die Programme kosten viel Geld, das musste auch billiger gehen. Das war die Geschäftsidee“, erzählt er im Gespräch mit iXtenso. Er handelt jedoch nicht mit Architekturprogrammen, sondern mit Software für den Massenmarkt. „Fast ausschließlich Microsoft-Produkte, die Hälfte davon Office“, sagt er. Verklagt wurde er jedoch von Oracle. Es ging über viele Instanzen um einen Fall, bei dem usedSoft nur geworben, aber keine einzige Programmlizenz weiterverkauft hatte.

Juristen urteilen über „Erschöpfungsgrundsatz“

Vor den Gerichten ging es um den sogenannten „Erschöpfungsgrundsatz“. Wenn ein Hersteller ein Produkt verkauft, ist sein Recht an der Sache erschöpft. Das gelte nicht für Software, behaupteten Microsoft und Oracle. Der Kunde erwerbe kein Produkt, sondern nur ein Nutzungsrecht und das verbiete den Weiterverkauf. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied 2010: Der Erschöpfungsgrundsatz gilt auch für Software, doch damit stand Deutschland allein.

Im Juli hat der Europäische Gerichtshof (EuGH)in Straßburg geurteilt. Er folgte dem BGH – und ging darüber hinaus. Weil die Softwarefirmen ihre Programme auch online zum Download verkaufen, müssen laut EuGH auch diese Lizenzen weiterverkauft werden können. Schneider ist stolz auf das Urteil, aber er freut sich nicht allein. „Wir haben alles richtig gemacht“, triumphiert der Wettbewerber USC aus München – obwohl man dort über all die Jahre nur zugeschaut hat.

Argumente für Gebraucht-Software

Seit 2003, dem Jahr der Gründung von usedSoft in München, rührt Schneider – inzwischen aus Zug in der Schweiz – die Werbetrommel für das neue Business: Software nutzt sich nicht ab. Eine „gebrauchte“ Lizenz hat für den Käufer den gleichen Wert wie eine neue, doch aus zweiter Hand ist sie wesentlich günstiger. Ein Problem ist dabei allerdings das Urheberrecht: Wer gebrauchte Programme kauft, muss das Original erwerben, der Verkäufer darf keine Kopie behalten. Usedsoft verlangt von Software-Verkäufern eine eidesstattliche Versicherung und bestätigt diese dem Käufer mit Notar-Urkunde.

Die Verkäufer sind Unternehmen, die nach Release-Wechseln oder Umstrukturierungen Lizenzen übrig haben. Seltener sind Insolvenzen. „Schlecker ist für uns durchaus interessant“, sagt Schneider. Es komme auf die Menge an. Volumen-Lizenzen werden von Usedsoft gestückelt, USC macht das nicht. Schneider meint jedoch: „Wir können jede einzelne Lizenz bis zum Hersteller zurückverfolgen.“

Open Source oder das Original

Viele Firmen, klagt Schneider, sitzen auf unerkannten Schätzen; sie sollten alte Programme zu Geld machen, rät er. Er fürchtet Nachschub-Mangel, denn nach dem EuGH-Urteil habe sich der Umsatz verdreifacht. Warum soll ein Unternehmen, das bei Standard-Büro-Software sparen will, auf Secondhand setzen? Schließlich gibt es mit Open Source eine kostenlose und vor Gericht nicht angefochtene Lösung. OpenOffice bietet genauso viel wie Word, Excel und Powerpoint, Dokumente können in den Microsoft-Formaten gespeichert und bearbeitet werden. Sogar die Kurzbefehle sind dieselben, und es gibt eine lebendige Community, die Tipps gibt.

Eins stellt Peter Schneider nicht infrage: Der Markt verlange das Original. Usedsoft hat Schneider zufolge „über 4.000 Unternehmen und Behörden“ als Kunden. Viele wollen nicht genannt werden. Als Referenzen aus dem Handel nennt er Neckermann und Edeka. Der Handel sei erstaunlicherweise recht ängstlich. „Ich kann es nicht verstehen, dass die Lieferanten bis auf die zweite Stelle hinterm Komma gequetscht werden, wo man bei uns zwei Stellen vor dem Komma einsparen kann. Wir sind aber überrascht über das anhaltende Interesse der Kommunen“, erzählt Schneider. München kauft schon lange aus zweiter Hand, außerdem Fürth oder die Kreise Viersen, Passau und Nordfriesland.

Handel könnte Bedenken jetzt ablegen

Die Usedsoft-Website zitiert Ralf Klement von Edeka Rhein-Ruhr: „Immer die aktuellste Software zu kaufen, ist bei einer so großen Anzahl von Arbeitsplätzen wie bei uns nicht sinnvoll und auch nicht unbedingt nötig.“ Die Ersparnis für 745 Vorgänger-Lizenzen habe 66 Prozent betragen. Allerdings bedeutet „gebraucht“ keineswegs, dass es sich zwangsläufig um ältere Programme handeln muss. Usedsoft und USC bieten auch aktuelle Versionen unter Listenpreis an. Usedsoft verspricht hier „bis zu 30 Prozent“ Ersparnis. Mehr ist drin, wenn man ältere Versionen in Zahlung gibt. 

Nach Schätzungen der Business Software Alliance (BSA) sind in Deutschland etwa ein Viertel aller Unternehmen und privaten Haushalte unterlizenziert. Die BSA ist ein weltweiter Zusammenschluss der Software-Hersteller. Sie fordert Beschäftigte zu Anzeigen auf und verlangt Auskunft von verdächtigen Firmen. Mit über 2,6 Millionen Euro an Schadensersatz- und Lizenzierungszahlungen haben Unternehmen in Deutschland 2011 mehr für unlizenzierte Software an die BSA gezahlt als je zuvor. Peter Schneider findet es in Ordnung, dass die Hersteller gegen Raubkopierer vorgehen. Die BSA-Kritik am EuGH-Urteil lässt ihn jedoch kalt: „Das sind Rückzugsgefechte.“

René Schellbach, iXtenso.com

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