Künstliche Intelligenz: Eine echte Chance für den stationären Handel
Persönliche Beratung mit KI verbinden, um den Kunden optimal zu erreichen
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Der Retailer von heute muss sich einiges einfallen lassen, um mit der Konkurrenz aus dem Netz mithalten zu können. Gerade künstliche Intelligenz (KI) eröffnet ihm dabei ganz neue Wege. Ralf Reich von Mindtree zeigt, warum KI nicht nur etwas für Internetfirmen ist und welche Systeme schon heute eingesetzt werden können.
Kunden, die sich in ein Geschäft begeben, anstatt online zu bestellen, winken gleich drei Vorteile gegenüber Versandhändlern: Waren können live angesehen und anprobiert werden, sie können nach dem Kauf direkt mitgenommen werden und bei Bedarf kann ein Kunde mit einem Verkäufer von Angesicht zu Angesicht sprechen.
Auch in der digitalisierten Welt wollen Menschen dieses unmittelbare Shoppingerlebnis nicht missen. Andererseits kennen sie aber auch alle die Vorteile, die der technische Fortschritt im Online-Handel brachte. Es lohnt sich also für Retailer, auf die Konzepte von Amazon und Co. zu schauen, um ihren Kunden das beste Erlebnis aus zwei Welten bieten zu können. Denn besonders künstliche Intelligenz lässt sich auch in Läden zum Vorteil von Kunden und Mitarbeitern einsetzen.
Die Kabine denkt mit
Displays in Umkleidekabinen bieten vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Darüber lässt sich beispielsweise prüfen, ob das präferierte Kleidungsstück auch in anderen Größen oder Farben verfügbar ist. Sollte die gewünschte Ware nicht im Laden vorrätig sein, kann sie direkt nach Hause bestellt werden. Erst kürzlich eröffnete Intersport in Berlin drei sogenannte „Future Stores“ in denen neben Touchscreens und Virtual Reality auch digitale Umkleidekabinen zum Einsatz kommen.
Intelligent wird die Kabine, wenn sie zum Beispiel selbstständig personalisierte Angebote macht. Folgendes wäre denkbar: Eine Kundin authentifiziert sich mit einer Karte oder ihrem Smartphone. Während sie gerade einen Mantel anprobiert, könnte ihr, basierend auf bisherigen Einkäufen, ein passender Schal nach ihrem Geschmack angeboten werden.
Das Regal weiß, was ihm fehlt
Für Supermarktkunden ist es ziemlich ärgerlich, wenn ein Produkt nicht im Regal steht und oft fehlt ihnen dann die Zeit oder Lust, auf die Suche nach einem Mitarbeiter zu gehen. Die Mitarbeiter eines Supermarktes können selbstverständlich auch nicht ständig alle Warenbestände kontrollieren. Ein Verkaufsregal, das seinen Inhalt selbständig im Auge behält und signalisiert, wenn eine Ware zur Neige geht, wäre eine echte Hilfe. Weit darüber hinaus geht das Konzept für einen Laden der Zukunft, das T-Systems auf der EuroShop vorstellte. Dabei sollen Kunden schon beim Betreten des Geschäfts anhand ihres Smartphones erkannt werden. Anschließend können ihnen personalisierte Angebote angezeigt werden. Nimmt der Kunde ein Produkt aus dem Regal, wird es automatisch seiner digitalen Rechnung hinzugefügt, sobald er seine Kundenkarte unter einen Scanner hält. So entfällt das Anstehen in der Kassenschlange. Sogar der Reifegrad von Gemüse soll sich mittels eines Minispektrometers überprüfen lassen. Die verschiedenen Daten, die ein solcher intelligenter Supermarkt sammelt, können in die Cloud transferiert und dort zu unterschiedlichsten Zwecken analysiert werden.
Läden ohne Verkäufer?
Wir wären technologisch durchaus in der Lage ein ganzes Kaufhaus zu bauen, in dem keine Menschen mehr arbeiten. Doch wollen wir das auch? Ist es nicht gerade der persönliche Kontakt zu einem (menschlichen) Verkäufer, der den traditionellen Einkauf vom Onlineshopping abhebt? Gerade bei teuren und beratungsintensiven Gütern wünschen sich die Kunden kompetenten Beistand, zum Beispiel im Möbelhaus. Wenn es um den Kauf einer Matratze geht, ist ein Berater, der selbst jede Nacht in einem Bett schläft, mit Sicherheit besser geeignet und geht intuitiver zu Werke, als jede künstliche Intelligenz. KI im Einzelhandel sollte auch nicht dazu dienen, den Menschen überflüssig zu machen, vielmehr sollte sie ihre menschlichen Kollegen entlasten und unterstützen, so dass diese dem Kern ihrer Profession, der Kundenbetreuung, wieder mehr Zeit schenken können.
KI und menschliche Kompetenz Hand in Hand
Auf dem Markt werden verschiedene Lösungen zur KI-getriebenen Verkaufsförderung angeboten. Das System Flooresense von Mindtree kommt sogar ohne große Investitionen aus, es nutzt an Hardware nur Überwachungskameras, die in fast jedem Geschäft ohnehin vorhanden sind. Die Aufnahmen werden von intelligenten, selbstlernenden Algorithmen analysiert. Das findet in der Cloud statt und spart so zusätzliche Ausgaben an Infrastruktur.
Aus den Bildern der Kameras generiert Flooresense analysierbare Datensätze. Die Ergebnisse kann sich ein Filialleiter nun auf einem individuell anpassbaren Dashboard anzeigen lassen. Das liefert unter anderem Informationen darüber, wie viele Kunden sich im Laden befinden, wie viel Zeit diese dort verbringen oder wie lange sie an der Kasse anstehen. So kann ein Manager direkt sehen, wenn eine neue Kasse geöffnet werden muss, damit die Kunden nicht zu lange warten müssen.
Dabei wird die Privatsphäre der Einkäufer geschützt und sie bleiben zu 100 Prozent anonym, da Flooresense absichtlich keine Gesichtserkennungsfunktion implementiert hat. Im Angesicht des Datenschutzes ist das ein echter Vorteil gegenüber der Kundenerkennung via Smartphone-Tracking.
Die herausragende Stärke des Systems liegt darin, dass die Machine-Learning-Funktion das Kundenverhalten beobachtet und mit der Zeit aus dem Verhalten der Kunden Prognosen ableiten kann. Kombiniert mit anderen Daten, wie der Verweildauer im Laden, kann das System zuverlässig erkennen, ob ein Kunde zielstrebig sein Wunschprodukt aus dem Regal nimmt, oder suchend durch das Geschäft geht und gerne eine Beratung hätte. Wenn ein hilfesuchender Interessent erkannt wird, schickt Flooresense automatisch eine Push-Benachrichtigung mit dem genauen Standort auf das Smartphone eines Verkäufers in der Nähe, der sich dann dorthin begibt. So können die Mitarbeiter im Laden ihre Zeit für die Kunden aufwenden, die sich wirklich Unterstützung wünschen, anstatt die Ladenbesucher auf Verdacht anzusprechen.
Der Kunde möchte heute das Beste aus zwei Welten: Persönliche Beratung aus der analogen und technologische Unterstützung aus der digitalen Sphäre. Gelingt dem Einzelhandel diese Symbiose, kann er auch in Zukunft seinen Kunden ein Einkaufserlebnis erster Klasse bieten.
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