Wer heute den Kassenplatz mit neuen Geräten ausstattet, für den zählen nicht nur die technischen Daten. Software und Service sind oft entscheidend, denn Ausfälle sind teuer. Passen neue Geräte zum alten Bestand? Geht der Trend hin zum Service aus einer Hand oder steigt damit die Abhängigkeit von einem Anbieter? Und welches Service-Level ist für wen sinnvoll? Wir fragten bei IBM nach und sprachen mit Thomas Hahn, Leiter des Geschäftsbereichs für die Wartung am Point of Sale, und Hildegard Gerhardy, verantwortlich für neue Handelslösungen.
Auf der EuroCIS steht jedes Jahr das Neueste aus der IT-Welt im Mittelpunkt. Bei manchen Fachhändlern, in Bäckereien oder beim Friseur sieht man aber oft noch ganz alte Kassen und Bondrucker. Täuscht der Eindruck oder gibt es ein Gefälle von großen zu kleinen Händlern bei der Modernisierung?
Hildegard Gerhardy: Das kann man so nicht sagen: Es gibt durchaus kleine Händler oder Unternehmen, die sehr früh innovative Technologien einsetzen. Sie haben genau wie die großen Unternehmen erkannt, welchen Wettbewerbsvorteil sie durch den Einsatz von moderner Kassentechnologie erzielen können. Ihre Kunden schätzen und erwarten den Einsatz moderner Technologie durchaus. Es ist sogar teilweise so, dass gerade die kleinen Unternehmen den Vorstoß wagen und nicht erst abwarten, auf welche neuen Lösungen die Großen setzen. Im Fashion-Bereich werden zum Beispiel auch bei kleinen Händlern viele neue Möglichkeiten wie das Bezahlen per Fingerprint eingesetzt.
Auch bei manchen Filialisten haben einzelne Geräte ein langes Leben. Dennoch wird in neue IT investiert. Wo ergeben sich die größten Schnittstellenprobleme?
Hildegard Gerhardy: Schnittstellenprobleme gibt es in der Regel nur dann, wenn der Händler proprietäre oder in sich geschlossene Systeme einsetzt. IBM-Kassen bauen auf Standardtechnologie auf. IBM liefert heute alle Kassen auf Wunsch mit einem Linux-Betriebssystem aus, was die Offenheit der Systeme deutlich unterstreicht. Durch die intensive Zusammenarbeit mit vielen Business-Partnern gerade mit ISVs (Independent Software Vendors, unabhängigen Software-Verkäufern) machen wir sehr gute Erfahrungen, was die Homogenisierung angeht. Die Software wird heute sehr offen gehalten, um eine Integration in viele Systeme und Applikationen zu ermöglichen.
Alles aus einer Hand – ist das der Trend in Sachen Support, auch wenn nicht alle Geräte von einem Hersteller sind? Oder fürchten die Händler die Abhängigkeit?
Thomas Hahn: Ein guter Service-Dienstleister muss in der Lage sein, mit unterschiedlichen Systemen umgehen zu können, also einen herstellerunabhängigen Service bieten. Die Geräte werden immer komplexer und vielfältiger. Folglich wird auch die Wartung zunehmend anspruchsvoller. Durch die Beauftragung eines einzigen Wartungsgebers kann der Händler einheitliche Support-Prozesse, harmonisierte Laufzeiten und weniger Koordinationsaufwand realisieren. Dadurch verringert sich der Aufwand seiner internen IT deutlich. Durch den Wegfall von Schnittstellen können ebenfalls Aufwand und Kosten reduziert werden. Wir beobachten, dass Kunden den Support aus einer Hand als Vorteil ansehen.
IBM, Wincor, Toshiba – Sie alle waren mal die großen Hardware-Lieferanten. Wie groß ist heute der Anteil von Software, Support und Schulung am Geschäft?
Hildegard Gerhardy: IBM ist nach wie vor einer der größten Kassenhersteller. Weltweit wurden in den letzten 35 Jahren mehr als 5 Millionen Kassen verkauft. Mehr als 2,5 Millionen davon sind noch installiert. Heute fragen unsere Kunden zunehmend Lösungen nach. Das heisst, dem Kauf geht eine umfassende Beratung voraus, um dann die individuell abgestimmte Auswahl an Hardware, Betriebssystem und Branchen-Applikationen zu treffen. Eine zunehmend wichtigere Rolle spielt auch die Anbindung an die Warenwirtschaft und an bestehende Systeme. Auch der Anteil unterschiedlicher Peripherie – zum Beispiel mobile Handhelds – nimmt immer mehr zu. Insgesamt lässt sich sagen, dass der Anteil von Service-Dienstleistungen im Portfolio-Mix der letzten Jahre eine immer wichtigere Rolle gespielt hat. Gerade die Ansprüche im Handel an die Verfügbarkeit der Filialtechnologie hat dazu geführt, dass wir unseren Service-Anteil in diesem Umfeld kontinuierlich ausgebaut haben.
Ein Service-Vertrag ist wie eine Versicherung gegen Notfälle. Wie kann der Handel Störungen vermeiden?
Thomas Hahn: Ein Wartungsvertrag für die Filialtechnologie ist weitaus mehr als nur die Sicherheit, dass eine defekte Komponente wieder in Stand gesetzt wird. Durch präventive Maßnahmen und Remote-Service wird ein guter Service-Dienstleister die Verfügbarkeit der Store-Infrastruktur erhöhen. Um Umsatz-Einbußen und Image-Schäden zu vermeiden, muss ein Dienstleister zeitnah und rund um die Uhr flächendeckend auf Störungsfälle reagieren können.
Wie bei einer Versicherung zählen Kosten und Nutzen. Welches Service-Level ist für wen sinnvoll?
Thomas Hahn: Die Anzahl der Ausfälle ist stark abhängig vom eingesetzten Equipment, vom Alter der Komponenten und auch davon, in welcher Umgebung die Technologie eingesetzt wird.
Für Handelskunden ist es wichtig, individuelle Service-Levels abhängig von Storegröße und notwendiger Verfügbarkeit abschließen zu können.
Mangelt es an Schulungen?
Thomas Hahn: Nein. Solange das Verkaufspersonal die Kassentechnologie kompetent einsetzt, ist die Ursache für die Häufung von Störungen dort nicht zu suchen.
IT-Service für den POS ist nicht immer ein Service am POS. Welche Fragen werden im Call-Center am häufigsten gestellt?
Thomas Hahn: Durch die telefonische Fehleranalyse versuchen unsere Spezialisten die Fehlerursachen schon beim ersten Anruf zu qualifizieren. Durch eine möglichst genaue telefonische Ursachenanalyse lässt sich der Einsatz vor Ort und damit die Unterbrechung beim Kassierprozess so kurz wie möglich halten. Welche Fragen hier am häufigsten gestellt werden, hängt immer auch vom Kunden ab, und davon, welche Lösung er im Einsatz hat.
Vieles lässt sich durch Fernwartung erledigen. Wie oft müssen ihre Techniker wirklich raus und wie lange dauert es dann bis wieder alles läuft?
Thomas Hahn: Durch das flächendeckende Service- und Logistiknetz ist IBM in der Lage, ein benötigtes Ersatzteil in weniger als zwei Stunden direkt in die Filiale des Handelsunternehmens zu liefern. Bis zu 4 Stunden vertraglich zugesagte Wiederherstellungszeit ist ein Standardangebot der IBM. Das ist für kritische Komponenten der Filialtechnologie wichtig.
Der Einsatz vor Ort dauert so lange, bis die Filiale wieder voll funktionsfähig ist. Das kann bei einem Tausch eines Kassendruckers bereits nach 15 Minuten sein, beim kompletten Stillstand der Filiale natürlich länger.
Wie oft sind das dann tatsächlich IBMer vor Ort? Wird nicht praktisch alles über Systempartner und Distributoren erledigt?
Thomas Hahn: Im Service-Umfeld sind Distributoren nicht tätig. Und auch wenn IBM-Geschäftspartner Service-Produkte verkaufen, erbringt die IBM die Leistungen. So wissen wir sehr genau über die Bedürfnisse unserer Kunden Bescheid. Die Techniker des Geschäftsbereichs IBM Maintenance & Technology Support führen sowohl die mit dem Kunden vereinbarten präventiven Maßnahmen als auch die notwendigen Entstörungen durch.
Auf den letzten Messen präsentierte sich IBM den Händlern an großen Gemeinschaftsständen mit vielen Partnern. IBM macht nicht alles selbst, sondern bündelt Angebote. Halten Sie an dieser Strategie fest und wie werden daraus Lösungen aus einem Guss?
Hildegard Gerhardy: Wir bündeln nicht Angebote. Unser Anspruch ist es, einzelne Komponenten über verschiedene Schnittstellen hinweg in eine Gesamtlösung zu integrieren, die unseren Kunden den größtmöglichen Nutzen bringt. In den letzten Jahren haben wir dies auf Messen auf einem großen IBM-Messestand gezeigt, auf dem auch ausgewählte Partner zu finden waren. Denn dieses Konzept bedeutet, dass wir gemeinsam mit Partnern aus einzelnen Komponenten Gesamtlösungen für den Kunden zusammenstellen, die sehr genau seine Bedürfnisse treffen. Die tiefe Branchenexpertise unserer Partner hilft dabei zusätzlich. Durch die offenen Standards funktioniert die Integration sehr gut und unsere Kunden bekommen eine Lösung aus einem Guss.
Wohin geht der Trend in Sachen IT-Service am Point-of-Sale?
Thomas Hahn: Wir erkennen eindeutig einen Trend in Richtung Service-Konsolidierung. Durch die Reduktion von Schnittstellen und die Harmonisierung von Service-Levels, sowie die Vereinheitlichung von Vertragslaufzeiten gibt es sowohl prozessuale, als auch monetäre Vorteile für die Handelskunden. Weiterhin ergeben sich durch die Beauftragung eines herstellerunabhängigen Dienstleisters wie der IBM wesentliche Entlastungen des eigenen Personals, die sich dann nicht mehr um How-To-Fragen und 1st-Level-Support-Anfragen kümmern müssen, sondern ihre strategischen IT-Projekte innerhalb ihrer Zeit- und Budgetvorgaben umsetzen können.
Werden die kleinen Händler das IT-Wettrüsten mit den großen Filialisten und Billigläden verlieren?
Hildegard Gerhardy: Es geht nicht um IT-Wettrüsten; es geht darum, in der spezifischen Handelsbranche durch den richtigen Einsatz von Technologie und Service das jeweilige Geschäftsmodell zu unterstützen. Insgesamt kann man sagen, dass der kleine Händler oft flexibler und schneller in seinen Entscheidungen ist. Das kann ein Vorteil gegenüber großen Mitbewerbern sein. Letztendlich geht es aber wirklich um die Bedürfnisse des einzelnen Kunden. Wenn in einer Filiale mit einem Kassenarbeitsplatz am Freitagnachmittag die Kasse ausfällt, muss sie so schnell wie möglich wieder funktionieren.
Interview: René Schellbach, ixtenso.com