Pure-, Cross-, Multi-, Omni-Channel-Retailing …

Wie Händler sich in ihrem eigenen Buzz-Word Dickicht verheddern und dabei das Wesentliche übersehen: Was will der Kunde?

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Die vielen kleinen und großen Kanäle in Venedig machen den Charme der Lagunenstadt aus. Verbunden über unzählige Brücken kommt man über Wasser- und Fußwege zwischen ihnen hin und her. Sie scheinen alle miteinander verbunden. Ein schönes Bild für die Idee des Omni-Channel Shoppings.

Omni-Channel Retailing kommt dem Kundenwunsch nach spontanem Shoppen nach. Egal wo der Kunde sich gerade befindet, soll ihm das gleiche Sortiment, gute Warenverfügbarkeit und eine emotional ansprechende customer journey ganz im Sinne der Marke geboten werden. Dabei stehen ihm viele Kanäle offen: der Flaghip-Store in der Fußgängerzone, der Markenshop im Internet, mobiler Smartphone-Zugang zum Webshop oder zum Gesamtkatalog über Online-Kioske im Store. Doch auch wenn Händler schon lange dem Kunden das Versprechen geben, er könne zwischen den Kanälen nach seinem Gusto hin und her wandern, lösen sie dieses Versprechen nicht wirklich im Sinne der Kundenerwartung ein.

Beworben wird ein durchgängiger Service in allen Kanälen. Fließend sollen angeblich die Übergänge sein. Der Kunde soll gar nicht wahrnehmen, wo er shoppt. Hauptsache er shoppt und kommt wieder. Und wie sieht das „Mehr-Kanal-Business-Venedig“ in Wirklichkeit aus? Wie verbunden sind die Kanäle schon heute?

Foto: Pure-, Cross-, Multi-, Omni-Channel-Retailing …...
Quelle: Detego

il dilemma

Anna, 34 Jahre, mode- und markenbewusst bestellt über ihr Smartphone einen Sommerrock. Zwei Tage später wird er geliefert. Doch er ist leider zu klein und Anna möchte ihn in der nächst gelegenen Filiale umtauschen. Der Vorgang gestaltet sich als problematisch. Sie kann nicht einmal über den Webshop einsehen, ob in der von ihr ausgewählten Filiale der Rock in Größe 38 überhaupt noch vorrätig ist. Dabei wirbt ihre präferierte Modemarke doch mit „Click-and-Collect“, einem Service, der Kunden bequem eine Reservierung über den Webshop in einer Wunsch-Filiale anbietet.

Doch in der Praxis fehlt ein Echtzeitbestandsabgleich zwischen Webshop und allen lokalen Ladengeschäften. Warenverfügbarkeit verlässlich für „Click-and-Collect“ oder „Ship-from-Store“ darstellen zu können, bedeutet eine Reihe von Basisarbeiten für Retailer.

Canal grande

Der Store ist – um bei unserem Bild zu bleiben – der Canal Grande im Mehrkanal-Vertrieb. Mit 80 Prozent Anteil am Gesamt-Fashion-Umsatz, ist er der breite Erfolgskanal. Funktionieren In-Store-Management, Filial-Logistik, Filial-Controlling, Franchise-Integration und eine echte Verbindung zu den anderen Kanälen, dann wird auch die Kundin nicht mehr enttäuscht.

Doch was will die Kundin eigentlich?

Anna kommt bereits informiert in den Store. Sie hat eine Verfügbarkeitsabfrage im Online-Store hinter sich, auf die sie sich verlassen kann, denn Händler Carlo zeigt präzise die Artikelbestände in Echtzeit an. Die höchste Erfassungsqualität bieten ihm hierbei sogenannte feste Lesepunkte (Fixed Reader) an seiner Ladendecke. Optisch perfekt im Ladenbau integriert, erfassen sie automatisch  jeden einzelnen Artikel und all seine Bewegung über verschiedene Zonen im Store. Ganz ohne aufwendiges, personalintensives Scannen.

Uwe Hennig, Geschäftsführer bei Detego
Uwe Hennig, Geschäftsführer bei Detego
Quelle: Detego

va bene

Anna freut sich über die versprochene Warenverfügbarkeit (sichergestellt durch automatisches replenishment). Sie steuert gezielt ihren Wunschartikel an und nimmt ihn zur Anprobe mit in die Umkleide. Das gleiche Lesesystem erkennt beim Betreten der Kabine den Artikel, den sie anprobieren möchte und schlägt ihr über einen Screen oder interaktiven Spiegel dazu passende Accessoires vor. Diese Form der Recommendations kennt Anna aus dem Web und auch die Information: „Kunden, die sich für diesen Artikel interessierten, haben sich auch diese angeschaut“.

Eine spürbare Verschmelzung der Kanäle über gleiche Funktionen ist erkennbar. Cross Selling Potential wird auf die gleiche Art im Store, wie klassisch im Web aktiviert. Das ist clever, weil es sich dort schon lange erfolgreich bewährt hat. Carlo, als Händler, auf der anderen Seite erfährt ebenfalls eine Verbindung der Kanäle, wenn er plötzlich Aussagen über die Conversion Rate einer Kampagne erhält. Und das nicht nur, wie gewohnt für seinen Webshop, sondern für alle seine Stores. Die Anzahl der anprobierten Kleidungsstücke, die es aus der Umkleide dann auch zur Kasse „schaffen“, ist eine wichtige Kennzahl für seine Merchandise-Optimierung auf der Fläche. Sie liefert außerdem relevante Aussagen zu Kundenpräferenzen – welche Artikel zusammen und welche nie anprobiert werden.

Am Ende will Anna vor allem eins: ein durchgängig positives Einkaufserlebnis. Nimmt sie die unterschiedlichen Kanäle nicht einmal mehr wahr, dann hat Carlo den entscheidenden Schritt zum Omni-Channel-Retailing geschafft. Bravissimo!

Autor: Uwe Hennig, Geschäftsführer bei Detego

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