Im Handel ist das Personal der größte Kostenfaktor. Gutes Personal ist jedoch ein wichtiges Kapital. Wer die Personalkosten senken will, sollte nicht am Personal sparen, sondern die vorhandenen Arbeitskräfte effektiver einsetzen. Wer Überstunden und Leerlauf vermeidet, senkt die Kosten, ohne dass die Qualität leidet. Dabei hilft spezielle Software zur Personaleinsatzplanung (PEP) – und die lohnt sich nicht nur für die großen Filialisten.
PEP sagt man in Deutschland, auf Englisch WFM – Workforce Management. Personalplanung ist eine Management-Aufgabe. Es sind jedoch nicht nur die ganz kleinen Familienbetriebe, die sich mit Excel-Tabellen behelfen, statt auf speziell entwickelte Software zu setzen. Sie erleichtert die Arbeit von der Bedarfsplanung über die Zeiterfassung bis hin zur Lohnabrechnung. Verglichen mit anderen Branchen – etwa Automobil oder Banken und Versicherungen – liegt der Handel hierzulande beim Einsatz spezialisierter PEP-Software bisher noch zurück.
Das Ziel: Es soll stets so viel Personal im Unternehmen vorhanden sein, wie gerade gebraucht wird, und dabei sollen die Qualifikationen der Mitarbeiter optimal eingesetzt werden. Das Problem: Der Bedarf schwankt stark – je nach Tageszeit, je nach Saison. Dabei muss das Personalmanagement viele Variablen unter einen Hut bringen. Neben den gesetzlichen, tarifrechtlichen und arbeitsvertraglichen Regeln gibt es Budgetvorgaben, Arbeitszeitkonten und unterschiedliche Wünsche der Mitarbeiter, wann sie gerne arbeiten möchten. Wenn man auf solche Wünsche eingeht, hat man besser motivierte Arbeitnehmer.
Den Personalbedarf ermittelt moderne PEP-Software durch Analyse und Prognose. Ausgewertet werden zum Beispiel Umsatzzahlen, Kundenfrequenzen und die Anzahl der Kassenbons. Verbunden mit Prognose-Werkzeugen, welche etwa den Einfluss von Brückentagen, Ferienzeiten oder dem Wetter auf den Umsatz und damit auf den Personalbedarf kalkulieren, könnte ein Händler oder Filialleiter schneller auf Veränderungen reagieren als die Wettbewerber.
Bedarfsorientiertes Workforce-Management beginnt also mit der Bedarfsprognose, aus welcher die optimierte Personaleinsatzplanung abgeleitet wird. Plan und Wirklichkeit müssen aber nicht übereinstimmen. Verspätungen durch widriges Wetter, Arbeitsausfall durch Krankheit oder kurzzeitige Abwesenheit aus privaten Gründen sind nur ein paar Beispiele dafür. Die Zeitwirtschaft berechnet die Zeitkonten der Mitarbeiter. Und mit Analyse-Werkzeugen erkennt man, ob Plan und Ist übereinstimmen und wie man bei Abweichungen schnell und effektiv reagieren kann.
Für den Unternehmer bieten sich zwei Möglichkeiten an: Vertrauensarbeitszeit oder Zeiterfassung mittels Ausweiskarte beim Kommen und Gehen. Die Anwesenheitszeiten können gut mit PEP-Software dokumentiert werden. Das Ergebnis sind dann nachprüfbare Anwesenheitsdaten für die Lohn- und Gehaltsabrechnung. Dabei, so raten Experten, sollte man den Eindruck der strengen Überwachung vermeiden. Im offenen Gespräch mit den Mitarbeitern kann man erklären, dass Überstunden gerecht erfasst und abgerechnet werden. Wer darauf verzichtet, weil viele Überstunden bisher nicht bezahlt wurden, der verzichtet zugleich auf ein Mittel zur Analyse der internen Arbeitsprozesse. Das mag vorteilhaft sein – solange jedenfalls die Belegschaft damit einverstanden ist.
Die Software-Anbieter entwickeln ihre Programme in der Regel für Großunternehmen, sie betonen aber den modularen Aufbau, welcher auch kleineren Betrieben helfen könne. Es gibt Versionen für unterschiedliche Branchen. Ab welcher Betriebsgröße sich diese spezielle Software lohnt, darauf legen sich die Anbieter meist nicht pauschal fest. In einer Verwaltung könne die Untergrenze für die Rentabilität bei 50 Mitarbeitern liegen, werden viele Aushilfen und Teilzeitkräfte mit unterschiedlichen Arbeitszeiten beschäftigt, seien es deutlich weniger. „Die Einsparpotenziale sind beachtlich und die Ausgaben für die Software-Anwendung zahlen sich durch die umgehende Senkung der Betriebskosten durchschnittlich innerhalb von 6 bis 12 Monaten aus“, sagt Peter Bollenbeck, Vorstandsvorsitzender und Mitbegründer des PEP-Software-Anbieters Invision aus Ratingen und meint damit ausdrücklich auch die kleineren Betriebe.
Weitere deutsche Anbieter von PEP-Software sind zum Beispiel Atoss aus München und GFOS aus Essen. Die Basis im Ausland und eine Niederlassung in Deutschland haben etwa Torex (Berlin) und Tamigo (Bremen). Tamigo aus Dänemark kommt gerade neu auf den deutschen Markt und ist im Februar erstmals Aussteller auf der EuroCIS in Düsseldorf; die Übrigen sind hier schon seit Jahren präsent.
Der Wettbewerbsdruck im Handel ist groß. Argwöhnisch beobachten die Handelszentralen sich gegenseitig. Zumindest die Größeren haben inzwischen spezielle PEP-Software. Man hört, dass gelegentlich ein Anbieter den anderen ablöst. Entsprechend schwer tun sich die Software-Anbieter, Referenzkunden offiziell zu nennen. „Bitte haben Sie Verständnis: mir sind die Hände gebunden“, sagt zum Beispiel GFOS-Pressesprecherin Dr. Christine Lötters.
Jüngst hat jedoch Atoss zwei Vertragsabschlüsse genannt: Anfang des Jahres hat sich die Parfümerie-Kette Douglas für die Münchner entschieden und im Sommer kam Eurotrade hinzu. Der Betreiber von Flughafen-Shops in München, wechselte die PEP-Software, plant und steuert den Einsatz seiner 1.000 Mitarbeiter jetzt mit der „Retail Solution“ von Atoss.
Die Eurotrade Flughafen München Handels-GmbH ist Betreiber von rund 80 Geschäften im öffentlichen und nicht öffentlichen Bereich des Münchner Flughafens. Als Einzelhändler und Franchise-Nehmer bietet der Flughafen-Retailer eine breite Palette an Gastronomie und Einkaufsmöglichkeiten. Das Tochterunternehmen des Müncher Flughafens hat mehr als 75 Prozent der Ladenfläche angemietet und macht dort über 90 Prozent des Einzelhandelsumsatzes. Personal wird hier an 365 Tagen im Jahr gebraucht – mit starken Schwankungen im Tagesverlauf. Eine umfangreiche Prozess- und Bedarfsanalyse ergab ein hohes Einspar- und Optimierungspotenzial. Atoss konnte auf den erfolgreichen Einsatz bei anderen Flughafen-Retailern verweisen. Dazu Kerstin Bahr, Leiterin Personal und Recht: „Unsere neue Software soll einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Servicequalität und die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen.“
Douglas ist Europas Parfümerie-Marktführer mit 1.220 Filialen in 22 Ländern. Nach einem zwei Jahre dauernden Auswahlverfahren wird die Atoss-Software zuerst in Deutschland umgestellt, wo Douglas rund 450 Geschäfte betreibt und über 6.500 Mitarbeiter beschäftigt. Der Deal ist ein weiterer Beleg für die Bedeutung von Referenzen im Software-Geschäft. Die Parfümerien sind eines von fünf Standbeinen der börsennotierten Douglas-Gruppe. Dazu gehören auch die Thalia-Buchhandlungen, Christ-Juweliergeschäfte, AppelrathCüpper-Modehäuser und die Hussel-Confiserien. Bei Thalia in der Schweiz und in Österreich sowie bei AppelrathCüpper lief bereits die Atoss-Software.