Unsere Innenstädte leiden schon jetzt an überlasteten Infrastrukturen und einem hohen Maß an Emissionen. Die Unternehmen müssen sich auf weitere Verbote und Einschränkungen für den innerstädtischen Verkehr einstellen.
Die City-Logistik muss überdacht werden. Ein Ansatz ist das Forschungsprojekt zu Urban Retail Logistics (URL), das nun nach einer 43-monatigen Laufzeit abgeschlossen wurde. Die Ergebnisse hören sich in der Theorie gut an. Abzuwarten bleibt allerdings, ob sich die neue URL auch in der Praxis bewähren wird.
Das Ziel
Ziel war die Entwicklung eines innovativen Logistik-und Handelskonzeptes, das das veränderte Konsumverhalten und die aktuellen Lieferbedingungen in urbanen Ballungsräumen berücksichtigt. Die Innenstädte sollen von den ansteigenden Belieferungsfrequenzen des stationären Einzelhandels bei gleichzeitiger Atomisierung der Sendungen entlastet werden.
Die Theorie
Die Idee lautet, durch Errichtung eines Urban Hubs die unternehmensübergreifende Bündelung und Konsolidierung unterschiedlicher Warenströme verschiedener Handelsformate zu ermöglichen. Für das Beispiel der Stadt Dortmund wurde ein Einsparungspotential von bis zu 30 Prozent an LKW-Einfahrten in die City gegenüber der aktuellen Situation ermittelt. Gleichzeitig könnte durch den Einsatz von eMobilität und grüner Technik im Hub eine nachhaltige Reduzierung von Emissionen erzielt werden.
Die Praxis
Wie so oft lautet nun die Frage, lässt sich das, was so schön in Theorie und Forschung entwickelt wurde, auch praktisch umsetzen? Hierbei geht es nicht so sehr um die technische Realisierbarkeit, sondern vielmehr um die Bereitschaft der betroffenen Unternehmen, gemeinsam „ins kalte Wasser zu springen“ und quasi als Pioniere einen neuen Ansatz der City-Logistik zu verfolgen.
Das gilt zum Beispiel für den potentiellen Betreiber des Hubs aus der Dienstleister-Branche, der eine umso größere Sortimentsvielfalt und unterschiedliche Anforderungen zu bewältigen hat, je mehr Einzelhändler und Lieferanten an der Umsetzung teilnehmen. Vermutlich wäre es sinnvoller, den Hub nach und nach durch eine stetige Einbindung weiterer Unternehmen hochzufahren, als direkt von Null auf Hundert durchzustarten. Andererseits sollten sich auch die Investitionen in den Hub so schnell wie möglich amortisieren.
Auf Handelsseite dürfte das Thema vor allem für die Unternehmen von Interesse sein, die trotz der zu erwartenden Mehrkosten für den gesamten Prozess infolge des zusätzlichen Umschlagspunktes von den eingesparten Transporten durch die Bündelung wirtschaftlich profitieren. Eine ausreichende Kostentransparenz über die gesamten Prozesse für alle Seiten ist dabei schon alleine aufgrund der geringen Handelsmargen in Deutschland ein unbedingtes Muss. Wer regelmäßig mit voll ausgelasteten Fahrzeugen seine Filialen beliefert, kommt für URL kaum in Frage.
Kooperationen sinnvoll
Gefragt ist bei URL auch die Bereitschaft des Handels zur Logistik-Kooperation innerhalb der eigenen Branche, wenn es sein muss, auch mit dem unmittelbaren Mitbewerber. Dabei sollte das einzelne Unternehmen zumindest in der Anlaufphase Störungen und Probleme in Kauf nehmen. Gerade das Ruhrgebiet eignet sich aufgrund seiner Infrastruktur für eine Ausweitung erfolgversprechender Logistikkonzepte wie URL und damit als Vorbild für andere Regionen.
Es bleibt die Hoffnung, dass der Ansatz nach Beendigung des Projektes nicht wieder in der Schublade verschwindet – spannend wäre die praktische Umsetzung auf jeden Fall.
Thomas Kempcke ist Leiter des Forschungsbereichs Logistik am EHI Retail Institute