Vorsicht, ansteckend! Schlechte Stimmung im Service
Wirtschaftswissenschaftler der Universität Jena zeigen, wie sich unfreundliches Verhalten unter Kunden ausbreitet
Schlechte Laune ist ansteckend. Das lässt sich nicht nur in Alltagssituationen – ob im Büro, im Straßenverkehr oder im Sandkasten auf dem Spielplatz – immer wieder beobachten. Wie Wirtschaftswissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena zeigen, ist die „Ansteckungsgefahr“ im Dienstleistungssektor besonders kritisch. Und das in mehrfacher Hinsicht. „Klar ist, niemand wird sich von einem miesepetrigen Serviceangestellten gerne bedienen lassen“, sagt Prof. Dr. Gianfranco Walsh von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Umgekehrt gilt auch, dass unfreundliche Kunden die Zufriedenheit von Dienstleistungsanbietern mit ihrer Arbeit deutlich senken und nicht selten zu gesundheitlichen Problemen, bis hin zum Burn-out, beitragen.“
Wie der Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und sein Forscherteam in einer aktuellen Studie zudem belegen, lassen sich Kunden von unfreundlichem Verhalten anderer anstecken und setzen damit unter Umständen negative Maßstäbe für das Geschäftsklima. „Kunden übernehmen negative Verhaltensweisen von anderen Kunden – aber auch von den Dienstleistungsmitarbeitern selbst“, sagt Prof. Walsh. Ihre Ergebnisse haben Walsh und Arne Albrecht aus Jena gemeinsam mit Kollegen aus Bowling Green (USA) und Wageningen (Niederlande) kürzlich im Journal of the Academy of Marketing Science veröffentlicht.
In seiner Studie ging das internationale Forscherteam den Ursachen für Kundenunfreundlichkeit nach. Konkret haben die Wissenschaftler untersucht, ob und wie Kunden das Verhalten von Dienstleistungsangestellten und anderen Kunden wahrnehmen und ihr eigenes Verhalten daran orientieren. „Kunden verhalten sich deutlich unfreundlicher gegenüber den Dienstleistungsangestellten, wenn sie merken, dass die anderen Personen ebenfalls unfreundlich sind“, fasst Arne Albrecht das Ergebnis der Studie zusammen. „Man spricht dabei von sogenannten deskriptiven Normen“, erläutert der Wirtschaftswissenschaftler und Psychologe, „diese Normen spiegeln das Verhalten anderer Personen wider“. Wer zunächst unsicher sei, wie er sich selbst in einer bestimmten Situation verhalten solle, dem geben solche deskriptiven Normen Hinweise darauf, welches Verhalten angemessen ist. Den deskriptiven Normen stehen jedoch die sogenannten injunktiven Normen entgegen: innere Überzeugungen, die widerspiegeln, welches Verhalten nahestehende Personen wie Freunde oder Familienmitglieder gutheißen würden. Diese Normen ändern sich – im Gegensatz zu deskriptiven Normen – nicht von Situation zu Situation.
Wie die Forscher zeigen konnten, folgen die Kunden nur dann den situationsspezifischen deskriptiven Normen anderer Personen, wenn die eigenen injunktiven Normen schwach ausgeprägt sind. „Starke injunktive Normen können dagegen als Schutz vor sozialer Beeinflussung dienen“, macht Albrecht deutlich.
„Aus unseren Ergebnissen lassen sich wichtige Schlüsse für die Praxis ziehen“, betont Prof. Walsh. „In kritischen Situationen, in denen bereits einige Kunden unfreundliches Verhalten zeigen, kann es beispielsweise sinnvoll sein, Personen voneinander zu trennen, etwa indem weitere Schalter oder Kassen geöffnet oder getrennte Wartebereiche eingerichtet werden.“ Darüber hinaus könnten Dienstleistungsanbieter versuchen, bestimmte Verhaltenskodizes zu etablieren. Arne Albrecht führt aus: „Solche Vorgaben findet man heute bereits in Bibliotheken, in denen lautes Reden oder die Nutzung von Mobiltelefonen unerwünscht sind. Solche Codes könnten durchaus auch in anderen Dienstleistungskontexten zur Anwendung kommen und ein wichtiges Werkzeug zur Steuerung von Kundenverhalten sein.“ Und das nicht nur, weil sich damit das Verhalten von Kunden direkt beeinflussen lasse, sondern auch weil so verhindert werden könne, dass sich Kunden und Angestellte gegenseitig mit negativem Verhalten „anstecken“.