Interview • 01.11.2012
„Wir arbeiten daran, das Image deutlich zu verbessern“
iXtenso-Interview mit Dr. Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer des BDSW
Sicherheitsdienstleistung erfordert ausgebildete Mitarbeiter. Diese sind jedoch nicht zum Mindestlohn erhältlich und ihre Qualifikation muss verbessert werden, sagt Dr. Harald Olschok. Er ist seit 1992 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW) und der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW). Olschok erklärt, wie man gute Dienstleister findet und was Detektiv oder Doorman tun dürfen.
Wie entwickelt sich die Sicherheitsbranche?
Die Sicherheitswirtschaft in Deutschland, die sich aus der mechanischen und der elektronischen Sicherheitstechnik sowie der Dienstleistung zusammensetzt, erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von fast 11 Milliarden Euro. Wir gehen davon aus, dass auch in den nächsten Jahren die Zuwächse überdurchschnittlich sein werden. Dies gilt vor allem für den Schutz von Veranstaltungen, den Schutz von kritischen Infrastrukturen und von Transportwegen.
Wichtige Themen sind zurzeit die Sicherung des öffentlichen Raums, Transportsicherheit, Geländeüberwachung sowie Sicherheit für Gebäude und Anlagen. Immer stärker werden Systemlösungen gefragt. Auffallend ist die starke Präsenz von smartphonefähigen Entwicklungen. Mit Handys können inzwischen Kameras und Alarmanlagen gesteuert werden. Aber auch die Kameratechnik hat sich stark weiterentwickelt.
Was sollte der Handel tun für mehr Sicherheit?
Das EHI Retail Institute hat vor wenigen Wochen darauf hingewiesen, dass im deutschen Einzelhandel täglich Waren im Wert von über 6 Millionen Euro verschwinden. Dies summiert sich auf jährliche Inventurdifferenzen von fast 4 Milliarden Euro. Davon werden unehrlichen Kunden rund 1,9 Milliarden und den eigenen Mitarbeitern 800 Millionen angelastet. Dies zeigt die sicherheitspolitischen Herausforderungen im Handel. Auf der anderen Seite investiert der Handel bereits rund 1,2 Milliarden Euro in Präventiv- und Sicherungsmaßnahmen, um seine Waren vor Diebstählen zu schützen. In Zukunft wird es noch mehr als bisher darauf ankommen, die Warensicherungen zu verbessern, Videoüberwachungen einzuführen und qualifizierte Sicherheitsfachkräfte im Handel einzusetzen sowie die eigenen Mitarbeiter bei der Aufmerksamkeit zu schulen.
Wie beurteilen Sie die Qualifikation der Sicherheitsleute im Handel?
Gemeinsam mit der Metro Group und dem EHI Retail Institute arbeiten wir daran, die Qualifikation von Sicherheitsmitarbeiterinnen und Sicherheitsmitarbeitern im Einzelhandel nachhaltig zu verbessern. Sowohl der Handel als auch wir sind mit der derzeitigen Qualifikation vieler Kaufhausdetektive oder Doormen unzufrieden. Wir schlagen eine spezifische Zusatzqualifikation auf Basis der zweijährigen Ausbildung zur Servicekraft für Schutz und Sicherheit vor. Diese Zusatzqualifikation beinhaltet insbesondere die handelsspezifischen Themen wie Tätertypen, Vorgehensweisen bei festgestellten Diebstählen, technische Diebstahlsicherungen, Befragungstechniken und die Zusammenarbeit mit den Behörden. Wir schätzen, dass derzeit rund 15.000 Kaufhausdetektive und Doormen im Einsatz sind. Gemeinsam mit EHI und Metro schätzen wir einen kurzfristigen Qualifizierungsbedarf für circa 3.000 im Handel eingesetzte Sicherheitskräfte.
Der Türsteher heißt heute Doorman. Welche Qualifikation muss er haben?
Der Doorman benötigt seit 2002 nach der Gewerbeordnung eine so genannte Sachkundeprüfung bei einer Industrie- und Handelskammer. Die einfache Unterrichtung nach § 34a Gewerbeordnung reicht nicht mehr aus. In der Sachkundeprüfung ist der Nachweis zu erbringen, dass der Doorman Kenntnisse über die für die Ausübung dieser Tätigkeit notwendigen rechtlichen Vorschriften und fachspezifischen Pflichten und Befugnisse sowie die praktische Anwendung erworben hat. Ziel ist eine eigenverantwortliche Wahrnehmung seiner Sicherheitsaufgabe. Die rechtlichen Grundlagen alleine reichen nicht mehr aus.
Welche Rechte hat der Doorman?
Im Unterschied zum klassischen Kaufhausdetektiv erkennt man den Doorman an seiner Uniform. Er hat gegenüber Dritten nur die Rechte, die Jedermann im Falle einer Notwehr, eines Notstandes oder einer Selbsthilfe zustehen. Der Grundsatz der Erforderlichkeit ist strikt zu beachten. Löst ein Kunde Alarm aus, so ist es Aufgabe des Doorman, zu überprüfen, ob der Kunde, der den Alarm ausgelöst hat, nur vergessen hat, an der Kasse das Alarmetikett zu entfernen oder zu entwerten, oder ob es sich um entwendete Ware handelt. Will die angesprochene Person flüchten oder die Personalien nicht angeben, kann der Doorman diese nach § 127 der Strafprozessordnung bis zum Eintreffen der Polizei vorläufig festnehmen. Die Aufgabe des Doorman besteht vor allem darin, potenzielle Ladendiebe abzuschrecken. Durch die Uniform wird diese präventive Wirkung nach außen dokumentiert. Darüber hinaus hat der Doorman aber auch eine Serviceaufgabe gegenüber dem Kunden. Er nimmt dabei die Rechte des Einzelhändlers wahr.
Seit etwa anderthalb Jahren gibt es in der Sicherheitsbranche den Mindestlohn. Hat sich die Regelung bewährt?
Am 1. Juni 2011 wurde der Mindestlohn für Sicherheitsdienstleistungen unter dem Schutz des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes eingeführt. Die Einführung des Mindestlohns hat keine negativen Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation der Branche gehabt. Der Mindestlohn für Sicherheitsdienstleistungen steigt am 1. Januar 2013 in 12 Bundesländern auf 7,50 Euro Stundengrundlohn. In Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg gelten zum Teil deutlich höhere Mindestlöhne.
Eine qualifizierte Sicherheitsdienstleistung – dazu gehört auch der Einsatz im Handel – erfordert ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese sind nicht zum Mindestlohn erhältlich. Wir haben deshalb in einigen Bundesländern für Doormen und Kaufhausdetektive Stundengrundlöhne vereinbart, die oberhalb des Mindestlohns liegen. Die demografische Entwicklung wird dazu führen, dass die Löhne in der Sicherheitswirtschaft deutlich zunehmen.
Wir arbeiten auch daran, das Image deutlich zu verbessern. Die Sicherheitswirtschaft ist eine spannende, dynamische und hoch innovative Branche. Wir sind als Sicherheitsdienstleister ein „Allrounder“, dessen Aufgabe darin besteht, die Risiken für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zu minimieren. Dies gilt in zunehmendem Maße auch für den Handel.
Wie findet man einen guten Sicherheits-Dienstleister? Welche Zertifikate sind wichtig?
Unsere Mitgliedsunternehmen haben in den letzten zehn Jahren gemeinsam mit dem BDSW eine regelrechte Qualifizierungsoffensive gestartet. Es gibt einen zwei- und dreijährigen Ausbildungsberuf sowie eine Regelung für Seiteneinsteiger. An vier Hochschulen der Polizei kann man als Sicherheitsmanager einen Bachelor-Abschluss erreichen. An der Deutschen Hochschule für Weiterbildung in Berlin ist sogar ein Master möglich.
Jeder Kunde ist natürlich selbst gefordert aus den fast 4.000 Sicherheitsunternehmen in Deutschland seinen geeigneten Sicherheitsdienstleister herauszufinden. Die 800 Mitgliedsunternehmen des BDSW sind besonders qualifizierte Sicherheitsdienste. Ein Qualitätsmanagementsystem nach der DIN ISO 9001 ist heute Standard. Die vor zehn Jahren vorgestellte DIN 77200 zu Anforderungen an Sicherungsdienstleistungen ist ebenfalls eine gute Grundlage, die Spreu vom Weizen zu trennen. Vor jeder Vergabe empfehlen wir die Erarbeitung eines Sicherheitskonzeptes. Die bloße Präsenz eines Doorman reicht natürlich nicht aus. Eine intelligente Vernetzung von Sicherheitstechnik und Sicherheitsdienstleistung garantiert ein Höchstmaß an Sicherheit.
Sicherheit an Flughäfen ist mit dem Airport in Berlin ins Gerede gekommen. Sind Sicherheitskonzepte zu komplex?
Die Planung eines neuen Großflughafens gehört zu den größten Herausforderungen, die in diesem Bereich denkbar sind. Die Anforderungen an Schutz und Sicherheit sind in den letzten Jahren enorm gewachsen. Nach der Brandkatastrophe vor wenigen Jahren am Düsseldorfer Flughafen sind die Anforderungen im Bereich des vorbeugenden Brandschutzes deutlich erhöht worden.
Aber auch im Bereich der „Security“ steigen die behördlichen Vorgaben fast jährlich. Neben nationalen Regelungen nimmt die Bedeutung der EU ständig zu. Bekanntlich dürfen seit einigen Jahren nur noch Flüssigkeitsbehälter bis zu einem Inhalt von 100 ml auf Flugreisen mitgenommen werden. Im vergangenen Jahr hat die EU angekündigt, diese Grenze abzuschaffen und zur Kontrolle den Flughäfen den Einsatz von sogenannten „Liquid-Scannern“ vorzuschreiben. Kurz vor der vorgesehenen Einführung wurde diese wieder verschoben. Für die Planer eines neuen Flughafens ergeben sich daraus gewaltige Herausforderungen. Die Herausforderungen bei dem Bau eines neuen Verkehrsflughafens können aber nicht mit dem Bau eines Logistikzentrums oder eines neuen Shopping-Centers verglichen werden.
Interview: René Schellbach, iXtenso.com
Themenkanäle: Sicherheit, Personalmanagement