Studie zur städtischen Logistik: Aufbruch auf der letzten Meile
Städten und Logistikern fehlen ganzheitliche Konzepte
Die Verkehrssysteme deutscher Städte stehen vor einer großen Belastungsprobe: Der boomende Onlinehandel sorgt für eine Verkehrsflut, zugleich fehlt innerstädtischer Raum für den Warenumschlag. Staus und unpünktliche Lieferungen sind die Folge. Ein Drittel aller Konsumenten ist unzufrieden mit dem Service der Paketdienste. Die steigenden Lärm- und Schadstoffbelastungen verschärfen die Problematik. Doch bislang fehlen ganzheitliche Konzepte, um die veraltete und ineffiziente städtische Logistik fit für die Zukunft zu machen. Zu diesen Ergebnissen gelangt die Studie "Aufbruch auf der letzten Meile - Neue Wege für die städtische Logistik" der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. Sie stellt zugleich Lösungsansätze für Logistiker und Städte vor.
Anspruchsvolle, unzufriedene Endverbraucher
"Der wichtigste Einflussfaktor für Logistikdienstleister und Städte ist das Einkaufsverhalten der Endverbraucher", sagt Dietmar Prümm, Leiter Transport & Logistik bei PwC in Deutschland. Deshalb befragte PwC für die Studie mehr als 1.000 Konsumenten umfassend nach ihrem Einkaufsverhalten, ihren Präferenzen bei der Paketbelieferung und ihrer Akzeptanz verschiedener Distributionskonzepte für die letzte Meile.
Die repräsentative Umfrage ergab: Rund ein Drittel der Befragten ist mit der Paketzustellung unzufrieden. 20 Prozent bemängelten eine unpünktliche Lieferung; 18 Prozent gaben an, beschädigte Sendungen erhalten zu haben. Die Verbraucher legen Wert auf pünktliche, umweltfreundliche Lieferungen an die Privatadresse, in selbst bestimmten Zeitfenstern und mit ständiger Statusüberwachung (Tracking). Gleichzeitig wollen 91 Prozent der Befragten die Paketzustellung zum Nulltarif. "Diese Ambivalenz setzt die Logistikdienstleister unter Druck. Mit den Konsumentenanforderungen steigen die Logistikkosten, gleichzeitig fehlt aber die Wertschätzung für ihre Dienstleistung. Hier sollte in der Bevölkerung ein Umdenken stattfinden", sagt Dietmar Prümm.
Immer mehr Pakete
Baldige Besserung ist nicht in Sicht. Der Anteil des Onlinehandels am Einzelhandel lag 2016 in Deutschland bei knapp 10 Prozent, Tendenz steigend. "In Zukunft wird nicht nur das Sendungsvolumen stark zunehmen, sondern auch die Komplexität der Belieferung. Neue Produktgruppen wie gekühlte Lebensmittel stellen hohe Anforderungen an die Logistik. Es wird noch enger und zeitkritischer auf der letzten Meile", erklärt Dietmar Prümm.
Konsumenten fordern Elektromobilität
Um das steigende Sendungsvolumen zu bewältigen und Kosten zu senken, müssen Logistikdienstleister an technischen Innovationen für die letzte Meile arbeiten. Hier erleben sie ein weiteres Dilemma: Konsumenten sehen Drohnen, Zustellroboter und Kofferraumbelieferung mehrheitlich kritisch.
Viel beliebter ist Elektromobilität als umweltfreundliche und geräuscharme Alternative: Für 61 Prozent der Befragten ist die Auslieferung durch E-Autos oder Lastenfahrräder ein wichtiges Kriterium bei der Wahl ihres Onlinehändlers. In vielen deutschen Städten werden seit Jahren die Lärm- und Feinstaubgrenzwerte überschritten. Die Dieselproblematik, die Ausweitung von Umweltzonen und auch der Klimaschutz zwingen jetzt zum Handeln. 77 Prozent der befragten Bürger wünschen sich mehr Anreize für Elektrofahrzeuge bei der Paketauslieferung. "Deshalb sollten Städte schnellstmöglich Anreize wie zum Beispiel die Aufhebung lokaler oder zeitbezogener Zufahrtsbeschränkungen etablieren. Sie müssen jetzt aktiv werden, um ihre Attraktivität als Standort bei Händlern, Logistikern und vor allem den Bürgern zu erhalten", empfiehlt Alfred Höhn, Leiter Öffentlicher Sektor bei PwC.
Städte ringen um Raum
Die Innenstädte stehen bereits heute vor einem Platzproblem: "Knappe Lagerflächen, mangelnde Be- und Entlademöglichkeiten, strikte Zufahrtsregelungen und enge Zeitfenster für Fußgängerzonen lassen den Logistikern kaum Raum und Zeit zum Warenaustausch", so Dietmar Prümm. Das Platzproblem wird sich bereits in naher Zukunft weiter verschärfen: Nicht nur in den Innenstädten wird es eng, sondern im gesamten Stadtgebiet. Jeder einzelne Haushalt wird zum potenziellen Warenempfänger. Der Versuch einiger Städte, Verkehr zu vermeiden oder zu verlagern, um den städtischen Raum attraktiver zu machen, offenbart sich als weiterer Zielkonflikt und die städtische Infrastruktur bleibt überlastet.
Lösungen für die städtische Logistik von morgen
Die PwC-Studie beleuchtet Treiber, Herausforderungen und mögliche Zukunftskonzepte. Fazit: Städte können durch Regulierung, Incentivierung und Infrastrukturmaßnahmen zur Problemlösung beitragen. Es ist erfolgsentscheidend, dass Kooperationen vorangetrieben und verschiedene Ansätze vereint werden, um die Rentabilität des Projekts sicher zu stellen und alle Interessen zu vereinen. "Die logistischen Anforderungen und die finanziellen und organisatorischen Kapazitäten der Städte sind sehr unterschiedlich, daher muss jede Stadt ihr individuelles Projekt entwickeln", sagt Alfred Höhn.
Die PwC-Experten empfehlen einen Maßnahmenmix für die städtische Logistik von morgen. Bei den befragten Bürgern kamen die Nachtbelieferung des Einzelhandels (75 Prozent) und Maßnahmen zur optimierten Flächennutzung besonders gut an (68 Prozent). Sharing-Modelle versprechen Effizienzgewinne, so zum Beispiel die gemeinschaftliche Nutzung von Logistikzentren (Multi-Hubs) oder Distributionsstrukturen mit kleineren, teils mobilen Depots (Micro-Hubs) im Stadtgebiet, sowie die zeitweilige Nutzung von Parkplätzen als Be- und Entladeflächen. Digitale Lösungsansätze liegen in der besseren Nutzung von Verkehrsdaten für die Verkehrsplanung und -steuerung durch Datenplattformen, sowie im Einsatz von Apps zur Information und Kommunikation zwischen den Beteiligten. "Es ist an der Zeit, in der städtischen Logistik neue Wege zu gehen - für lebenswerte Städte von morgen", resümiert Dietmar Prümm.
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