Individuell, authentisch und ausgewählt – so ist das Sortiment des kleinen Modegeschäfts namens Herrenbude in Köln Ehrenfeld. Ein Konzept, das auch in Zukunft keine Angst haben muss vor großen Onlinemodehändlern. Davon hat uns Achim Schmitz, Inhaber des Stores, persönlich überzeugt.
Köln-Ehrenfeld, Rothehausstraße: Eine mit Häusern zwischen Gründerzeit und Jugendstil gesäumte Allee. Hier sehe ich schon von Weitem das unverkennbare Logo der Herrenbude, auf dem ein gut gekleideter Herr ein Schwein spazieren führt.
Achim öffnet mir die Tür, heißt mich willkommen und kommt sofort auf die Geschichte des Hauses zu sprechen. „Früher war das hier eine Bäckerei“, erzählt er. Dieses besondere Flair wollte er erhalten und so sind die Wände noch halbhoch gefliest. Auch im vorderen Verkaufsraum des rock it baby-Labels (übrigens das Label seiner Frau) ist der Verlauf der ehemaligen Verkaufstheke zu erkennen: wirklich stilvoll inszeniert. Achim führt mich durch die Teigküche hinein in die alte Backstube oder besser gesagt in seine Herrenbude.
Die Herrenbude, ein Weihnachtswunder
Seit 2008 gibt es die Herrenbude – aber eigentlich hat alles Weihnachten 2006 angefangen. Damals surfte Achim nostalgisch im Internet, um die finnische Turnschuhmarke Karhu zu finden, die er noch aus seiner Jugend kannte. „Bis 1953 hatten die Schuhe drei Streifen und die Firma besaß noch das Patent. Laut Firmenhistorie hat Karhu letzteres für Tausend Dollar und zwei Flaschen Whiskey an Adi Dassler verkauft.“ Leider vertreibt Karhu die Originals-Linie aus finnischer Produktion nicht mehr. Ich bin beeindruckt, dass Achim diese Details kennt.
Er erzählt weiter, dass gerade solche Geschichten ihn faszinieren und so habe er sukzessive angefangen, zu sammeln und Produkte zu recherchieren. Bis dahin hatte er 17 Jahre als Creative Producer bei Film und Fernsehen gearbeitet und Kunden mit einem bestimmten Budget zu einem Ergebnis verholfen. „Da dachte ich mir, das kann ich ja eigentlich im Modebereich auch machen. Ich weiß, wo es die Sachen gibt, mir macht es Spaß, sie zu finden, zusammenzustellen und eine Vorauswahl zu treffen. Als hier im Haus dann die Fläche frei war, habe ich beschlossen, es auszuprobieren.“ Die Herrenbude war geboren.
Von Socken bis zum Smoking – Achim setzt auf zeitgemäße Herrenvollausstattung
So kam Achim auch zu seiner Berufsbezeichnung „Trüffelschwein der Männermode“, denn seine Vorauswahl richtet er teilweise auf Kundenbedürfnissen aus, aber auch danach, was der Chef selbst anziehen würde und was eben nicht. Im heutigen Sprachjargon würde man das Ganze wohl als Curated Shopping bezeichnen, nur eben stationär und mit persönlicher Beratung. „Back to the roots“ denke ich mir. Das gab es alles schon einmal und zwar vor den Zeiten des Internets, falls sich noch jemand daran erinnern kann.
„Eine klassische und geschmackvolle Männergarderobe geht quer durch alle Altersklassen.“
In die Bude kommt nur, was schlagkräftig sei und eine modische Aussage habe. „Meine Mission ist, das Straßenbild mit gut gekleideten Männern aufzuhübschen. Bei mir erhalten sie ein Grundverständnis, basierend auf Erfahrungswerten, wie man eine Garderobe sinnvoll aufeinander aufbauen kann“, erklärt mir Achim lächelnd. Hauptsächlich vertreibt er Kleidung aus dem Casual-Segment, teilweise auch Marken, die es in Deutschland in keinem anderen Laden gibt, zum Beispiel aus Portugal oder Wales, aber auch Green Fashion-Brands sind in seinem Laden zu finden.
Im Laufe der Jahre hat Achim sein Angebot durch Anzüge und Maßkonfektionen erweitert. Der Bedarf und die Nachfrage seien einfach da gewesen. „Ich beobachte, dass sich die Leute immer weniger auskennen. Das ist interessant. Man könnte vermuten, dass sie durch den Zugang zum Internet jederzeit die Möglichkeit haben, zu recherchieren, zu schauen, wie wird was gemacht, wie funktioniert es und so weiter. Aber was Bekleidung betrifft, ist der Markt übersättigt und so schnelllebig, dass nichts im Kopf bleibt.“
Geöffnet hat die Herrenbude Di - Fr von 14-19 Uhr und samstags von 12-17 Uhr. Achim selbst bezeichnet seine Öffnungszeiten als homöopathisch. Einerseits, da seine Kunden oftmals erst nach der Arbeit zu ihm kommen und andererseits, um genügend Zeit für weitere Recherchen zu haben.
„Wir haben ein Gespür für den Kunden“
Jeder Kunde wird beim Modeliebhaber individuell beraten. Gerade für junge Kunden sei das manchmal irritierend und so müssten sie eben auch Dinge anprobieren, die ihnen im ersten Moment vielleicht nicht gefallen. „Wenn ich das Gefühl habe, mit dem Teil wird der Kunde nicht glücklich oder es passt nicht ideal, sage ich ihm das ganz klar. Ich rate also auch von Käufen ab, auch wenn das bedeutet, dass kurzfristig an dem Tag einen Bon weniger in der Kasse ist. Langfristig kreiert diese Art der Beratung aber Vertrauen. Darüber hinaus erhalten die einzelnen Kleidungsstücke durch solche Einkaufserlebnisse eine andere Wertigkeit. Stimmt dann noch das Verhältnis von Qualität zur Preis-Leistung kommen die Kunden wieder.“
Achims Herrenbude ist kein Standardkonzept, wo man mal eben rein und raus läuft. Der Kunde muss sich darauf einlassen, ob er will oder nicht. Sich samstags zwei Stunden Zeit nehmen, in den Laden gehen, dort Zeit verbringen und mit den Angestellten unterhalten, einen Kaffee trinken und im Idealfall mit einer neuen Garderobe nach Hause gehen – im Zeitalter der Digitalisierung scheinen gerade solche Konzepte wieder mehr an Bedeutung zu gewinnen.
Achim ist zuversichtlich, dass Kunden wieder mehr das Bedürfnis haben, in ihrem Umfeld, wo sie wohnen und sich bewegen, zu shoppen.
Mundpropaganda lockt auch die Digital Natives
Bemerkenswert finde ich an Achim, dass er sich dem Online-Marketing fast gänzlich entzieht. Klar hat er eine eigene Webseite, auf der man auch seine Produkte findet, einen monatlichen Newsletter oder auch einen Facebook- und Instagram-Account, aber eben keinen Online-Shop. Die übrigen Kanäle reichen ihm, um im Internet auffindbar zu sein. Er nennt es liebevoll "Mitgewirbel im digitalen Nebel, aber eben nur als Reminder“.
Er bringt es auf den Punkt: „Ich finde, am Ende des Tages ist Mundpropaganda die einzige Form von Werbung, die für unser Konzept funktioniert. Ich merke das zum Beispiel bei unseren Anzug-Kunden: Wir fertigen im Schnitt pro Jahr 200 Anzüge auf Maß, davon sind gut 150 entweder Bräutigame oder junge Männer, die als Trauzeuge oder als Gast auf eine Hochzeit müssen. Letztendlich landen die Männer hier, weil ihnen der einzig gut gekleidete Mann auf einer anderen Hochzeit verraten hat, woher er seinen Anzug hat – nämlich von mir.“
Online-Werbung mache für Achim überhaupt keinen Sinn, weil ohne das entsprechende Werbebudget niemand mehr online stattfinde. Der Markt habe sich selbst zerschossen, so Achim. Recht gebe ich ihm. Vor allem Facebook zeigt dies eindrücklich: ohne Budget keine Sichtbarkeit. Gerade für kleine Geschäfte wird es so immer schwieriger im Wettbewerb mitzuhalten.
Geduld, gepaart mit ein wenig Hartnäckigkeit und ein Gespür für die Trends von morgen, das macht die Herrenbude aus. Gerade diese authentischen Konzepte werden in Zukunft den Einzelhandel wiederbeleben, da bin ich mir nach meinem Besuch bei Achim sicher. Denn selbst die beste Technologie wird niemals einen guten Verkäufer ersetzen können.