Bilder von Plastikinseln in den Weltmeeren, von sterbenden Tieren, schmelzenden Polen und extremer Dürre – der öffentliche Diskurs über Klimaschutz gewinnt seit Jahren an Relevanz und Schärfe. Abfälle und explizit Verpackungsabfälle spielen in dieser Diskussion auf verschiedenen Ebenen eine wichtige Rolle. In Deutschland gelten seit Januar 2019 die Vorgaben des neuen Verpackungsgesetzes. Das Ziel: eine höhere Recyclingquote und bessere Umweltverträglichkeit von Verpackungen. Doch was genau bedeutet das für Hersteller und Händler?
Das Verpackungsgesetz: Was schreibt es vor?
Das Verpackungsgesetz verpflichtet Inverkehrbringer von Verpackungen sich bei der neu geschaffenen Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR) zu registrieren und diese an einem Dualen System zu beteiligen. Die Systembeteiligung ist kostenpflichtig. „Wirklich neu ist der §21 VerpackG, der die Dualen Systeme verpflichtet, bei der Entgeltgestaltung Anreize für gut recyclingfähige Verpackungen zu schaffen“, erklärt Stefan Munz, Gründer und CEO der CLOVER Sustainability Services GmbH, einem Systemhaus zur Verpackungsentsorgung, „§21 soll die Recyclingfähigkeit von Verpackungen sowie den Einsatz von Recyclaten und nachwachsender Rohstoffe fördern“.
Die Pflicht der Händler
Wann aber ist ein Händler in der Pflicht, sich um Lizenzierung und Beteiligung zu kümmern? In der Regel ist der Händler nicht der Erstinverkehrbringer der durch ihn vertriebenen Produkte und deren Verpackungen. Demnach muss er sich auch nicht um die Lizenzierung kümmern. Jedoch ist er verpflichtet, sich beim Vorlieferanten zu erkundigen, ob dieser bereits die verpackungsrechtlichen Pflichten erfüllt hat. Falls die nicht der Fall ist, weil er beispielsweise neue Waren aus dem Ausland importiert, ist er verpflichtet, sich selbst um die Lizenzierung zu kümmern, bevor er die Ware auf den deutschen Markt bringt.
Auch müssen sich Händler immer dann selbst um die Lizenzierung kümmern, wenn sie hauseigene Produkte, Papiertüten oder Tragetaschen führen. Auch der Onlinehändler, der individuelle Versandverpackungen verwendet, ist für die Lizenzierung derselben selbst verantwortlich.
Die Recyclingfähigkeit einer Verpackung
Die Recyclingfähigkeit hängt ganz maßgeblich davon ab, ob die Verpackung sortierbar ist, das heißt, ob sie einem Erfassungssystem (Glas, Altpapier, gelber Sack) eindeutig zugeordnet werden kann. Wenn sich die Verpackung aus verschiedenen Wertstoffen zusammensetzt, ist darüber hinaus die Trennbarkeit dieser Komponenten entscheidend. Auch Unverträglichkeiten von Komponenten oder enthaltenen Stoffen können das Recycling verhindern.
Biologisch abbaubare Verpackungen: schlechter als ihr Ruf
„Essenziell für ein gelingendes Recycling ist das Vorhandensein einer Recyclinginfrastruktur in Form von Sammelbehältern, Sortier- und Aufbereitungsanlagen “, betont Werkstoffwissenschaftler Dr. Wolf Karras, „einmal angenommen, wir hätten keine Altglassammelbehälter im öffentlichen Raum, dann würde es keinen ökologischen oder wirtschaftlichen Sinn machen, Glas einzusetzen. Es wäre schlichtweg nicht recycelbar und damit als Verpackungswerkstoff nicht konkurrenzfähig.“
Als anderes Beispiel nennt Karras biologisch abbaubare Verpackungen. Diese seien zwar unter bestimmten Bedingungen ökologisch vorteilhaft, aber es gebe keine Recyclinginfrastruktur mit Werterhalt für sie. Eine Entsorgung [Recycling] über die Biotonne sei zwar aufgrund der Kompostierbarkeit in manchen Fällen denkbar, von den Betreibern, die eine Verunreinigung durch gewöhnliches Plastik fürchten, jedoch nicht gewünscht. Eine Entsorgung über die gelbe Tonne sei die Praxis, bringe allerdings keinen Mehrwert und verunreinige im Endeffekt nur die Qualität der konventionellen Kunststoffe. Eine eigene Tonne zur Erfassung von Bio-Kunststoffen jedoch sei angesichts der momentan im Umlauf befindlichen Mengen unbezahlbar.
Wo stehen wir, wo wollen wir hin?
Laut einer aktuellen Statistik des Umweltbundesamtes ist der Gebrauch von Verpackungen in Deutschland in den vergangenen Jahren drastisch gewachsen. Deutschland steht damit an der europäischen Spitze in Bezug auf den Pro-Kopf-Verbrauch von Verpackungen. Doch auch in puncto Verwertung gehört Deutschland zu den Spitzenreitern. „Mit Einführung der dualen Systeme 1991 war Deutschland ein absoluter Vorreiter, Maßstab für andere Staaten und Orientierungshilfe für die EU-Richtlinie“, erläutert Munz.
Er ist nicht ganz zufrieden mit der Entwicklung der letzten Jahre. Seine Vision für die Zukunft: eine Vorgabe an die Recyclingquote des gesamten Verpackungssortiments eines Inverkehrbringers. Ähnlich des Flottenverbrauchs der KFZ-Hersteller „Wenn man beispielsweise eine Recyclingquote von insgesamt 90 Prozent fordert, nimmt man die Inverkehrbringer in die Verantwortung, ermöglicht ihnen aber einen hohen Grad an Flexibilität. So können sie zum Beispiel bei der Fleischverpackung zugunsten der Hygiene und Haltbarkeitsanforderungen auch unter der Sortiments-Vorgabe bleiben, wenn sie dafür bei weniger leicht verderblichen Produkten eine Quote von 100 Prozent nachweisen können.“
Karras sieht die Entwicklung und insbesondere die Umsetzung des VerpackG etwas kritischer: „Mir wäre wichtig, dass die Systeme endlich verpflichtet werden, etwas Glaubhaftes für die Umsetzung des §21 tun, und dass alle sich mehr zum Mindeststandard bekennen. Der Standard gilt für alle, also wäre es wünschenswert, wenn auch alle sich darum kümmern, ihn sukzessive verbessern und am gleichen Strang ziehen.“