Die Modewelt ist schnelllebig – in Zeiten von Social Media mehr denn je. Wurden Trends bisher ausschließlich auf den Fashion Weeks zweimal im Jahr festgelegt, so passiert das heute täglich auf Instagram und Co in den Feeds zahlreicher Stars und Influencer. Viele Einzelhändler nutzen diese Entwicklung bei der Konzeption ihrer Kollektionen bislang kaum oder gar nicht. Das Modeunternehmen Choosy zeigt, wie es anders geht.
Die Modekette H&M blieb im vergangenen Jahr auf unverkaufter Kleidung im Wert von mehreren Milliarden Dollar sitzen. Solche Fast Fashion-Unternehmen produzieren ständig neue trendorientierte Kollektionen in großen Mengen. Einerseits möchten sie erhöhter Nachfrage zuvorkommen und ausreichend Teile anbieten. Auf der anderen Seite steht immer die Hoffnung, mit den Kleidungsstücken den Geschmack des Kunden zu treffen. Wird Kleidung nicht verkauft, ist das weder profitabel für das Unternehmen noch besonders nachhaltig.
Choosy weiß, was der Kunde kaufen wird
Im letzten Jahr gründete die damals 26-jährige Jessie Zeng das New Yorker Modeunternehmen Choosy. Zeng, selbst Modeliebhaberin und passionierte Instagram-Nutzerin, erkannte den Zusammenhang von Trends und Social Media und machte ihn zu einer Geschäftsidee. Wie viele anderen Branchen erlebt auch die Modeindustrie durch Social Media einen Wandel: Es sind nicht mehr ausschließlich die Designer, die Trends setzen, sondern Stars und Influencer wie Gigi und Bella Hadid, Kim Kardashian oder Beyoncé. Sie posten auf Instagram täglich Fotos ihrer Outfits, die tausende Menschen zum Nachkaufen anregen. Unter solchen Outfit-Posts tauchen immer wieder die gleichen Fragen und Kommentare auf: „Wo kann ich das kaufen? Das möchte ich auch!“ Wenn darauf überhaupt geantwortet wird oder die begehrten Teile noch verfügbar sind, dann sind sie häufig so teuer, dass sie sich der durchschnittliche Instagram-Nutzer nicht leisten kann. Zudem werden größere Größen häufig nicht bedient. Choosy bietet jedes Kleidungsstück für unter 100 Dollar und in den Größen 30 bis 50 an.
Die sogenannte On-Demand-Social-Shopping-Plattform nutzt Künstliche Intelligenz, um auf Instagram die begehrtesten Trends zu analysieren. Dazu filtert der Algorithmus Posts heraus, die mit dem Hashtag #ootd („Outfit of the Day“) versehen sind oder unter denen vermehrt Fragen danach auftauchen, wo das Outfit oder Kleidungsstück erworben werden kann. Die Künstliche Intelligenz lernt dann, welche Schnitte, Farben und Stile besonders häufig in dieser Form kommentiert werden. Darüber hinaus können Instagram-Nutzer Posts mit gewünschten Outfits mit dem Hashtag #getchoosy taggen, damit Choosys Style-Scouts auf diese aufmerksam werden und die Kleidungsstücke in ihr Portfolio aufnehmen können.
Von den Daten in den Kleiderschrank
Basierend auf diesen Daten designt Choosy Kleidungsstücke, die von den begehrtesten Looks auf Instagram inspiriert sind. In seinem Online-Shop stellt Choosy in regelmäßigen Abständen eine kleine Anzahl neuer Kleidungsstücke online, die eine begrenzte Zeit lang verfügbar sind. Beim Launch im Juli 2018 gab es solche Drops zweimal pro Woche. Mittlerweile werden nur noch monatlich neue Teile präsentiert. Das Unternehmen reagiert damit auf Produktionsschwierigkeiten in der Vergangenheit. So versprach Choosy seinen Kunden anfangs noch, die bestellte Kleidung innerhalb weniger Tage zu liefern. Da die Teile erst nach Bestellung produziert werden, dauerte dieser Prozess oft länger, und Choosy konnte sein Versprechen nicht halten. Daher entschied sich das Unternehmen für seltenere Drops und garantiert nun eine Lieferzeit von zwei Wochen.
Die nachhaltige Fast Fashion
Dank Jessie Zengs familiärer Verbindungen zur Textilherstellung in China ist die Produktionskette der Kleidungsstücke kurz und kommt ohne Zwischenhändler aus. Choosy ist am gesamten Produktionsprozess beteiligt und kann die angebotene Kleidung schnell und kostengünstig herstellen. Darüber hinaus ist Choosys Mode trendorientiert. Was so klingt wie der Inbegriff von Fast Fashion, weist einen entscheidenden Unterschied zu Modeketten wie H&M, Zara und Asos auf: Die Kleidungsstücke werden erst produziert, wenn sie bestellt werden. Und dass sie bestellt werden, kann Choosy mit Algorithmen und der cleveren Nutzung von Instagram voraussagen. Zeng gelingt es, das Problem der Modeindustrie – die reine Vermutung von Angebot und Nachfrage – zu umgehen. Lagerbestände mit riesigen Mengen unverkaufter Kleidung werden somit vermieden. Letztendlich profitieren davon das Unternehmen, die zufriedenen Kunden und vor allem die Umwelt. Experten sprechen bereits von einer neuen Generation Social Commerce, die Choosy mit seinem Konzept einläutet.