Gemeinsame, auch internationale Standards von Handel und Herstellern – das ist die Aufgabe von GS1 Germany. Erleichtert werden sollen damit die Identifikation von Artikeln und die Kommunikation entlang der Wertschöpfungskette. Petra Engels verantwortet seit 2004 das öffentliche Lehrgangsangebot der Organisation in Sachen Category Management (CM). Vorher hat sie als Beraterin für T-Systems CM- und CRM-Projekte bei führenden Unternehmen des Handels und der Konsumgüterindustrie durchgeführt und war in den Bereichen Marketing und CM bei der Unternehmensgruppe Tengelmann.
Category Management sollte eine Gemeinschaftsaufgabe sein zwischen Handel und Lieferanten. Sind Sie zufrieden mit dem aktuellen Stand?
Ja, die Entwicklung ist sehr positiv. Es finden immer mehr Kooperationen in Sachen Category Management in den einzelnen Food- und Non-Food-Warengruppen statt. Auch sehr erfreulich: der CM-Kerngedanke – also das Sortiment und die Platzierung nach Kundenwunsch – breitet sich immer mehr auch in kleineren und mittelständischen Unternehmen aus. Und erfasst neue Branchen, wie zum Beispiel Apotheken, Papier-, Büro-, Schreibwaren und Glas, Keramik, Porzellan.
Die Unternehmen kooperieren dabei, um Käuferwünsche zu erforschen und die Ergebnisse dann per Category Management für ihre Waren und Sortimente direkt am Point of Sale umzusetzen. Denn für ein erfolgreiches CM muss jede Warengruppe aus der Sicht des Käufers und nicht aus der des Warengruppenprofis betrachtet werden. Immer mehr Themen, die den Shopper betreffen, werden gemeinsam bearbeitet und gelöst. Da werden die Laufwege der Kunden in der Einkaufsstätte erforscht oder per Eye Tracking der Blickverlauf des Kunden vor dem Regal analysiert. Die Unternehmen lassen außerdem von Marktforschen Käuferwünsche in Fokusgruppen analysieren. Was wünschen sie sich von und in den unterschiedlichen Warengruppen? Wie sieht aus ihrer Sicht die optimale Warengruppe aus? Mit den gemeinsam gewonnen so genannten „Shopper-Insights“ werden dann die Filialen beziehungsweise einzelne Regale optimiert.
Inzwischen lautet der Trend bei den größeren Unternehmen vom Projekt zum Prozess, also das einzelne CM-Projekt wird dauerhaft ins tägliche Geschäft überführt. Denn das haben die Unternehmen schnell verstanden und umgesetzt: Um konstant eine solide Kundenbeziehung aufrechtzuerhalten, müssen auch die Bemühungen um die Kundenzufriedenheit kontinuierlich erfolgen. Es reicht nicht CM als kurzfristiges Projekt zu betrachten, denn der Markt bewegt sich weiter und die Kundenwünsche verändern sich. Das heißt konkret, ein einmal angepasstes Sortiment muss immer wieder überprüft und gegebenenfalls den veränderten Anforderungen angepasst werden.
Ein ähnliches Stichwort – ECR – Efficient Consumer Response. Ein fernes Ideal? Bringen die jährlichen ECR-Tage wirklich Neues?
ECR beschäftigt sich mit der Optimierung von Geschäftsprozessen zwischen Industrie und Handel. Ausgangspunkt dabei ist der Konsument. Richten alle Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette ihre Aktivitäten auf die Bedürfnisse des Kunden aus, können gemeinsame Prozesse effizienter gestaltet werden. ECR umfasst sowohl das Thema Category Management als auch das Supply Chain Management.
Jedes Jahr untersuchen internationale Experten auf dem größten deutschen Kongress zum Thema Efficient Consumer Response die Chancen der Konsumgüterbranche. Die ECR-Tage stellen dabei jedes Mal aufs Neue erfolgreiche Projekte vor, mit denen Unternehmen im Sinne von ECR ihre Prozesse optimieren. Oft sind die Erfolge messbar. So wird etwa durch verbesserte Regalverfügbarkeit, maßgeschneiderte Sortimente, bessere Orientierung am Regal die Kundenzufriedenheit und damit in Folge der Umsatz gesteigert .
Besonders herausragende Verdienste und Kooperationen werden am Vorabend eines jeden ECR-Tages mit dem „ECR Award“ ausgezeichnet. Das sind aber nicht durchweg Großunternehmen, die hier mit ihrem Engagement berücksichtigt werden. 2010 zum Beispiel erhielt das CM-Projekt von Soennecken und Prisma in der Papier-, Büro- und Schreibwarenbranche den „ECR Award“ in der Kategorie Unternehmenskooperationen.
Mit der Veranstaltung „ECRlive!“ sind Sie bei Unternehmen vor Ort. Wer sind die Teilnehmer? Was haben sie beim jüngsten Termin – Mitte November bei der Metro in Düsseldorf – gelernt?
Schwerpunktmäßig treffen sich dort Category Manager, Key Account Manager, der Einkauf und der Vertrieb, das Trade-Marketing sowie Shopper-Marketing-Experten. Das sind sowohl Fach- und Führungs- als auch Nachwuchskräfte aus Handel, Industrie und Dienstleistungsunternehmen. Ihre Aufgabenschwerpunkte sind in der Konsumgüterbranche und im Bereich Non-Food verankert. Durch das Gastgeberkonzept wird der ECR-Gedanke gelebt – es sind dabei viele neue Projektanstöße und Kontakte auch zwischen GS1 Germany und den Teilnehmern entstanden.
In diesem Jahr in Düsseldorf kam bei den Teilnehmern die Podiumsdiskussion zum Thema Shopper-Marketing sehr gut an. Dabei geht es um Frage wie: Welche Strategien machen die Kunden zu Käufern? Wie unterscheiden sich diese Strategien in verschiedenen Vertriebslinien und wie sieht eigentlich der Shopper der Zukunft aus? Hier besteht noch ein großer Entwicklungsbedarf im Markt, das zeigte sich auch bei der Veranstaltung. Bei GS1 Germany widmet sich eine Fachgruppe eigens dem Thema und arbeitet an Lösungen.
Die Anregung der Teilnehmer bei den „ECRlive!“-Konferenzen auch einmal Non-Food-Themen zu behandeln, greifen wir auf. Wir überlegen deshalb derzeit, für das nächste Jahr auch Vorträge und live-Komponenten im Non-Food-Bereich anzubieten.
Sie schulen und beraten Handel und Industrie in Sachen Category Management. Wie nutzen kleinere Händler dieses Angebot?
In den letzten Jahren beobachten wir, dass immer öfter kleinere Händler das Angebot nutzen. Insbesondere das zweitägige Grundlagenseminar „Category Management Basics“ besuchen immer mehr Mitarbeiter kleiner und mittelständischer Unternehmen, die den Nutzen von CM für ihr Geschäft erkennen. Dabei dient ihnen das Seminar als Einstieg in diesen Fachbereich. Wenn Unternehmen ihr CM-Engagement weiter ausbauen und festigen wollen, wählen sie die intensivere Ausbildung zum zertifizierten ECR D-A-CH Category Manager. Nach erfolgreichem Abschluss dieses Lehrgangs können sie selbständige CM-Projekte gemeinsam mit ihren Geschäftspartnern durchführen.
Neben dem Schulungsangebot bieten wir Beratungsleistungen – von der Prozessberatung bis zur Steuerung komplexer Multipartnerprojekte mit vielen selbständigen Händlern. Gut angenommen wird auch unser „CM POS-Quick-Check“: Dabei nehmen wir eine strukturierte Erhebung und Beurteilung der Ist-Situation des POS vor Ort vor. Die Erhebung erfolgt durch einen individuell abgestimmten und strukturierten Erhebungsbogen. Kriterien wie Kundenorientierung, Ladengestaltung und Warenplatzierung und was sonst noch zum gesamten Filialauftritt gehört, werden im Detail erhoben. Unser CM-POS-Experte wertet die gemachten Beobachtungen aus. Die Ergebnisse gibt er dem Händler mit individuellen Empfehlungen für die optimale POS-Gestaltung nach den erprobten CM-Kriterien an die Hand.
Wo klappt die Zusammenarbeit zwischen Handel und Industrie besonders gut. Welches aktuelle Beispiel empfehlen Sie zur Nachahmung?
An der Stelle möchte ich das Engagement von Soennecken und Prisma als Beispiel vorstellen. Unter der fachlichen Leitung von GS1 Germany führten 2009 Handels- und Industrieunternehmen der Branche ein erstes CM-Pilotprojekt für den PBS-Fachhandel durch. Auf Handelsseite beteiligten sich Soennecken und Prisma gemeinsam mit sieben ausgewählten Pilot-Händlern. Auf der Industrieseite nahmen sieben renommierte Markenartikel-Hersteller teil, die als so genannte Category Advisor für eine klar definierte Kategorie den Handel unterstützen. Ziel war es, den Einsatz von CM unter Berücksichtigung der spezifischen Branchenanforderungen in der Praxis zu testen, also die einzelnen PBS-Geschäfte mit Blick durch die Kundenbrille zu optimieren. Im Juli 2009 begann bereits die Umsetzungsphase, in der die Pilot-Geschäfte gemäß den gemeinsam entwickelten Sortiments- und Platzierungsempfehlungen für die Kategorien Bürobedarf und Schule umgebaut werden. Die beteiligten Partner führen das Projekt weiter fort. Neue Händler werden für den weiteren Rollout dazugewonnen.
Wie hat sich die Regalverfügbarkeit im Handel in den letzten Jahren entwickelt? Was sind die Gründe?
Es gibt Einzelbeispiele für eine signifikante Verbesserung nach Kooperationsprojekten zwischen Handel und Industrie. Aber insgesamt ist die Regalverfügbarkeit immer noch auf dem Niveau von vor fünf Jahren. Die Gründe kann man nicht an einigen wenigen Kriterien festmachen. Die optimale Regalverfügbarkeit scheitert meist an der wenig konsequenten Umsetzung von Empfehlungen, die wir bereits gemeinsam mit der Wirtschaft definiert haben. ECR Europe hat aus diesem Grund eine Arbeitsgruppe gegründet, die unter dem Stichwort „OSA Reloaded“ das Thema Regalverfügbarkeit vorantreiben will.
Ein Beispiel für fehlende Ware im Regal und mögliche Lösungen: Das Problem kennt jeder Händler – es ist das der letzten 50 Meter. Die Ware ist im Filiallager, aber gerade nicht im Regal. Diese im Fachdeutsch „Out-of-Shelf“ genannte Situation ist ein Symptom für Probleme bei der sogenannten Store Execution. Diese wiederum entstehen nicht zuletzt durch immer längere Öffnungszeiten bei meist gleichbleibender Personaldecke. Es fehlt dann nicht selten das zusätzliche Personal zum Nachfüllen der Regale. Abhilfe schaffen hier drehzahlorientierte Platzierungsgrößen. Also: Je schneller sich ein Produkt dreht, desto mehr Platz braucht es im Regal. Kann der Regalplatz nicht erweitert werden, hilft es zum Beispiel, besonders stark gefragte Artikel nahe am Lager zu platzieren, um so schneller wieder auffüllen zu können. Auch solche Aspekte berücksichtigen Category-Management-Projekte bei der Entwicklung von Platzierungslösungen.
Verbraucher vergleichen mobil und per Internet. Wie wirkt sich dies auf das Category Management aus?
Das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Das sieht je nach Branche in den einzelnen Kategorien sehr unterschiedlich aus. Faktoren sind hier zum einen die Höhe des Preises. Zum Beispiel wird bei Elektronikartikeln stärker verglichen als bei Gütern des täglichen Bedarfs.
Auch beim Internet-Handel wächst die Konkurrenz. Online-Shops richten ihr Sortiment unter CM-Gesichtspunkten gezielt nach den Kundenwünschen und dem Suchverhalten im Internet aus. Sie stärken damit ihre Wettbewerbsfähigkeit. Denn insbesondere im Internet müssen die Händler den Kunden noch gezielter durch das Angebot führen und darauf achten, ihn nicht durch die Fülle des Angebots zu überfordern und ihn damit zu einer Kaufentscheidung zu führen. Internet-User wollen nicht lange suchen.
Für das CM des stationären Handels bedeutet die Affinität vieler Verbraucher zum Online-Handel, die Warengruppen zu fördern, die nicht so stark durch Online-Angebote kannibalisiert werden. Und der Einzelhandel hat immer noch den nicht zu unterschätzenden Vorteil der kompetenten Fachberatung auf seiner Seite. Bündelt und präsentiert er sein Sortiment kundengerecht und bietet zudem aufmerksamkeitsstarke, ideenreiche Aktionen, kann er gegenüber dem Online-Handel bei den Käufern punkten.
René Schellbach, iXtenso.com