Ladendiebstahl wird zunehmend zur Belastung für Händler*innen – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch emotional. Laut einer Studie des Handelsforschungsinstituts EHI verursachte Ladendiebstahl im Jahr 2024 im Einzelhandel einen Schaden von fast drei Milliarden Euro. Trotzdem bleiben viele Täter*innen straffrei. Was läuft bei Strafverfolgung und Prävention schief, und was muss die Politik jetzt tun? Das erklärt Peter Schröder, HDE Bereichsleiter Recht und Verbraucherpolitik, im Interview.
Strafverfolgung: Wie schätzen Sie diese im Fall von Ladendiebstahl ein?
Peter Schröder: Im Einzelhandel hat sich schon seit längerem aufgrund der praktischen Erfahrungen der Eindruck verfestigt, dass dem Staat teilweise der Wille oder die Möglichkeiten zur Rechtsdurchsetzung und konsequenten Strafverfolgung fehlen und er die zunehmenden Übergriffe auf das Eigentum der Unternehmer ignoriert oder sogar bagatellisiert. Eingeleitete Strafverfahren werden nicht selten von der Staatsanwaltschaft gemäß § 153 StPO eingestellt, weil angeblich „kein öffentliches Interesse“ an der Strafverfolgung bestünde.
Wo sehen Sie Mankos? Welche Stellen oder Hebel versagen hier?
Ermittlungstätigkeiten finden nach Erfahrungen der Einzelhändler und unabhängig von abweichenden Versicherungen der zuständigen Landesbehörden in der Realität nur sehr selten statt. Die Möglichkeiten, zur Überführung potenzieller Mehrfachtäter Hausdurchsuchungen durchzuführen, bleiben in der Regel ungenutzt. Manchmal müssen die Händler sogar erfahren, dass die Polizei wegen Überlastung am Tatort erst gar nicht erscheint, obwohl der Einzelhändler den Täter dingfest gemacht hat und ihn der Polizei „liefern“ will. Selbst wenn die Polizei am Tatort erscheint, bleibt für den Einzelhändler mitunter unklar, ob ein Strafverfahren überhaupt eingeleitet wird. Manchmal beschränkt sie sich nur auf die Feststellung der Personalien des Täters.
Was können Händler*innen tun, um ihre Lage zu verbessern?
Die Einzelhändler geben sich die größte Mühe und scheuen keine Kosten, um sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln vor Straftaten zu schützen. So investiert der Handel pro Jahr rund 1,6 Mrd. Euro, um die Inventurdifferenzen zu reduzieren. Gleichzeitig erleben die Einzelhändler aber, dass sie mit den ihnen im Rahmen des geltenden Rechts zur Verfügung stehenden Präventionsmitteln zunehmend an ihre Grenzen stoßen und der Schutz ihres Eigentums tatsächlich auch bei hohem technischem Aufwand nur noch bedingt und oft gar nicht mehr möglich ist.
Was fordert der HDE, um Diebstähle besser in den Griff zu bekommen?
Die Einzelhändler erwarten von der Politik straf- und strafprozessrechtliche Rahmenbedingungen, die konsequente repressive Maßnahmen der Justiz und Polizei sicherstellen und auch die gewünschte Präventionswirkung entfalten. Aber auch die Möglichkeiten zur rechtssicheren Nutzung der Videoüberwachung, ggf. auch mit KI-Unterstützung, müssen verbessert werden.
Neben den Forderungen: Wie bringt sich der HDE bei dem Thema ein?
Der HDE steht in ständigem Austausch mit den Einzelhändlern, nimmt die praktischen Erfahrungen der Unternehmen auf und hat auf dieser Grundlage konkrete Vorschläge für gesetzliche Änderungen erarbeitet und adressiert diese an die politischen Entscheidungsträger. Auf Landesebene stehen die Verbände des HDE im Kontakt mit den zuständigen Innen- und Justizministerien der Länder und machen diese auf aktuelle Fehlentwicklungen und Probleme bei der Strafverfolgung aufmerksam.
Ladendiebstahl: Was glauben Sie wird in Zukunft relevant und was wünschen Sie sich?
Die Einzelhändler rechnen in allen Bereichen mit einer weiteren Zunahme der Ladendiebstahlszahlen und weiteren wirtschaftlichen Belastungen durch die daraus resultierenden Inventurdifferenzen. Die Delikte werden dabei nach Beobachtung der Einzelhändler mit einer immer höheren Gewaltbereitschaft auch gegen die Mitarbeiter verwirklicht. Die Grenzen zwischen Ladendiebstahl und Raub sind schon jetzt mitunter fließend. Diese Entwicklung muss gestoppt werden. Der Einzelhandel leistet durch hohe Investitionen in Sicherungsmaßnahmen bereits seinen Beitrag. Jetzt ist der Gesetzgeber am Zug: gefragt ist Prävention durch konsequentere und härtere Strafen. Der Gesetzgeber muss deutlich machen, dass Ladendiebstahl keine Bagatelle, sondern eine Straftat ist, die nicht selten mit hoher krimineller Energie ausgeführt wird. Der Rechtsstaat muss jetzt unter Beweis stellen, dass er das Eigentum der Unternehmer wirksam schützt.