Bericht • 27.11.2012

Neuromarketing: Wenn der (Schnäppchen)-Jäger zum Gejagten wird

… denn wenn es um Kaufentscheidungen geht, wissen sie selten, warum sie es tun

Jeder kennt sie, kaum einer hinterfragt sie: Schnäppchen und Sonderangebote. So kurz vor Weihnachten verschenkt Saturn gern einmal die Mehrwertsteuer und in der Innenstadt nahezu jeder größeren Stadt gibt es zusätzlich zu Sommer- und Winterschlussverkauf auch das Phänomen des Midseason-Sales. Diese vermeintlich harmlosen Rabatt-Aktionen, die dem Kunden das Glücksgefühl eines günstig getätigten Einkaufes vermitteln sollen, haben es neuromarketingtechnisch in sich.

Denn, was auch jeder kennt und garantiert selbst schon getan hat, ist, etwas zu kaufen, weil es reduziert ist. Was für Frauen – überspitzt formuliert – das sechste Paar schwarze Schuhe ist, ist für Männer ein technisches Gimmick welcher Art auch immer. Verdanken tut der Handel diese ungeplanten Zusatzkäufe dem Belohnungszentrum im menschlichen Gehirn, das durch solche Rabatt-Aktionen gezielt gereizt wird. Wird besagtes Zentrum angesprochen, verlieren die Kunden bei der Kaufentscheidung einen Teil ihres rationalen Entscheidungsvermögens. Der Effekt des Ganzen ist, dass die Kaufbereitschaft steigt, denn: „Es ist doch günstiger!“

Was im Gehirn bei einer Kaufentscheidung passiert

Neuromarketing oder auch Consumer Neuroscience ist eine Symbiose der Disziplinen Neurobiologie und Marketing. Hierbei wird erforscht, was im Gehirn vorgeht, wenn man Werbung oder bestimmte Marken sieht und was passiert, wenn Menschen Kaufentscheidungen treffen. Gerade in Zeiten der Reizüberflutung und einer mit Produkten übersättigten Gesellschaft ist ein Ziel, herauszufinden, was die Kunden wirklich wollen und wie die Produkte beworben werden müssen, damit sie gekauft werden. Denn acht von zehn Produkten auf dem Markt haben keinen Erfolg. Da lohnt es sich, einmal einen tieferen Blick ins Oberstübchen der Konsumenten zu werfen, denn Kaufentscheidungen fallen un(ter)bewusst und können von den Käufern in den seltensten Fällen wirklich erklärt werden.

Etwas Licht ins Dunkel bringt Neurologe und Neuromarketingexperte Prof. Christian E. Elger der Life & Brain GmbH. Im iXtenso-Interview lesen Sie, wie Gehirn und Geldbörse einander angenähert werden können.

Neuromarketing in der Praxis – das Gehirn richtig bewerben

Eines darf der Handel nie vergessen: Das Unterbewusstsein sitzt stets mit im Einkaufswagen wenn ein Kunde ein Geschäft betritt. Und, was viel wichtiger ist: Das Unterbewusstsein trifft Kaufentscheidungen. Beeinflusst wird es dabei von vier Faktoren: Aufmerksamkeit, Gedächtnisbildung, Emotionen und dem bereits bekannten Belohnungszentrum. Diese vier wiederum können auch ein Stück weit gelenkt werden. Emotionen, also Gefühle wie Vertrauen in eine Marke, eine angenehme Kaufatmosphäre und kleine Geschenke und Vergünstigungen, wirken unterbewusst positiv auf den potentiellen Käufer.

Marketingberater und Autor von „Was Marken erfolgreich macht – Neuropsychologie in der Markenführung“ Dr. Christian Scheier der decode Marketingberatung GmbH erklärt im Interview, wie die Praxis dieser Theorien funktioniert.

Spiegelneurönchen an der Wand, was wird gekauft im ganzen Land?

Spieglein, Spieglein an der Wand… endlich zu wissen, was und vor allem warum etwas gekauft wird, wäre für die Marketing-Branche einfach märchenhaft. Aber trotz der neuen Möglichkeit per Gehirnscan Einblicke in das unbewusste menschliche Handeln zu gewinnen, ist und bleibt viel Markenbewusstsein eine Sache der kindlichen Prägung. Und kann somit kaum verändert werden. Bis zum Alter von sieben Jahren ist das Werte- und Normenempfinden beim Menschen fertig ausgebildet. Marken oder Produkte, die bis dahin gekannt wurden, behalten die kindliche – positive oder negative – Konnotation. So wird die Suppe, die es früher gegen den schlimmen Schnupfen gab, zu einem Symbol – oder „Imprint“ – für Zuhause, Geborgenheit und Liebe. Emotionen mit Produkten und somit im Idealfall mit einer ganz bestimmten Marke zu verbinden ist eine sehr erfolgreiche Marketingstrategie.

Ein anderer Quell der Kaufkraft scheinen die 1995 entdeckten aber noch umstrittenen Spiegelneuronen zu sein. Im Menschen sollen diese Neuronen unter anderem Empathie und den Nachahmungstrieb bewirken. Gut fürs Marketing. Vor einiger Zeit gab es ein Youtube-Video, das zeigte, wie ein Junge seine neue Spielkonsole auspackte. Binnen kürzester Zeit hatten das Video über 70.000 Menschen gesehen. Allein das Zusehen scheint im Menschen ähnliche Glücksgefühle auszulösen, wie das eigenhändige Befreien eines begehrten Gegenstands aus seiner sinnlosen Verpackung. Erfolgreiches Neuromarketing hier wäre: Sehen. Erfreuen. Nachkaufen.

Der „In den Warenkorb“-Button und die Ethik

Bei all dem Segen, den es brächte, zu wissen, wie das Gehirn einkaufen würde, bekommt so mancher bei dem Gedanken an gezielte Gedankenmanipulation Bauchschmerzen. Der Schnäppchenjäger wird zum Gejagten, dem man auch den letzten Pfennig aus der Tasche ziehen will, ohne dass er es merkt oder gar ändern kann. Neuromarketing ist und bleibt ein brisantes und kontrovers diskutiertes Thema. Dennoch wird es den Knopf, der Menschen willen- und machtlos einkaufen lässt, im Gehirn so wohl nicht geben – wohl aber gibt es und gab es schon immer Faktoren, die Menschen (kauf)unkritischer machen.

Aber zum Kauf gehören immer noch zwei Parteien: Die, die etwas anbietet und die, die das Angebot tatsächlich wahrnimmt. Ja, es gibt Faktoren, die die Rationalität der Entscheidungsfähigkeit des Menschen trüben. Und ja, Emotionen sind auch in diesem Lebensbereich mal wieder unter den Top-Ten der tonangebenden Impulse. Aber es ist ja nicht so, dass die gut beworbenen Produkte schlecht sind. Es ist einerseits eine Frage der Marketing-Strategie und andererseits eine Frage des eigenen kritischen Bewusstseins, das über Kauf oder Nicht-Kauf urteilt. Wer sich beim Einkauf schnell entscheidet, handelt oft großzüger – also positiv für ein Produkt. Es lohnt sich also allemal – und das weiß auch jeder Schnäppchenjäger – vor Einkäufen mit hohem Geldeinsatz die eine oder andere Nacht darüber zu schlafen. Am nächsten Morgen sieht man klarer und fällt dadurch auch eine vernünftigere und rationalere Kaufentscheidung.

Elisabeth Henning, iXtenso.com

 

Quellen:

Christian Scheier u.a.: Was Marken erfolgreich macht – Neuropsychologie in der Markenführung; Haufe, 2012

Christian C. Elger, Friedhelm Schwarz: Neurofinance: Wie Vertrauen, Angst und Gier Entscheidungen treffen; Haufe, 2009

Kauf mich! von Martin Lindstrom; Redaktion: Susanne Kutter, 2009

Christian Scheier, Dirk Held: Wie Werbung wirkt; Haufe, 2012

Themenkanäle: Handel, Marketing-Planung

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