Social Compliance per Gesetz
Gesetze und Begriffe rund um die Lieferkette
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Der Begriff Compliance wird das Jahr 2021 für Unternehmen nachhaltig prägen – und zwar auf Basis zweier Gesetze. Zum einen wird aktuell über den Entwurf des Verbandssanktionengesetzes beraten, das Firmen mehr als bisher dazu anhält, sich aktiv um eine Unternehmenskultur zu bemühen, die ausschließlich auf Rechtschaffenheit beruht. Zum anderen wurde am 11. Juni 2021 das Lieferkettengesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten vom Bundestag beschlossen. Dieses Gesetz ist die deutsche Antwort auf die Frage nach der Social Compliance und wurde
Compliance beschreibt eine gelebte Kultur der Rechtschaffenheit in Unternehmen. Formal handelt es sich dabei um ein unternehmenseigenes Regelwerk, das beispielsweise Korruption wirksam eindämmen soll. Ein auch im rechtlichen Sinne relevantes Compliance Management zieht sich durch alle Bereiche des Unternehmens – von der Kantine bis zur Geschäftsführung. Gearbeitet wird nach dem Prinzip: vorbeugen, aufdecken sowie reagieren und gegebenenfalls verändern.
Social Compliance geht noch einen Schritt weiter: Das Bewusstsein für die Verantwortung als Unternehmen soll sich auch auf alle Liefer- und Vertriebsketten erstrecken. Im Wesentlichen geht es um die Gesundheit und Sicherheit sowie um die Grundrechte der Mitarbeiter, aber auch um die Gesellschaft als Ganzes und die Umwelt vor Ort. Diese Aspekte gewinnen zunehmend an Bedeutung – vor allem angesichts der globalen Vernetzung und der internationalen Einflussmöglichkeiten der Wirtschaft auf Länder und sogar deren Regierungen.
Darüber hinaus wollen immer mehr Menschen die unternehmerische Verantwortung nicht mehr nur einer freiwilligen Selbstverpflichtung ohne staatliche Sanktionen überlassen. So sprachen sich in einer aktuellen repräsentativen Umfrage von infratest dimap im September 2020 drei von vier Deutsche für ein Lieferkettengesetz aus. Und 91 Prozent bezeichneten es als Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass Unternehmen auch bei ihren Auslandsgeschäften Menschenrechte und Sozialstandards achten.
Regeln, was der Markt nicht regeln kann
Viele deutsche Unternehmen entsprechen diesem Stimmungsbild jedoch noch nicht. Letztlich wurde das Lieferkettengesetz deshalb beschlossen, weil zu wenige Firmen bereit oder in der Lage waren, Social Compliance systematisch und nachhaltig einzurichten. Der nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) hatte den Unternehmen 2016 eine Frist von vier Jahren eingeräumt. Danach wurde überprüft, ob die freiwillige Selbstkontrolle der Firmen ausreicht und eine gesetzliche Regelung damit überflüssig ist. Die Maßgabe lautete: Mindestens 50 Prozent aller Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern müssen bis Mitte 2020 die Kriterien erfüllen. Allerdings erreichten nur knapp 18 Prozent dieses Ziel.
Der Kompromiss, der dem jetzt verabschiedeten Gesetz zugrunde liegt, sieht wie folgt aus:
Ab Januar 2023 müssen sich deutsche Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten an die neue Vorgabe halten. Ein Jahr danach gilt das Gesetz auch für Firmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Damit werden ab 2024 rund 3.500 Unternehmen zur Social Compliance verpflichtet sein. In der Praxis bedeutet dies: Unternehmen müssen jeden Lieferanten und Dienstleister überprüfen. Wenn diese die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllen, werden sie gegebenenfalls durch andere Anbieter ersetzt. Die Regelung betrifft allerdings nur direkte, unmittelbare Partner. Das Unternehmen selbst kann bei Verstößen seiner Lieferanten und Dienstleister zwar nicht zivilrechtlich belangt werden. Es drohen jedoch erhebliche Bußgelder sowie der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen. Zuständig für die Überwachung des Gesetzes ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa).
Kritiker und Befürworter des Gesetzes
Das neue Lieferkettengesetz stellt sich im europäischen Vergleich fortschrittlich dar. Allerdings ist es umstritten. Die einen sagen, es sei nicht Aufgabe des Staates, die unternehmerische Verantwortung zu kontrollieren. Andere sind der Meinung, das könne dieser auch gar nicht. Gegenwind kommt vor allem von Wirtschaftsverbänden wie dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Auch das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln kommentiert, dass viele Argumente, die für das Gesetz vorgebracht werden, die realen Verhältnisse nur verkürzt abbilden. So würden in diesem Zusammenhang etwa die positiven Auswirkungen, die Engagements von Unternehmen aus der EU in Entwicklungs- und Schwellenländern haben, nicht ausreichend gewürdigt.
Zustimmung für das Gesetz kommt unter anderem von Seiten charitativ und sozial engagierter Institutionen. So argumentieren etwa Brot für die Welt oder Germanwatch unter anderem, das Gesetz sei notwendig, damit tatsächlich sichergestellt werde, dass alle Unternehmen dafür sorgen, dass ihre Produkte zum Beispiel nicht unter Verletzung von Menschenrechten hergestellt werden. Die Verantwortung für die Produktionsbedingungen einer Ware soll damit noch stärker beim produzierenden Betrieb direkt liegen – und weniger indirekt beim Verbraucher und seiner Konsumentscheidung, beispielsweise für oder gegen ein Kleidungsstück, welches unter Berücksichtigung ökologischer und ethischer Standards gefertigt wurde.
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