Markenauftritt: Kundenbindung durch relevante Themen schaffen
Interview mit Michael Ostertag-Henning von Schmidhuber
Schmidhuber
Shopdesign und Messeauftritt sind die direkten Berührungspunkte einer Marke mit dem Kunden. Mit Michael Ostertag-Henning, Geschäftsführer der Kreativagentur Schmidhuber, sprachen wir darüber, wie sich die wachsende Digitalisierung auf die Außendarstellung einer Marke auswirkt und welch wichtige Rolle die Kundenbeziehung hierbei spielt.
Herr Ostertag-Henning, worauf legen Marken derzeit Wert bei ihrer Außendarstellung?
Wo Marken früher noch besonders Wert auf Produktausstellungen im Corporate-Design gelegt haben, in denen die Marke oder Produkte stark gespielt wurden, ist heute die Themenkommunikation wichtiger. Es geht darum, dem Kunden die Fragen zu beantworten, die ihn und wiederum seine Kunden beschäftigen – wie beispielsweise individuelle Services oder das Thema Nachhaltigkeit, das auch in der Markenführung immer relevanter wird. Die Retail-Branche hat hierbei noch stark aufzuholen, während das bei Messeauftritten schon eine große Rolle spielt.
Was haben Messeauftritt und Shopdesign in Ihren Augen gemeinsam?
Beides sind Plattformen, an denen sich das Unternehmen mit seinen Werten, Produkten und Leistungen dem Menschen stellt – in direkter Begegnungskommunikation. Dadurch, dass viel Geschäft ins online abwandert, sind diese realen Begegnungspunkte bedeutungsvoll. Es wird immer wichtiger Identität und Markenbindung zu erzielen. Flagshipstores zeigen das ganz massiv. Hier geht es nicht mehr vornehmlich darum, den Umsatz zu erhöhen, sondern Bindung zu schaffen.
„Bindung schaffen“ – ein Punkt, der Ihnen besonders wichtig ist …
Bei allen Überlegungen über die Digitalisierung wird die persönliche Bindung immer wichtiger – ob offline oder online. Das ist die Komponente, die am meisten außen vor gelassen wird.
Michael Ostertag-Henning: "Das Kaufverhalten der Nutzer hin zum Online-Nutzer muss sich erst nach und nach verändern. Das ist ein Paradigmenwechsel, dem man noch etwas Zeit lassen muss. In Asien „liked“ und „shared“ jeder – hier hat sich das Mobileverhalten bei weitem noch nicht so durchgesetzt."
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Wie kann die Kombination digitaler Medien und persönlicher Bindung im Shop aussehen?
Bei der Umsetzung eines Markenshops in Hamburg haben wir genau auf diese Komponenten Wert gelegt. Auf der einen Seite gibt es digitale Medien im Store, wie eine große Medienwand, über die alle Infos zu den Produkten zur Verfügung stehen. Der Erlebnisfaktor kommt durch die Gestensteuerung, mit der die Wand bedient wird und auf der die Geräte in Originalgröße angezeigt werden. Sie ist direkt angebunden an das Warenwirtschaftssystem des Unternehmens und an den Online-Shop. Außerdem können Kunden die Produkte natürlich anfassen und gleich mitnehmen.
Der wesentliche Aspekt für die Kunden ist in diesem Konzept allerdings der persönliche Bezug: hier führt nicht irgendjemand den Store, sondern eine ein lokal bekannter Servicepartner in Sachen Haushalts- und Elektrogeräte. Der Faktor „Vertrauen“ ergänzt das Omnichannel-Angebot immens.
Kunden müssen heute aus circa 100 Kühlschränken wählen. Damit sind sie natürlich überfordert, trotz digitaler Suchmaschine. Am Ende ist wichtig, dass man Vertrauen zu der Person hat, die einen berät. Die Qual der Wahl wird immer größer und dadurch die persönliche Beratung immer wichtiger. Es ist eine Art begehbarer Onlineshop mit persönlicher Beratung und damit eine neue Dimension der Kundenansprache im digitalen Zeitalter.
Mit welchen digitalen Werkzeugen arbeiten Sie gerne?
Mir persönlich gefällt es immer dann gut, wenn digitale Tools nicht so im Mittelpunkt stehen – wir nennen das „ambient intelligence“. Wir bei Schmidhuber forschen sehr viel und entwickeln neue Interfaces. Ein Beispiel für ein Tool, das direkte Auswirkungen auf das Design im Raum hat, ist eine Entwicklung für den Audi Pavillon in Wolfsburg. Diese Dauerausstellung wird von vielen Besuchern immer wieder besucht. Deshalb wollten wir etwas schaffen, dass diese Besuche jedes Mal anders gestaltet.
Was ist dabei herausgekommen?
Dabei heraus kam eine interaktive weiße Kugel, die im Inneren voll digital ist. Der Besucher hält sie während des Besuchs in der Hand und kann sie teilweise in Vorrichtungen bei den Exponaten stecken, um so mit den Exponaten zu interagieren. Filme werden abgespielt, Bilder projiziert, Audioelemente gestartet und ähnliches. Der Besucher wird damit quasi zum Ausstellungsgestalter - Die Kugel kann den Namen und das Bild des Nutzers an einem Fotopoint speichern, verändert ihre Farbe, ja nachdem, in welcher Themenwelt man sich befindet. Sie ist ein Steuerungselement. Die gesammelten Daten können sogar mit nach Hause genommen werden.
Welche digitalen Methoden werden sich Ihrer Meinung nach im Shop etablieren?
Wir befinden uns noch in der Phase, in der wir diese neuen Geräte und Möglichkeiten kennenlernen – da ist es schon ein Erlebnisfaktor, Touchscreens auszuprobieren und mit interaktiven Devices zu arbeiten. Danach werden sich die Dinge durchsetzen, die dem Kunden am ehesten dabei helfen, seine Entscheidungen bewusster zu treffen.
Wo fängt der Weg zum Omnichannel für Einzelhändler Ihrer Meinung nach an?
Das ist sehr unterschiedlich. Jede Branche muss differenziert entscheiden, wie die Antwort auf die Frage lautet: „Warum setzte ich welche Tools ein“. Durch die Digitalisierung müssen Unternehmen neue Felder erarbeiten und das Bedürfnis der Kunden wieder mehr in den Mittelpunkt rücken. Deshalb fängt bei jedem dieser Weg woanders an.