15.000 Arbeitsplätze und 1.000 KMUs in Österreich bedroht
Handelsverband warnt vor Änderungsanträgen zur UTP-Richtlinie auf Kosten der heimischen Lebensmittel-Nahversorgung
Eine laufend verbesserte Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft hat für den heimischen Lebensmittelhandel oberste Priorität, da Lebensmittel das wichtigste Alleinstellungsmerkmal in den Regalen bilden. Daher unterstützt auch der Handelsverband alle Bestrebungen, die Zusammenarbeit weiter zu optimieren. Einen diesbezüglichen Vorschlag hat die Europäische Kommission im April 2018 vorgelegt: die Richtlinie über unlautere Handelspraktiken (UTP) in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette.
Der heimische Handel hält die dort genannten Praktiken und Empfehlungen allesamt bereits ein und begrüßt eine EU-weite Regelung. Vor einigen Wochen wurde jedoch bekannt, dass die EU eine Ausweitung der Schutzwürdigkeit von ländlichen Betrieben (KMU) auf große, global agierende FMCG-Konzerne vorsieht. "Sollte es tatsächlich so kommen, wäre das eine dramatische Wettbewerbsverzerrung und würde multinationale Industriekonzerne wie Nestlé schützen. Das ist in dieser einseitigen Form aus unserer Sicht in keiner Weise gerechtfertigt", sagt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes.
Doch damit nicht genug: Am 1. Oktober wurden im sog. AGRI-Ausschuss des EU-Parlaments rund 40 weitere verbotene Handelspraktiken beschlossen - zusätzlich zu den von der Kommission ursprünglich vorgeschlagenen vier. Darunter befinden sich zwei Änderungen, die für die österreichische Handelslandschaft und insbesondere mittelständische Kaufleute und KMU massiv negative Auswirkungen hätten, wenn diese tatsächlich in der finalen UTP-Richtlinie enthalten sein sollten:
Änderungsantrag 360 verbietet Zusammenschlüsse von Einzel- und Großhandel zu Einkaufsgemeinschaften und torpediert damit direkt Franchise-Geschäftsmodelle im LEH. Die damit verbundene Zerschlagung funktionierender genossenschaftlicher Strukturen in der Lebensmittellieferkette würde zu erheblichen Ineffizienzen und höheren Verbraucherpreisen in Österreich führen. Kein kleiner Kaufmann kann heute zu adäquaten Preisen global beschaffen, weil er einfach nicht die entsprechenden Mengen bezieht. Das läuft absolut gegen das Prinzip der freien und sozialen Marktwirtschaft und entbehrt jeglicher rechtlich wie auch ökonomisch sinnvollen Grundlage.
"In Österreich wären von dieser Regelung rund 1.000 KMUs und insgesamt 15.000 Arbeitsplätzen betroffen. Neben einem erheblichen Anstieg der Warenbezugskosten wären Kaufleute wie ADEG, Nah&Frisch, Spar und Co auch damit konfrontiert, dass Sie keine Werbeplattformen und Systemsynergien mehr hätten. Das würde wiederum eine massive Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel nach sich ziehen. Wenn die EU-Entscheidungsträger das tatsächlich durchziehen, werden künftig einige hundert Orte bei uns ohne Nahversorger sein, was auch die Landflucht und das Greißlersterben weiter befeuern würde", warnt Rainer Will.
Änderungsantrag 361 verbietet strengere Tierschutz- und Umweltschutzauflagen des Handels als jene, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Damit würde es dem Einzelhandel unmöglich gemacht werden, bei der Gestaltung der Vertragsbeziehungen mit den Produzenten auf die Verbraucherwünsche zu reagieren. Dies widerspricht auch klar jeder konsumentenorientierten Politik. Tierwohl-, Social Responsibility- und Nachhaltigkeitsstandards würden somit dauerhaft auf dem gesetzlichen Minimum zementiert.
"Vom Konsumenten gewünschte Mehrwertprodukte, etwa Bio, MSC oder 'ohne Gentechnik', würden verboten werden, da an die Lieferanten keine über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehenden qualitativen Anforderungen gestellt werden dürfen. Sogar das AMA Gütesiegel würde damit de facto abgeschafft werden. Das kann weder im Interesse der heimischen Landwirte, noch des Lebensmitteleinzelhandels oder von Tierschutz-NGOs wie WWF oder Greenpeace sein", so Will.
Das EU-Parlament zielt hier auf die völlig falschen Genossenschaften – was so wohl nicht intendiert und auf gar keinen Fall im Interesse der europäischen Entscheidungsträger sein kann. Überdies gefährden diese Ausweitungen und Änderungsanträge eine zeitnahe Umsetzung der ursprünglichen UTP-Richtlinie, welche eigentlich kleine landwirtschaftliche Betriebe schützen sollte.
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