In der eigenen Datenbank schlummern Informationen, die man nur ausgraben muss
Interview mit Sylvia Detzel, Marketing-Beraterin und Lehrbeauftragte
Sylvia Detzel, Inhaberin des Beratungsunternehmens Detzel Marketing, hält an der Dualen Hochschule in Stuttgart Vorlesungen zum Thema „Datenbanken, Analytisches CRM und Data Mining“. Ist das ein Hype oder essenziell für den Unternehmenserfolg? Wo sind die Schwachstellen in vielen Firmen und was muss beim Management der Kundenbeziehungen auf jeden Fall gemacht werden? Antworten gibt Sylvia Detzel im Interview mit iXtenso.
Sie halten Vorlesungen zum Thema „Datenbanken, Analytisches CRM und Data Mining“. Was ist analytisch beim CRM und was ist Data Mining?
Analytisches CRM ist ein Teilaspekt des Customer Relationship Managements. Vereinfacht gesagt geht es darum, aus den Informationen, die in den Kundendaten enthalten sind, Wissen zu gewinnen. Hierfür werden auf den gesammelten Kundendaten – zum Beispiel Adresse oder Geburtsdatum – und Transaktionsdaten wie Kauf-, Werbe- oder Zahlungshistorie Analysen durchgeführt. Dazu werden multivariate statistische Verfahren eingesetzt. Und ein Beispiel für die Verwendung dieser Analysemethoden ist eben das Data Mining, was wörtlich übersetzt „Datenschürfen“ bedeutet. Mithilfe des Data Mining sollen softwaregestützt bisher unbekannte Zusammen¬hänge, Muster und Trends aus einem Datenbestand ermittelt werden. Man muss sich also weder „von Hand“ durch die Informationsflut kämpfen noch vorher wissen, wonach man sucht. Denn die Data-Mining-Technologien durchforsten quasi selbstständig den Datenberg auf bislang verborgene Erkenntnisse.
Das klingt nach anspruchsvollen Computer-Anwendungen. Ist das Thema nur etwas für große Unternehmen?
Vorweg: Grundsätzlich muss CRM für Unternehmen weit mehr als eine rein techniklastige Betrachtung sein! Denn CRM zu leben bedeutet, dass das gesamte Unternehmen konsequent auf die Kunden ausgerichtet wird. Alle Unternehmensprozesse – angefangen vom Innovationsmanagement über das Beschwerdemanagement bis hin zu einer integrierten Kommunikation – werden systematisch auf dieses Ziel hin gestaltet. CRM an sich ist also keine Frage der Unternehmensgröße. Und auch was den Einsatz von Data Mining anbelangt, ist nicht die Größe des Unternehmens entscheidend, sondern die der Datenbasis. Und die kann durchaus auch in kleinen und mittelständischen Betrieben beachtlich sein.
Mal ehrlich: Sind CRM und Data Mining ein neuer Hype?
Kundenpflege ist wahrlich nicht neu. Und auch die alte Weisheit, dass es bis zu fünfmal teurer ist, einen neuen Kunden zu gewinnen als einen bestehenden zu binden, wird schon lange bemüht. Allerdings begünstigen heute Entwicklungen im Marktumfeld den CRM-Boom: IT ermöglicht eine Datenverarbeitung in großen Mengen – und bei vertretbaren Kosten. Vor einem halben Jahrhundert hieß eine „Datenbank“ noch Hängeregistratur und 1970 war das relationale Datenbankmodell nur theoretisch beschrieben. Die Hardware war erst Ende der 70er Jahre ausreichend entwickelt, um die Theorie auch in ein reales Produkt umzusetzen. Zugleich hat sich auch der Verbraucher in seinem Informations- und Konsumverhalten verändert, und die Herausbildung immer kleinerer Marktnischen macht eine zielgerichtetere Ansprache weg vom Gießkannenprinzip notwendig. Last but not least sehen sich die Verantwortlichen in Unternehmen oft geringeren Werbebudgets gegenüber – und das bei gleich bleibenden Zielen! Das macht es zwingend notwendig, Maßnahmen stärker auf einzelne Produktsegmente, Kundenbedürfnisse und Zielgruppen auszurichten. Deshalb sehe ich CRM als Notwendigkeit an, nicht als Hype.
Gibt es einen Nutzen bei vertretbarem Aufwand?
Bei der Implementierung von IT-Lösungen zum CRM muss immer eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung am Anfang stehen. Denn es macht keinen Sinn, ein Problem, mit dem man jährlich 10.000 EUR spart, mit einer Lösung in den Griff zu kriegen, die 1.000.000 EUR kostet.
Was ist Pflicht in Sachen Kundenbeziehungsmanagement?
Basis fürs Kundenbeziehungsmanagement ist eine sorgfältig konzipierte und gut gepflegte Datenbank. Denn egal, welches Analysetool Sie einsetzen: Es kann nur so gut sein, wie die Daten, auf denen es die Analysen durchführt. Das klingt im ersten Moment banal, ist aber in der Praxis eines der größten Probleme. Man sagt, dass pro Jahr im Schnitt jede zehnte Adresse veraltet. Permanente Adresspflege heißt deshalb die oberste Pflicht. Das fängt damit an, dass man klare Erfassungsrichtlinien für Kundendaten definiert, geht über regelmäßige automatisierte Abgleiche und bedeutet zum Schluss – vor allem im Bereich von B2B-Adressen – dass man immer wieder auch manuell eingreifen muss. Auf einer gut strukturierten und aktuellen Datenbank lassen sich mit einfachen Mitteln gute Analysen durchführen und für eine zielgerichtete Kundenansprache verwenden.
...und was ist die Kür beim CRM?
Die Kür ist dann tatsächlich der Einsatz von ausgefeilten Data-Mining-Verfahren. Hier muss man ja nicht gleich auf die „abgehobenen“ Verfahren wie Fuzzy Logic oder künstliche neuronale Netze zurückgreifen. Sehr pragmatisch kann beispielsweise die Cluster-Analyse zur Kundensegmentierung eingesetzt werden. Ein gängiges Verfahren ist auch die Assoziationsanalyse, die in Form der Warenkorb-Analyse einen hohen Praxisnutzen hat. Untersucht wird, ob es einzelne Artikel in einem Warenkorb gibt, die das Auftreten anderer Artikel in einem Warenkorb inner¬halb einer Transaktion implizieren. Hier werden also Zusammenhänge beim Einkauf aufgedeckt und gezielt für Werbemaßnahmen genutzt. Ein klassisches Einsatzbeispiel ist die Produktplatzierung im Handel: Wenn bei 80 Prozent der Einkäufe, in denen Bier gekauft wird, auch Kartoffelchips gekauft werden, wird man in einem Getränkemarkt auch Chips platzieren. In den Online-Medien macht man sich die Erkenntnisse beispielsweise für Empfehlungen und Bundle-Angebote zunutze.
Data Mining heißt: Erkenntnisse gewinnen aus den vorhandenen Daten durch geschicktes Verknüpfen. Datenschützer warnen vor dem gläsernen Verbraucher. Sollte der Handel also lieber die Finger davon lassen?
Nein, auf gar keinen Fall! Wenn Sie Auto fahren, wissen Sie ja auch, dass Sie geblitzt werden oder Strafzettel bekommen könnten. Ist die logische Konsequenz deshalb, gleich die Finger vom Autofahren zu lassen? Wohl kaum. Sie machen sich stattdessen mit den Verkehrsregeln vertraut und halten sich daran. Genauso sollten Unternehmen es mit dem Thema Datenschutz handhaben: Die Datenschutzgesetzgebung kennen, sich selbst daran halten und auch alle involvierten Dienstleister über Auftragsdatenverarbeitungsverträge zur Einhaltung verpflichten sowie auch dem Kunden gegenüber einen transparenten Umgang mit seinen Daten pflegen. Dann kann eigentlich nichts schiefgehen.
Und bedenken Sie: Wenn Sie nichts für die Kundenpflege und Kundenbindung tun, tut es garantiert Ihr Wettbewerber.
Ihr Unternehmen macht crossmediales Marketing. Welche Kundeninformationen kann man für die eigene Datenbank über welchen Werbekanal gewinnen?
Daten, die man selbst erhoben hat, sind oft die verlässlichsten und vor allem die kostengünstigsten. Deshalb sollte man jeden Kundenkontakt dafür nutzen – über alle Medien hinweg. Das heißt zum Beispiel: Bestell- und Anfrageformulare, Antragsformulare für eine Kundenkarte, Telefongespräche, persönliche Beratungsgespräche am POS oder Gewinnspielkarten. Oft schlummern in der eigenen Datenbank auch Informationen, die man nur ausgraben muss – zum Beispiel durch die Analyse von Transaktionsdaten oder Zahlungsverhalten. Hier schließt sich übrigens wieder der Kreis zum Data Mining. Aber man kann und muss nicht alles selber machen. Über Adressanbieter kann man seine Daten mit allen möglichen Informationen anreichern lassen.
Wenn Sie mal einen Auftrag frei hätten? Für wen würden Sie gern mal Marketing-Aktionen machen und warum?
Oh, das ist schwierig. Grundsätzlich mag ich es, für mittelständische, oft inhabergeführte Unternehmen zu arbeiten. Dort wird häufig schnell entschieden und man kann richtig was bewegen.
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