Moderne Technik plus aufmerksames Personal – nur diese Kombination senkt die Verluste durch Diebstahl. Warensicherung ist eine komplexe Aufgabe für die es viele Lösungen, aber nicht die einzige „Wunderwaffe“ gibt. Vor dem Ertrag steht in jedem Fall der Aufwand. Fehlalarme sind der Feind jeder Sicherung, weil das Personal bald nicht mehr reagiert. Der Händler muss also bei der Investition in mehr Sicherheit auch an die spätere Wartung denken.
Im gesamten Einzelhandel summieren sich die Inventurdifferenzen auf jährlich vier Milliarden Euro, stellte im Sommer das EHI Retail Institute fest. Unehrliche Kunden verursachen hiervon knapp 1,9 Milliarden Euro, den eigenen Mitarbeitern wird ca. eine Milliarde angelastet, der Rest entfällt auf Lieferanten oder Inventurfehler.
Den typischen Ladendieb gibt es nicht. Während manche Kunden aus Geldnot klauen, gibt es auch „gutes Publikum“, das gezielt nach wertvoller Markenware greift. Der organisierte Diebstahl durch zwei oder mehr Personen nimmt zu, ebenso der Warendiebstahl vor dem Ladengeschäft. Nach wie vor stiehlt – statistisch gesehen – jeder deutsche Haushalt jährlich Waren im Wert von über 50 Euro im Einzelhandel. Statistisch gesehen passiert jeder 200. Einkaufswagen unbezahlt die Kasse. Dem Staat entgehen so jedes Jahr rund 400 Millionen Euro Mehrwertsteuer.
Um die so genannten Inventurverluste zu reduzieren, investiert der Handel jährlich durchschnittlich fast 0,3 Prozent vom Umsatz, das ist rund eine Milliarde Euro. Die Gesamtaufwendungen für Inventurdifferenzen und deren Vermeidung betragen also jährlich rund fünf Milliarden Euro, die der Handel wie alle Kosten in seine Verkaufspreise einkalkulieren muss.
Checkpoint Systems beschreibt in einem Whitepaper verschiedene Trends in Sachen Ladendiebstahl:
- In den meisten wichtigen Märkten rund um den Globus nimmt Diebstahl im Einzelhandel zu.
- Die interne Unterschlagung als Teil des organisierten Verbrechens nimmt zu.
- Interne Unterschlagung findet nahezu gleich verteilt an vielen Orten innerhalb des Ladens und Lagers statt.
- Die Aufwendungen des Handels für Quellensicherungsmaßnahmen werden in allen Sparten des Einzelhandels weiter steigen.
- Vorausschauende Einzelhändler wollen Daten aus ihren Warensicherungssystemen mit anderen Back-Office-Anwendungen verknüpfen.
- Kein Einzelhandelssegment ist vor dem Trend steigenden Diebstahls gefeit.
Personal und Kunden als Täter
Eine wichtige Rolle bei der Prävention spielt das Personal. Die Polizei empfiehlt Schulungen. Diebstahl durch die eigenen Mitarbeiter ist ein heikles Thema. Man will kein Misstrauen säen, aber Umfragen zeigen, dass gerade die Mitarbeiter, die länger als fünf Jahre im Betrieb sind, überproportional häufig an Delikten beteiligt sind. Denn diese Gruppe kennt das Geschäft sehr gut, kennt die Lücken in den Kontrollen.
Viele Händler räumen ein, dass man auch gegenüber Kunden zu selten Verdacht schöpft. So können Kunden im Textilhandel mit vielen Teilen in der Kabine verschwinden. Wer seine Kunden jedoch immer wieder anspricht, signalisiert ihnen: „Du bist nicht allein.“ Allerdings gibt es oft viel zu wenig Personal im Laden, um alles im Blick zu halten. Umso mehr kommt es auf die Technik oder externe Detekive an.
In Unternehmen, die Detektive auch nur in einzelnen Filialen oder zeitweise im Einsatz haben, werden laut EHI bereits 71 Prozent aller aufgedeckten Kundendelikte durch Detektive erkannt und angezeigt. Obwohl die meisten Unternehmen keine flächendeckende Kamera-Ausstattung ihrer Märkte haben, werden schon knapp 40 Prozent aller Taten mit Hilfe von Kameras dokumentiert.
Sicherungen für verschiedene Artikel
Ein Warensicherungssystem ist kein Produkt von der Stange. Neben Firmen, welche sorgfältig beraten, planen und projektieren, gibt es auch Anbieter, die vermeintlich günstige Anschaffungspreise in den Vordergrund rücken. Die Warensicherung besteht aus verschiedenen Komponenten.
Ein Mittel der Warensicherung sind Vitrinen, aber hier kann der Kunde die Artikel nicht in die Hand nehmen. Frei zugänglich sind Produkte in Sicherheitsboxen mit Regalhalter, allerdings benötigen sie am Haken sehr viel Platz. Es gibt Schnürsysteme, welche mit einem Sicherheitsverschluss versehen sind.
Elektronische Leinensicherungen sind geeignet für teure Produkte, die der Kunde in die Hand nehmen und ausprobieren soll. Ein Alarmton ertönt, sobald jemand die Leine durchtrennt. Einige Leinensicherungen reagieren außerdem auf die elektronische Schleuse am Ausgang. Die Leine hält die Ware an ihrem Ort und sie versorgt elektrische Geräte gleichzeitig mit Strom. Möglich sind Leinensicherungen auch für große Objekte wie etwa Fahrräder, Rasenmäher oder Warenträger die unbeaufsichtigt im Außenbereich stehen.
Bei Textilien darf die Warensicherung nicht störend wirken. Die häufig verwendeten harten Etiketten, so genannte Hard Tags, behindern beim Anprobieren. Das Angebot an biegsamen Etiketten nimmt zu. Feste Sicherungsetiketten gibt es auch mit Sicherheitstinte. Entfernt ein Dieb das Etikett, wird die Ware mit der nicht abwaschbaren Tinte getränkt. Die Tinte trocknet auch nach längerer Zeit im Sicherungsetikett nicht ein.
Schleusen und RFID
Die „Quellensicherung“ wird immer wichtiger: Bereits an der Quelle, dem Ort der Herstellung, nicht erst im Laden, wird die Sicherung am Produkt selbst oder an seiner Verpackung angebracht. Bei der Quellensicherung sind Akustomagnet (AM) und Radiofrequenz (RF) nach wie vor die beiden Basistechnologien. Sie gelten als ausgereift, die technischen Anforderungen an die Systeme sind definiert.
Die Schleusen am Ausgang erkennen an der Kasse nicht entfernte Sicherungen. Allerdings setzen organisierte Banden Störsignale ein, so dass der Handel auf der Höhe der Technik bleiben muss. Viele Schleusen haben einen eingebauten Kundenzähler, und mit passender Software kann der Handel selbst Trends analysieren und darauf reagieren. Schleusen sind mit Kameras kombinierbar, die bei Alarm automatisch den Ausgangsbereich filmen und speichern.
Kameras – digital oder analog
Abschreckung ist ein gutes Mittel der Prävention. Dazu gehören gut sichtbare Kameras, Sicherungsetiketten und Hinweisschilder, welche über die juristischen Konsequenzen von Ladendiebstahl aufklären. Kameras sollten alle kritischen Bereiche im Blick haben und detailgenaue Aufnahmen sämtlicher Vorgänge liefern – nicht nur im Geschäft, auch bei der Warenannahme und im Lager. So können Personen zweifelsfrei identifiziert und Diebstähle oder Überfälle beweiskräftig dokumentiert werden. Möglich ist auch die Verknüpfung von Kassendaten und Videobild. Im Frühjahr 2007 gerieten jedoch Lidl und andere Lebensmittelketten in die Schlagzeilen, weil sie das Kassenpersonal heimlich mit Kameras ausspionierten. Erlaubt ist die Observierung nur, wenn die Mitarbeiter vorab über die Technik informiert wurden, Toiletten sind selbstverständlich tabu.
Videoüberwachung besteht aus mindestens einer Kamera und einem Bildschirm, ein Recorder zeichnet die Bilder auf, die Übertragung erfolgt analog, kabelgebunden oder kabellos. Bei herkömmlichen CCTV-Systemen werden analoge Kameras eingesetzt; für jede einzelne benötigt man Kabel für den Strom und die Bildsignale. Dadurch sind diese Systeme weniger flexibel als digitale Lösungen. Bei CCTV-Systemen muss Sicherheitspersonal mehrere Bildschirme überwachen und nach verdächtigen Vorfällen Ausschau halten. Das Risiko, dass etwas übersehen wird, ist hoch. CCTV steht für „Closed Circuit Television“, womit der im Vergleich zum öffentlichen Fernsehen ein geschlossener Benutzerkreis gemeint ist.
Neue Anlagen werden oft mit digitalen Kameras ausgestattet, die über ein TCP/IP-Netzwerk an einen Computer angeschlossen werden. Das Netzwerk kann sie mit Strom versorgen, damit entfallen zusätzliche Kabel. Das Internet Protocol (IP) ermöglicht die Überwachung via Web. Kameras mit Schwenk-Neige-Zoom-Funktion, so genannte PTZ-Kameras, können über das Internet auch gelenkt werden. Einige IP-Kameras analysieren Bewegungen selbständig und lösen bei Verstößen gegen vorher definierte Regeln einen Alarm aus. Sony beschreibt auf seiner Website sehr gut die Vorteile digitaler Videoüberwachung.
Axis – schwedischer Hersteller von Netzwerkkameras, Videoüberwachungssoftware und Video-Servern – hat in einem Whitepaper die Total Costs of Ownership (TCO) berechnet. Danach liegt bei der Video-Überwachung die Rentabilitätsgrenze von IP-Systemen im Vergleich zu analogen Systemen bei 32 Kameras. Die Technik wird freilich immer billiger, wenn man nicht im Hochleistungsbereich investiert. Wer bereits analoge Kameras hat, muss sie bei einer Modernisierung nicht ausmustern. Es gibt Video-Encoder, auch Video-Server genannt, welche die analogen Signale in digitale Informationen umwandeln.