In Berlin finden wir den Roboter Gisela im Bikini Berlin. Was sie kann und was der Einzelhandel künftig von ihr und ihren Nachfolgern erwarten darf, besprachen wir mit Matthias Krinke, der sie entwickelte.
Ihr Roboter Gisela ist seit Mai 2018 in einem kleinen Kiosk tätig. Was bietet sie Ihren Kunden?
Matthias Krinke: Im Augenblick produziert sie in einem geschlossenen Raum Toybots. Das sind kleine Roboter aus Pappe, die Gisela selbstständig zusammenbaut. Zukünftig soll sie noch mehr können, wie beispielsweise Schmuck und Techfashion anfertigen und personalisieren oder auch einfach nur verkaufen.
Kunden können Gisela über einen Touchscreen von außen aktivieren. Wie kommt das an?
Krinke: Dank der Fernwartung können wir durch Giselas Augen schauen. Daher wissen wir ganz genau, wie Kunden mit ihr interagieren und wer welches Interesse zeigt. Es gibt eine sehr breite Käuferschicht, einige der Nutzer haben aber auch einfach Spaß an dem Roboter.
Ist Gisela nur eine Marketingaktion?
Krinke: Nein. Denn ich erwarte schon, dass der Kiosk und Gisela kommerziell erfolgreich sind. Natürlich ist es ein Event, ihr zuzuschauen, wie sie etwas produziert und danach verkauft. Das angefertigte Produkt ist dabei ebenso wichtig wie das Erlebnis selbst. Letzteres verliert schließlich mit der Zeit den Reiz.
Erkennt Gisela ihre Kunden wieder?
Krinke: Das ist tatsächlich noch Zukunftsmusik. Wir hoffen aber, dass auch das bis Ende des Jahres möglich sein wird.
Wir haben auch schon Roboter, die auf Kunden reagieren. Unsere Pressesprecherin Yolandi ist eine Roboterdame, die inzwischen Vorträge hält und Interviews gibt. Wenn dann eine Veranstaltung vorbei ist, steht sie meistens auch noch beim Bankett dabei und interagiert mit den Menschen.
Gibt es da keine Berührungsängste seitens der Kunden und Gäste?
Krinke: Wir gestalten unsere Roboter so, dass sie eine positive Ausstrahlung haben und keine negativen Gefühle erzeugen. Die derzeitige Akzeptanz spricht dafür, dass das funktioniert.
Click & Collect ist für Sie eine sinnvolle Erweiterung für Ladengeschäfte, die mit Robotern betrieben werden. Online bestellen und jederzeit abholen ist möglich. Was noch?
Krinke: Wir setzen in Zukunft auf zusätzliche handwerkliche Dienstleistungen wie Gravuren, kleine Reparaturen und den Verkauf, außerdem könnten Roboter als Servicekraft, Leiharbeiter, Lagermitarbeiter und Barista fungieren.
Das würde funktionieren?
Krinke: Auf jeden Fall. Im „Tatort“ hat Gisela schon einen Coffeeshop betrieben. In dem Fall zwar nur temporär für den Dreh, aber natürlich können wir das auch jederzeit real umsetzen.
An wen richten sich Ihre Roboter?
Krinke: Eigentlich an jeden außer Privatpersonen. Die private Nutzung ist preislich zu unattraktiv. Ansonsten ist jeder produzierende Betrieb, seit Gisela auch der Servicebereich im Einzelhandel, ein potenzieller Kunde.
Warum stellen Einzelhändler noch keine Roboter ein?
Krinke: Die größte Hürde ist sicherlich die Startfinanzierung. Gisela kostet, so wie sie im Bikini Berlin steht, 250.000 Euro. Wenn das Geschäft aber 24/7 an einem guten Standort steht, dann liegt der ROI bei zirka zwei Jahren. Weitere Hemmschwellen sind die technischen Herausforderungen. Sind Mitarbeiter diesen schon gewachsen?
Sie sagen, Roboter haben den Vorteil gegenüber Mitarbeitern, dass sie nicht krank werden. Wartungskosten sind das Pendant zum Krankenstand eines Menschen. Sind diese noch überschaubar?
Krinke: Im Prinzip ist ein Roboter fünf Jahre wartungsfrei. Danach ist das Limit der Motoren ausgeschöpft. Innerhalb dieser fünf Jahre fallen aber keine Reparaturen an.
Warum geht ein Kunde Ihrer Meinung nach künftig lieber in ein Geschäft, in dem ein Roboter arbeitet, als von einem Menschen bedient zu werden?
Krinke: Roboter bieten einen gleichbleibenden Service, egal welcher Kunde kommt, er ist immer freundlich. Es gibt keine Ladenschlusszeiten, was vielleicht besonders interessant für Kleinstädte und Dörfer ist, in denen man nicht zu jeder Uhrzeit in einen Kiosk gehen kann und das Nötigste bekommt. Noch ist es natürlich auch einfach der Erlebnisfaktor, der dazukommt.
Was planen Sie als nächstes?
Krinke: Künftig wird das Projekt „vollautomatischer Kiosk“ auch weiterverkauft werden. Der erste Filialist, ein Elektrofachgeschäft, startet Mitte des Jahres einen Versuch.
Gibt es da andere Herausforderungen als bisher?
Krinke: Ja, auf jeden Fall. Das Warenwirtschaftssystem des Kunden muss angebunden und das Zentralkassensystem des Kunden integriert werden. Außerdem ist der Contentserver eine Herausforderung. Dabei geht es besonders um die Sortimentsauswahl und -optimierung aber auch um die sich ändernden Preisauszeichnungen. Das System muss einen reibungslosen Ablauf und Agilität garantieren.
Inwieweit wird sich der Einzelhandel verändern, wenn tatsächlich immer mehr Roboter eingesetzt werden?
Krinke: Der Kunde wird immer unabhängiger und kassenlose Stores immer beliebter werden. Besonders in den kleinen Städten wird das Konzept funktionieren. Gleichzeitig werden die enormen Inventurdifferenzen abnehmen. Außerdem ist das Thema Transparenz und Individualität wichtig.