Begehrte Ware, coole Musik und exklusive Veranstaltungen – der Hype um Pop-up Stores ist wieder neu entbrannt. Valentina Candeloro, Marketing Direktorin International bei Mood Media in der Fashionmetropole London, erklärt den neu erwachten Trend.
Während Unternehmen zunehmend in die Digitalisierung ihres Geschäfts investieren und Onlinehändler das Erfolgsjahr 2017 feiern, ist der stationäre Einzelhandel noch lange nicht am Ende. Das liegt überraschenderweise an den Kaufgewohnheiten der jüngeren Käufer. Ihr Interesse am Shoppingerlebnis hat zur Renaissance eines beinahe schon abgeschriebenen Verkaufskonzepts geführt – dem Pop-up Shop. Aktuell nutzen immer mehr junge, digitale Marken dieses Konzept, um die Begehrlichkeit zu steigern und erste Schritte in die Welt des Brick & Mortar zu unternehmen.
Pop-up Stores sind kurzlebige Einzelhandelsumfelder für Marken. Das entscheidende Merkmal ist die Vergänglichkeit: die meisten Shops existieren von einem Tag bis zu sechs Monaten. Beim Pop-up kann der Abverkauf im Vordergrund stehen, z.B. bei einem Lager-Sale. Oft wird er aber gezielt als Marketing-Tool eingesetzt, um in kurzer Zeit eine hohe Aufmerksamkeit für die Marke zu erreichen. Dem Budget sind dabei keine Grenzen gesetzt, denn der Pop-up bietet enorm viel Spielraum – von der Auswahl eines ungewöhnlichen Standorts (z.B. temporär leerstehende Flächen in hochfrequentierten Gegenden, Galerien, mobile Container etc.) über die Ausstattung bis zu den Events. Wie eine dreidimensionale Werbefläche ist der Pop-up Shop ein besonderes, emotionales Erlebnis und vermittelt einen haptischen Eindruck der Marke.
Pop-up Stores setzen auf die sogenannte „Massclusivity“: Die Kunden bekommen das Gefühl, dass das, was sie bekommen, eine ausgeprägte, zeitlich begrenzte Erfahrung ist, die so nicht wiederkommt. Einzigartige Erlebnisse, Personalisierung und Events stehen im Mittelpunkt eines Pop-up Stores, der nach seinen eigenen Regeln spielt und damit agiler und innovativer ist als ein regulärer Store.
Der Online-Secondhand-Shop Rebelle eröffnete Anfang 2017 zunächst nur für drei Monate in der Hamburger Innenstadt eine Pop-up Boutique, verlängerte die Präsenz aufgrund des großen Andrangs jedoch bis zum Ende des Jahres. Neben Aktionen wie dem „Shop Bloggers’ Closets“ mit den Looks angesagter Bloggerinnen zum Nachkaufen, standen Yoga Sessions, Vernissagen oder ein Vintage-Designer-Flohmarkt auf dem Programm. In London eröffnete Versandhändler Amazon einen Black Friday Pop-up, in dem Experten zum Thema Schenken und Lifestyle berieten und die Ware mithilfe thematisierter Workshops in den Fokus gerückt wurde. Beautyboxen-Anbieter Birchbox zog es Ende des letzten Jahres für drei Monate auf die Carnaby Street, um das Online-Shopping erlebbar zu machen.
Marken zu kaufen, die man zuvor nur auf Instagram gesehen hat, sie anfassen, fühlen und anprobieren zu können, das fühle sich fast an, als würde man einen Star treffen – so erklärt Millennial-Kolumnistin Scarlett Curtis (Sunday Times Style) den neu erwachten Hype um Pop-up Shops speziell in ihrer Generation.
Dass die Generation Z das traditionelle Shoppen neu entdeckt, zeigt auch eine aktuelle Studie von Mood Media: Fast 90 Prozent der jungen Shopper nennen die Möglichkeit, die Ware anzufassen und auszuprobieren als Hauptgrund für den Besuch im Geschäft, anstatt online zu bestellen. Während der klassische Einkauf für ältere Generationen noch alltäglich ist, legt die Generation Z mehr Wert auf das Erlebnis als auf das Produkt an sich. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Händler mit uninspirierten Einkaufserlebnissen im Markt keine Zukunft haben.
Pop-up Stores nutzen die Kraft des Erlebnis-Marketings und schaffen eine einzigartige Einzelhandelsumgebung, die es aufgrund ihrer zeitlichen Begrenzung und ihres oft exklusiven Warenangebots schafft, den Schwung während der gesamten Laufzeit aufrechtzuerhalten und dem Kaufimpuls der Konsumenten ein Gefühl der Dringlichkeit zu verleihen („get it while it lasts“).
Ein gut gemachter Pop-up-Store ist wie eine dreidimensionale, erlebbare Werbekampagne: Optik, Akustik, Haptik und Gerüche stehen im Mittelpunkt und ermöglich es, die Essenz einer Marke räumlich einzufangen. Außerdem bieten sie die Chance, die Stimmung für permanente Aktivitäten im stationären Handel zu testen – wobei man bedenken muss, dass gerade die zeitliche Limitierung ein wichtiger Faktor für die Attraktivität der Geschäfte ist.
Pop-up Stores können ein Testfeld für digitale Marken und Onlinehändler sein, die erste Schritte im stationären Handel unternehmen und beispielsweise verschiedene Standorte testen wollen. Sie können aber auch eine Experimentierfläche für Marken sein, die ein neues Konzept, ein anderes Produkt, eine veränderte Positionierung oder eine neue Saison ausprobieren wollen.
Letztendlich bietet das Pop-up Konzept eine Antwort auf die Herausforderungen, mit denen der traditionelle Einzelhandel und auch die Immobilienbranche angesichts erhöhten Leerstands konfrontiert sind. Sie ermöglichen es Marken, für einen begrenzten Zeitraum zu investieren, um genau dort zu sein, wo sie sein wollen, mit einem faszinierenden Konzept, das ihre Kunden anzieht und anspricht.
Der Trend zu Pop-up Stores hat mittlerweile auch Einfluss auf die Immobilienbranche. Das deutsche Start-up Brickspaces hat sich auf die Vermittlung von leerstehenden Flächen für die zeitlich befristete, stationäre Präsenz spezialisiert – mit Erfolg: Im letzten Jahr erhielt das Unternehmen, zu dessen Kunden unter anderem mymuesli gehört, Mietanfragen in Höhe von mehr als 3,5 Mio. Euro. Das britische Pendant Appear Here, auch „Airbnb des Retails“ genannt, hat digitale Größen wie Apple und Spotify im Kundenportfolio.
In diesem Jahr können wir uns auf weitere kreative Pop-up Konzepte freuen. In den Schlagzeilen waren vor kurzem die DAMN Stores von Rapper Kendrick Lamar, die während der Europa-Tournee des erfolgreichen Künstlers an jeweils nur einem Tag exklusive, auf die jeweilige Stadt bezogene Merchandise-Artikel anboten. Auch bereits etablierte Marken werden Pop-up Stores nutzen, um einzigartige Erlebnisse zu schaffen – wie unlängst die Outdoor-Marke The North Face, die ihren Kunden in Südkorea buchstäblich der Boden unter den Füßen entzog und sie spontan zu Kletterern machte.
Beispiele wie diese zeigen die Relevanz von physischen Verkaufsflächen, gerade um die persönliche Kundenbindung zu vertiefen. Pop-up Shops machen Marken attraktiver und ermöglichen eine weitreichende Interaktion mit den Kunden, die das einfache Anbieten von Waren weit übersteigt.