Lebensmittel kaufen die Deutschen nur wenig online

… ein Kommentar von Michael Gerling, EHI Retail Institute

Michael Gerling, Geschäftsführer, EHI.
Michael Gerling, Geschäftsführer, EHI.
Quelle: EHI Retail Institute

Kein Thema bewegt die Handelsbranche mehr als das Einkaufen im Internet. Nach Berechnungen des E-Commerce Verbandes (bevh) entfielen 2013 etwa 11 Prozent aller Einzelhandelsumsätze auf den Versandhandel, 80 Prozent davon auf Bestellungen über das Internet.

Zwar hatte der Versandhandel auch vor 20 Jahren schon einen Marktanteil von 6 Prozent, nie war aber die Aufmerksamkeit für den Distanzhandel so groß wie heute. Kein Wunder, denn die Wachstumsraten des Onlinehandels waren in den letzten Jahren mit Werten deutlich über 10 Prozent beeindruckend.

Nahe Null: Onlineverkauf von Lebensmitteln

In vielen Branchen hat der Verkauf via Internet heute eine marktprägende Bedeutung. Bücher, Medien, Unterhaltungselektronik, Spielwaren und bald auch Mode – mit Marktanteilen von 20 bis 30 Prozent werden hier die traditionellen Strukturen der Handelsbranche deutlich verändert.

Anders im Lebensmittelhandel. Hier liegt der Marktanteil in Deutschland fast bei Null. Zählt man die Umsätze der auf Lebensmittel spezialisierten Anbieter unter den 1.000 größten Onlineshops in Deutschland zusammen, dann kommt man nicht einmal auf 200 Mio. Euro im Jahr 2013 (ohne Tiernahrung, aber inklusive Wein und Tiefkühlheimdienst). Das ist zwar wenig ermutigend, dennoch gibt es eine Reihe von Pionieren, die hier kräftig  investieren. Lieferung an die Haustür der Kunden, Abholung der online bestellten Waren im Geschäft oder Zustellung an Abholstationen jenseits von Haustür und Geschäft, all das wird heute erprobt.

Internationale Pioniere

Ob sich die Investitionen rechnen werden, kann heute niemand sagen. In der Schweiz hat es die Migros-Tochter LeShop in 15 Jahren auf einen Jahresumsatz von 160 Mio. Schweizer Franken gebracht - weiter wachsend und in den schwarzen Zahlen. Bemerkenswert: Auch bei Duchschnittsbons von 200 Franken sind die Schweizer bereit, Liefergebühren zu zahlen.

Der britische Lebensmittelhändler Tesco gilt weltweit als Vorbild in Sachen Onlineshopping. Seit Ende der neunziger Jahre treibt er sein Onlinegeschäft voran, und 8 Prozent des Tesco-Umsatzes in Großbritannien werden heute durch Bestellungen via Internet erwirtschaftet. Nach Aussagen von Tesco ist das Onlinegeschäft profitabel, das Unternehmen insgesamt ist aber zuletzt in eine deutliche Schieflage geraten und hat sich vom Shootingstar zum Sorgenkind der britischen Einzelhandelsszene entwickelt.

Ebenfalls in Großbritannien operiert der Onlinehändler Ocado, der seinen Wettbewerbsvorteil darin sieht, dass er nicht in den Geschäften, sondern in einem eigenen Lager kommissioniert. Hier fehlt es aber bisher an der kritischen Masse, und die Eigner mussten schon mehrfach Kapital nachschießen, um den Traum vom kostengünstigsten Lieferdienst nicht frühzeitig platzen zu lassen.

Und auch die mit viel Aufwand und modernster Technik laufenden Online-Projekte von Amazon-Fresh in Kalifornien und Seattle müssen noch beweisen, dass sie funktionieren. Immerhin hat Amazon mit dem „Dash“ ein tolles Gerät für die Haushalte entwickelt. Der schicke Scanner mit Spracherkennung kann durchaus in der Küche viel Spaß bringen und auch so den Einkauf online beflügeln.

Investitionen mit Augenmaß

Es ist nicht zu übersehen, dass die Erfolgsmeldungen rund um den Onlinehandel mit Lebensmittel rar sind. Und selbst der Online-Verfechter Oliver Samwer von Rocket Internet hat noch im letzten Jahr  auf dem Tengelmann-E-Day gesagt, dass ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept für den Onlinehandel mit Lebensmitteln noch nicht existiert. Zumindest eines sollten die Pioniere im Auge behalten: Investitionen mit Augenmaß sind hier angebracht.

Die Zustellung von Lebensmitteln ist zeit- und kostenaufwendig. Kommissionierung und Transport sind Leistungen, die der Kunde bisher selbst erbringt. Wer online zum selben Preis wie im Geschäft anbieten will, muss die Kosten über die Liefergebühren decken. Dies ist nicht ohne weiteres möglich, denn die Kunden akzeptieren schon Liefergebühren von mehr als 5 Euro kaum. Für diesen Betrag dürfte die Lieferung aber nur machbar sein, wenn der Markt stark wächst und die entsprechenden Degressionseffekte erreicht werden.

Auch die Entwicklung des Onlinemarktes insgesamt scheint an Dynamik zu verlieren. Statt einer exponentiellen Wachstumskurve haben wir in 2013 in Deutschland einen Rückgang des Umsatzzuwachses beobachtet. Ohne Amazon sind die Umsätze der 1.000 führenden Onlineshops nur noch im niedrigen einstelligen Bereich gewachsen. Es deutet also Vieles darauf hin, dass der stationäre Handel in den kommenden Jahren mit guten Geschäften auch weiterhin gute Geschäfte machen wird.

Quelle: EHI Retail Institute

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