Dass E-Commerce-Kunden ihre Bestellung zeitnah erhalten möchten, dürfte wenig überraschen. Und doch ist Geschwindigkeit allein keine Patentlösungen, so der Tenor auf dem 23. Handelslogistik-Kongress in Köln. „Natürlich müssen wir uns alle an der Schnelligkeit von Amazon orientieren“, so Jessica Neumann. Sie ist Logistikleiterin bei der Foodist GmbH, einem Versandhändler für Trockenware im Delikatess-Segment. Die Besonderheit: Es handelt sich um Marken aus dem Ausland, die hier sonst noch unbekannt oder aber schwer erhältlich sind. „Die Menschen erwarten einen schnellen Versand, auch bei einem Start-up. Aber Pakete müssen nicht immer am selben Tag ankommen.“ Wer bei Foodist bestelle, dem genüge in der Regel eine Lieferung in 48 Stunden. „Wir bieten deshalb eine Express-Option an. Ansonsten denken wir eher über noch über Wunschzeitfenster nach als über Same-Day-Delivery.“ Ebenfalls ein Thema sei die Wahlmöglichkeit verschiedener Zustellunternehmen: „Wenn wir nach Österreich oder in die Schweiz liefern, bevorzugen unsere Kunden oft die heimischen Logistiker, an der Lösung arbeiten wir zurzeit“, so Neumann. Denn dies ermögliche die Nutzung der jeweiligen Packstationen. „Aber auch innerhalb Deutschlands sind unterschiedliche Lieferdienste nicht verkehrt.“
Bei Aponeo, einer Online-Apotheke aus Berlin, denkt man offensichtlich ähnlich: „Es kommt immer wieder vor, dass Kunden den Logistiker wechseln möchten. Wir bieten daher mit DHL und Hermes zwei Optionen“, so Hartmut Deiwick. Er hat als kaufmännischer Leiter bei Aponeo für weitere Wahlmöglichkeit gesorgt: Abendzustellung, Wunschzeit, Same-Day-Delivery – in Berlin auch für rezeptpflichtige Medikamente. „Die Menschen wollen den Lieferzeitpunkt so präzise wie möglich festlegen können. Wir erleben im E-Commerce gerade einen Boom der Zustellung in Zeitfenstern.“ Auch greife der Versandhandel in vielen Fällen immer mehr in die Privatsphäre der Menschen. Aponeo arbeite beispielsweise an einer Auslieferung in die Autos der Kunden. Zwischen 22 Uhr und 5 Uhr würden die Pakete in den Kofferraum gelegt, der dafür vom Boten elektronisch entriegelt und danach wieder verschlossen würde. „Jeder vierte Mensch in Deutschland ist offen für die Kofferraumzustellung. Und das bei einem Service, den noch kaum jemand kennt“, so Deiwick. Die neue letzte Meile ende nicht mehr zwangsläufig an Haustüren oder Schlössern.
Unterschiedliche Lieferdienste, präzise Zeitfenster, Eintritt in die Privatsphäre – Punkte, die auch für viele ehemals reine Präsenzhändler gelten. Vor allem Unternehmen mit einer großen Zahl an Filialen sehen hier immer häufiger Chancen: Die eigentlichen Vor-Ort-Shops seien faktisch längst ein Teil des jeweiligen E-Commerce-Systems. Statt aus einem Zentral- oder Regionallager zu versenden, könne vorrätige Ware durch die Nähe zum Kunden oft effizienter aus einer Filiale versendet werden. Zeitfenster oder Kofferraumzustellung ließen sich je nach Organisation und Einbindung der Lieferdienste auch von dort aus realisieren. Alternativ oder ergänzend böten sich Kurierfahrten auch mit eigenem Personal an – vor allem in Verbindung mit Zusatzleistungen, die erneut die Privatsphäre der Kunden betreffen, sei es der Aufbau von Möbeln in der Wohnung oder das Anschließen elektronischer Geräte. Tenor auf dem Kongress: Aus Sicht des E-Commerce ist jede Vor-Ort-Filiale ein potenzielles Auslieferungszentrum.
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