Interview • 14.12.2015

„Auch im Online-Handel spielt die regionale Nähe eine große Rolle“

Interview mit Dominik Brokelmann, Autor von „Der vernetzte Laden“

Autor Dominik Brokelmann ist Gründer und CEO der Brodos Group....
Autor Dominik Brokelmann ist Gründer und CEO der Brodos Group.
Quelle: Brodos AG
Das Buch „Der vernetzte Laden“ erläutert, wie die Kunden Multichannel schon längst leben und wo für den stationären Handel deshalb die Reise hingehen muss. Dabei zeigt Autor Dominik Brokelmann am Beispiel der Mobilfunkbranche, wie durch vernetzte Läden Onlineshopping zur regionalen Angelegenheit wird. iXtenso hat mit Brokelmann über seinen neuen Leitfaden gesprochen.

Herr Brokelmann, in Ihrem Buch beschäftigen Sie sich insbesondere mit den Folgen des Erfolgs von eCommerce für die mittelständischen stationären Einzelhändler. Vor welchen speziellen Herausforderungen stehen diese Händler?

Der Onlinekanal bringt dem Endkunden einige kanalspezifische Vorteile, die der stationäre Handel so nicht bieten kann. Diese Vorteile - wie zum Beispiel die Auswahl aus einem riesigen Sortiment und ein einfacher Preisvergleich - werden heute vom stationären Handel oft noch schlichtweg ignoriert, was ihm natürlich zum Nachteil gereicht. Dabei gibt es durchaus Möglichkeiten, wie ein stationärer Händler hier aufholen kann. Dass diese nicht genutzt werden, liegt an verschiedenen Dingen. Zum einen ist bei vielen Händlern die nötige technische Kompetenz nicht vorhanden, andererseits sind zum Beispiel auch die Beschaffungsprozesse meist konsequent auf den stationären Verkauf ausgelegt.

Aber auch diese Händler müssen erkennen, dass sich die Beziehung vom Kunden zum Händler heute grundlegend geändert hat. Früher hatte der Kunde keine andere Wahl, als ins Geschäft zu gehen und sich aus dem dort vorhandenen Sortiment das gewünschte Produkt auszusuchen. Heute funktioniert der Kauf genau andersherum: Der Kunde sucht online das gewünschte Produkt und schaut erst danach nach dem billigsten und besten Händler. Wo genau er kauft, spielt für den Kunden darüber hinaus keine Rolle mehr. Dieser Veränderung muss auch der stationäre Handel Rechnung tragen und Wege finden, um die Vorteile des eCommerce aufzuholen.

Wie kann der stationäre Einzelhandel diese Herausforderungen am besten bewältigen und welche technischen Lösungen sind hierfür unverzichtbar?

Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Die Lösung ist ein Kiosksystem. Ein solches System bietet die beste Möglichkeit, ein ebenso großes Sortiment wie im Online-Handel abzubilden und im stationären Handel verfügbar zu machen. Dabei geht es nicht nur um die Anzahl der Produkte an sich, sondern auch um die richtigen Preise und in ganz besonderem Maße um die Verfügbarkeit. Und damit ist nicht die Verfügbarkeit eines Produktes in einem großen Zentrallager gemeint, sondern auch bei lokalen oder regionalen Distributoren. Denn auch mit dem Zeitfaktor kann der stationäre Handel punkten, wenn er es schafft, die Produkte besonders schnell in die Filiale oder zum Kunden nach Hause liefern zu lassen.

Ein Kiosksystem bietet die beste Möglichkeit, ein ebenso großes Sortiment wie...
Ein Kiosksystem bietet die beste Möglichkeit, ein ebenso großes Sortiment wie im Online-Handel abzubilden und im stationären Handel verfügbar zu machen.
Quelle: Brodos AG
Onlinehändler wie Amazon wachsen heute vor allem im Marktplatzbereich - das heißt dort, wo Distributoren ihre Waren über Amazon anbieten. Und diese Distributoren beliefern eben nur Amazon, aber nicht den stationären Handel. Dieser ist auf sein Netzwerk aus einigen wenigen Distributoren angewiesen. Nutzt er aber ein Kiosksystem, kann er in seinem Laden auch Produkte von einer beliebig großen Anzahl an Distributoren verkaufen – im Prinzip genau wie ein Online-Marktplatz, aber mit dem Vorteil des Lokalen. Der Kunde kann sich im Store beraten lassen und das passende Produkt direkt über den Kiosk ordern. Werden die Angebote regionaler Distributoren genutzt, ist das Produkt natürlich dann auch noch schneller beim Kunden, als wenn es aus einem weit entfernten Zentrallager geschickt werden muss.

Trotzdem muss der Kunde aber immer noch den Weg in den Laden auf sich nehmen…

Kunden, die unbedingt online kaufen wollen, werden auch online kaufen. Daran führt kein Weg vorbei. Aber meiner Meinung nach ist auch bei diesen Kunden ein großes Potential vorhanden, wenn es um regionale Online-Angebote geht. Wenn der gleiche Artikel bei tausenden verschiedenen Online-Shops zu einem ähnlichen Preis erhältlich ist, muss man dem Kunden eben andere Anreize bieten. Dann kauft der Kunde am liebsten bei dem Händler, der ihm auch physisch am nächsten ist, da er hier auch die Möglichkeit hat, sich bei Problemen oder Fragen an die stationäre Filiale zu wenden. Deswegen können stationäre Händler, die auch einen Online-Shop haben, den Kunden schlicht besseren Service bieten als überregionale Online-Händler.

Wie sieht denn dieses Modell in der Praxis aus? Können Sie ein Beispiel geben?

Der vernetzte Laden greift in die aktuelle Diskussion um die Zukunft des...
"Der vernetzte Laden" greift in die aktuelle Diskussion um die Zukunft des stationären Handels ein und macht Mut zur Weiterentwicklung im Handel.
Quelle: Brodos AG
Ich nenne hier gerne ein Beispiel aus dem Mobilfunk: Nehmen wir an, sie möchten ein ganz bestimmtes Cover in einer eher seltenen Farbe für ihr Smartphone kaufen und dieses Smartphone ist keines der aktuellen Bestseller-Modelle. Nun werden sie genau dieses Cover in keinem stationären Laden finden – die Händler haben es einfach nicht vorrätig, da sie insgesamt zu wenige Exemplare genau dieses Modells absetzen können. Nun können Sie im Prinzip dieses Cover nur online kaufen. Haben Sie aber im Laden über ein Kiosksystem Zugriff auf das Produktsortiment regionaler Distributoren, können Sie das Zubehör auch stationär beim Händler Ihres Vertrauens kaufen und entweder direkt in den Laden bestellen oder sich nach Hause liefern lassen. Somit hat der Händler dafür gesorgt, dass er diesen Umsatz nicht an den Online-Handel verliert, und Sie als Kunde sind zufrieden, da sie das gewünschte Produkt unkompliziert und schnell erhalten haben. Und genau das ist entscheidend: Das gewünschte Produkt muss verfügbar sein. Denn wenn ein Produkt nicht verfügbar ist, wird der Kunde direkt zu einem anderen Händler wechseln.

An welche Zielgruppe wenden Sie sich mit Ihrem Buch?

Die Zielgruppe sind ganz klar die stationären Händler, die aktuell nach Wegen suchen, sich im Wettbewerb mit dem Online-Handel zu behaupten. Ich werde oft von Händlern gefragt, ob sich dieser „Kampf“ überhaupt noch lohnt, oder ob in 10 Jahren nicht ohnehin nur noch online gekauft wird. Diesen Händlern sage ich ganz klar: Auch in 10 Jahren wird es noch stationäre Händler geben – aber eben nur diese, die die Verbindung ihrer Filialen mit dem eCommerce geschafft haben.

Und eine der Kernaussagen des Buches wird auch in einigen Jahren noch Gültigkeit haben: Die Kunden werden in jedem Fall online kaufen – aufgrund der genannten Vorteile aber bevorzugt in der Nähe, weil sie dort sowohl die Vorteile des Online-Kaufs, als auch die Vorteile des stationären Handels erhalten. Ich behaupte sogar, dass diese stationären Händler überproportional wachsen werden und es Online Pure-Player in der Zukunft eher schwer haben werden.

Interview: Daniel Stöter, iXtenso.com

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