Interview • 13.05.2015
"Ihr müsst nicht direkt 100 Prozent grün sein"
Der Handel hängt in Sachen nachhaltige Verpackung hinterher. Interview mit Peter Désilets, pacoon AG
Deutsche Händler sind Angsthasen - zumindest wenn es um nachhaltige Verpackungskonzepte geht. Die Tatsache, dass sie hiermit aber bis zu 20 Prozent an Kosten einsparen könnten und einen immensen Imagegewinn sausen lassen, scheint diese Furcht kaum zu mindern. Peter Désilets von der pacoon AG nahm sich die Zeit und besuchte uns in der Redaktion, um über die Ursache der Zurückhaltung zu sprechen.Herr Désilets, eigentlich designt pacoon Verpackungen. Wie sind Sie darauf gekommen, ihr Portfolio mit nachhaltigen Produkten zu erweitern?
Peter Désilets: Ich habe mich schon seit einiger Zeit insbesondere beim Besuch von Verpackungsmessen gefragt, warum so viele Kunststoffe und Folien eingesetzt werden, obwohl es doch schon so viele Biokunststoffe auf dem Markt gibt. Ich fand heraus, dass die meisten Händler diese einfach nicht kennen oder für zu teuer halten. Das mag zwar auf den ersten Blick stimmen - aber schlussendlich ist ein nachhaltiges Gesamtkonzept erfolgreicher. Plane ich als Händler mein gesamtes Konzept von der Verpackung bis hin zur Logistik nachhaltiger kann ich bis zu 20 Prozent meiner Kosten einsparen.
Wie hängen die Aspekte Logistik, Design und Image in Sachen Nachhaltigkeit zusammen?
Désilets: Die Verpackung sollte ein Image transportieren, die Ware sicher bewahren und den Kunden ansprechen. Gerade hinsichtlich von Kartonagen kann dabei viel getan werden. Ein Beispiel anhand von Schuhkartons: Häufig verwenden Händler viel zu feste Kartons und somit zu viel Material. Die Lösung: Ich steigere die Wertigkeit und Anmutung der Verpackung mit einem verbesserten Öffnungsmechanismus, konzipiere den aufliegenden Deckel etwas anders und schaffe ein einheitliches Design für alle Modelle, die ich im Laden habe. Damit schaffe ich wiederum eine viel harmonischere Atmosphäre. In einem Rutsch spare ich Material, Platz und Logistikkosten.
Welche Vorteile bietet der grünere Handel noch?
Désilets: Ein nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen genießt große Imagevorteile. Dafür gibt es genug Beispiele, wenn man sich Marken wie Hipp oder Frosch ansieht. Nach eigenen Studien sind über 90 Prozent der Verbraucher Kunden sind bereit, für eine nachhaltige Packung klares Image, mit dem sie sich identifizieren können, mehr zu bezahlen. Mindestens zu zwei Prozent mehr, um genau zu sein. Auch Händler nehmen solche Artikel gerne ins Sortiment, da sie mehr Umsatz bringen.
Und trotzdem unterstützt der Handel das Thema Nachhaltigkeit noch so wenig?
Désilets: Der Handel schafft es nicht allein, das derzeitige Konzept umzustellen. Wenn ein Händler 200 Produkte von 50 bis 60 Lieferanten erhält, müsste ja jeder Hersteller nur für ihn die Verpackung umstellen. Nur wenige große Handelsketten verfügen über eine Marktmacht, die ausreicht, um hier Änderungen anzustoßen. Darüber hinaus gibt es in der Branche bisher schlicht und ergreifend keinen Ansatz, das Problem gemeinsam anzugehen.
Im Ausland klappt das schon besser.
Désilets: Ja, beispielsweise die Österreicher und Schweizer sind viel weiter als wir Deutschen. Dort wird einfach ausprobiert und nicht bloß diskutiert. Wir Deutschen haben Angst vor dem Schritt nach vorn. Und das nur, weil die ein oder andere Marketingaktion für ein Produkt mit nachhaltiger Verpackung nach hinten los gegangen ist.
Welche meinen Sie damit?
Désilets: Ein sehr passendes Beispiel ist Danone mit den Bechern des Joghurts Activia. Der Behälter wurde in einen Biokunststoff umgepackt. Es wurde angegeben, dass die Umweltbilanz besser sei als vorher. Diese Formulierung wurde allerdings beanstandet, da die Bilanz in diesem Zusammenhang nicht besser, sondern gleich gut war. Leider ‚nur’ ein Kommunikationsfehler ging aber ziemlich nach hinten los.
Wie kann denn eine Umstellung besser kommuniziert werden?
Désilets: Unternehmen müssen ehrlich zum Kunden sein und ihre nachhaltigen Bestrebungen auch mitteilen. Wir sagen ihnen: Gebt nicht an, grün zu sein, wenn ihr es nicht seid. Aber: Ihr müsst auch nicht direkt zu 100 Prozent grün sein, denn das ist nicht sofort umsetzbar. Kleine Ziele dagegen schon. Ein Unternehmen kann kommunizieren, dass es als ersten Schritt vorhat, die Kunststoff-Verpackungen in der Käsetheke in den nächsten Monaten auf Biokunststoffe umzustellen, denn das geht einfach und schnell. Der nächste Schritt könnte sein, in den nächsten drei bis fünf Jahren 50 Prozent aller Verpackungen umzustellen.
All das sollte der Händler für den Kunden sichtbar machen, beispielsweise mit einer Info in der Käsetheke die besagt: "Wir verwenden Biokunststoff-Folie". So etwas kann der Verbraucher nachvollziehen und es zeigt, dass der Händler dabei ist, etwas zu ändern.
Sie haben bereits einige Verpackungen erdacht, die Händlern und Herstellern zeigen können, wie nachhaltiges Design aussehen kann. Ich persönlich bin ja Fan Ihres Entwurfs für eine Pizza-Verpackung: nur eine recycelbare Hülle, die sich viel leichter öffnen ließe als die herkömmlichen Verpackungen. Auf welches schon umgesetzte Produkt sind Sie stolz?
Désilets: Northface wollte eine Unterwäschereihe neu verpacken. Vorher war diese in Kunststoffwürfeln verpackt, die sich selten vom Verbraucher wieder gut schließen ließen. Die Infos auf dem Etikett waren außerdem sehr klein und die Farbcodierung stimmte nicht. Im Regal sah das auch nicht besonders gut aus. So ein Wäschestück kostet bis zu 60 Euro und das Auspacken sollte zelebriert werden. Wir haben daraufhin eine seitliche Öffnung entworfen, wodurch sich der Deckel ganz öffnen und die Wäsche auch wieder hinein legen lässt. Karton als Material eignet sich besser als der zuvor genutzte Kunststoff und sieht dabei auch noch besser aus. Das Produkt ist auch nach inzwischen sechs Jahren noch in dieser Form im Handel zu finden und insgesamt ein sehr rundes Konzept.
Interview: Natascha Mörs, iXtenso.com
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