Passwort? Überflüssig!
Interview mit Dr. Daniel Schellenberg, COO der IDEE GmbH
PantherMedia / anskuw
Haben Sie bereits ein Benutzerkonto? Haben Sie Ihr Passwort vergessen? Ganz klar: Das sind lästige Fragen während des Onlineshoppings. Das finden auch die Köpfe hinter IDEE und nutzen die „digitale Identität“, um das Surfen und Einkaufen im Internet wieder angenehmer und einfacher zu machen.
Aus Ihrer Sicht: Welchen Problemen sieht sich der Handel – online wie offline – gegenüber?
Daniel Schellenberg: Der Handel, sowohl stationär als auch im Onlinebereich, hat sehr mit den gesteigerten Erwartungen der Kunden zu kämpfen. Egal ob im Laden vor Ort oder im E-Commerce Shop: Wer heute kein reibungsloses Einkaufserlebnis bieten kann, verliert Kundschaft an die Konkurrenz. Das betrifft übrigens nicht nur den Einzelhändler, sondern ist insbesondere auch bei großen Konzernen zu beobachten. Und durch die immer stärkere Verzahnung von Online und Offline – Stichwort Omni-Channel – entstehen stets neue Breakpoints in der Customer Journey. Außerdem macht das Thema Mobile Commerce noch vielen Händlern zu schaffen.
Die IDEE GmbH hat eine Technologie entwickelt, die Wiederverwendung und den Austausch von digitalen Identitäten möglich macht. Einfach erklärt, was verbirgt sich dahinter?
Geforderte Registrierungen oder vergessene Passwörter führen dazu, dass aktuell 76 Prozent aller Kaufprozesse online abgebrochen werden. Mit IDEE haben wir eine Lösung entwickelt, die Passwörter und aufwendige Registrierungen obsolet machen. Dabei machen wir uns den Fakt zunutze, dass heute nahezu jeder Erwachsene bereits viele Konten mit vertrauenswürdigen Unternehmen, wie etwa seiner Bank, besitzt und daher zumindest einmal in seinem Leben schon einen KYC-Prozess (Know your Customer) durchlaufen hat. Er besitzt also eine “digitale Identität”. Mit IDEE hat der Kunde die Möglichkeit, diese verifizierten Daten zu nutzen, um sich bei anderen Onlinediensten anzumelden oder für den Kauf benötigte Zahlungsaufforderungen zu bestätigen. Dabei setzen wir auf Kryptographie und Blockchain-Technologie sowie den Sicherheitschip des Smartphones oder PCs, um die Kundendaten vor Hackern zu schützen und dem Nutzer die Hoheit über seine Daten zu bewahren. Die Bestätigung der Weitergabe seiner Daten an einen Onlineshop oder einen anderen Dienstleister erfolgt ganz einfach durch das Entsperren des Smartphones per Fingerabdruck oder Gesichtserkennung. Dabei ist keine zusätzliche App oder eine zusätzliche Registrierung nötig.
Welche Vorteile bieten sich für Händler?
Mit der Lösung von IDEE lassen sich Check-Out-Prozesse um bis zu achtmal beschleunigen. Dadurch steigt die Conversion-Rate deutlich, da Kaufprozesse seltener abgebrochen werden. Außerdem sinken für Händler die Kosten für die Akquisition von Neukunden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Thema Vertrauen: In Zeiten von Fakeaccounts und Bots müssen Onlinehändler sicherstellen, dass die Informationen, die sie von Kunden erhalten, auch tatsächlich echt sind. Lediglich eine E-Mail-Adresse und ein Passwort abzufragen, ist dabei nicht ausreichend, denn diese lassen sich kinderleicht fälschen. Daten, die Nutzer über die IDEE-Lösung teilen, sind dagegen bereits verifiziert und daher stets vertrauenswürdig.
Was muss ein Händler mitbringen bzw. bereitstellen, um Ihre Technologie nutzen zu können?
Onlinehändler, die unsere Lösung einsetzen möchten, können unsere Lösung mittels Plugins oder per SDK und API innerhalb von Stunden in bestehende Shopsysteme integrieren. Mit wenigen Zeilen Code kann unsere SDK zudem in Apps eingebaut werden und läuft dann im Hintergrund.
Profitiert auch der Kunde?
Der Kunde profitiert ganz klar durch ein besseres Shoppingerlebnis. Unsere Lösung fügt sich intuitiv in die Customer Journey ein und erleichtert dem Nutzer die Interaktion im digitalen Bereich. Er muss sich weder Passwörter merken noch umständlich seine Daten eingeben, wenn er oder sie einen neuen Dienst in Anspruch nehmen möchte.
Wie würden Sie gerne in Zukunft einkaufen? Wo gibt es noch Verbesserungsbedarf?
Das Einkaufen der Zukunft muss aus meiner Sicht schnell, unkompliziert und sicher sein. Gerade letzteres soll ja durch EU-Regularien wie der SCA forciert werden. Doch viele Unternehmen haben noch Probleme, Datenschutz und ein überzeugendes Einkaufserlebnis unter einen Hut zu bekommen. Hier müssen Unternehmen ihre Kunden noch besser durch den Kaufprozess führen und unnötige Hindernisse aus dem Weg räumen. Aber auch die Politik ist gefragt: Mobile Commerce zum Beispiel kann nur funktionieren, wenn der Breitbandausbau ernsthaft vorangetrieben wird.
2018 gab es für Ihr Unternehmen den Preis des Deutschen Handelskongresses. Was hat sich seitdem getan und wo könnte die Reise noch hingehen?
Seit dem Gewinn des Innovationspreises des deutschen Handels 2018 sind wir verstärkt in den Fokus der Innovationsabteilungen großer Handelskonzerne gerückt. Dass unsere Lösung ein zentrales Problem der Branche adressiert, war uns schon davor klar, aber mit dem Sieg und der damit verbundenen Aufmerksamkeit hat das Ganze eine völlig neue Dynamik entwickelt. Und auch weitere Branchen, wie zum Beispiel der Mobility-Sektor, haben bereits starkes Interesse bekundet. Aktuell laufen erfolgreiche Projekte mit vier Banken, drei Einzelhandelskonzernen und einem deutschen Autohersteller. Außerdem bereiten wir aktuell unsere Expansion in die USA vor.
Ein Tipp vom Experten: Was müssen Start-ups heute leisten, um Kunden und Partner aus der Einzelhandelsbranche von sich zu überzeugen?
Gerade junge Start-ups haben oft das Problem, dass sie nicht ernst genommen werden. Der Einzelhandel benötigt Vertrauen, um eine Zusammenarbeit überhaupt in Erwägung zu ziehen. Um die benötigte Reputation aufzubauen, macht es gerade in der Retail-Branche Sinn, sich um die begehrten Plätze in Innovation Hubs oder Inkubatoren zu bewerben und an Award-Wettbewerben teilzunehmen. Wichtig dabei: auf keinen Fall halbherzig an die Bewerbung rangehen. Nur wer 110 Prozent Einsatz zeigt, sichert sich die Aufmerksamkeit der so schwer zu überzeugenden Zielgruppe.