Bericht • 19.05.2011

Kunden-Management statt Tante Emma

Tante Emma kannte in ihrem Laden noch jeden Kunden persönlich. Sie wusste, welches ihrer Produkte zu wem passte. Heute haben Filialisten die kleinen Händler verdrängt, doch sie wollen ihre Kunden so gut kennen wie die gute alte Tante. Customer Relationship Management hilft ihnen dabei. CRM ist jedoch mehr als ein Modewort, es ist ein hoher Anspruch an das gesamte Unternehmen.

Eine CIO-Umfrage von Aldata und IBM zeigte, dass die Großen im Handel Kundenbindungssysteme immer ernster nehmen. 42 Prozent verfügen zwar aktuell noch über kein Multikanal-CRM-System, planen aber die Einführung. 38 Prozent der befragten IT-Leiter wollen Treuesysteme einführen. Customer Intelligence – die Auswertung von Kundendaten hinsichtlich des Kaufverhaltens – wird bereits bei 41 Prozent der Einzelhandelsunternehmen genutzt. 25 Prozent dieser Firmen planen eine Aufrüstung.

Dokumentation ist das A und O

Kundenpflege, so lernen Marketing-Studenten im ersten Semester, ist die beste Investition fürs Unternehmen, denn es kostet bis zu fünf mal mehr, neue Kunden zu gewinnen als Kunden zu treuen Käufern zu machen. Und weil treue Kunden den Laden ihres Vertrauens weiter empfehlen, fördert gekonntes CRM auch die Reputation. Empfehlungsmarketing heißt jene Teildisziplin des CRM, welche gezielt Anreize schafft, dass Kunden ein Geschäft oder eine Marke empfehlen.

Kundenbeziehungen sind eine Management-Aufgabe. Die Zentrale muss vorgeben, wie Kundenkontakte dokumentiert, wie Kundenbeziehungen geführt und entwickelt werden. Es gilt, die passende Software zu finden, welche Adressen, Telefonate, Schriftverkehr, Bestellungen, Beschwerden und Werbeaktionen und deren Response verzeichnet. Das ist im Handel oft leichter gesagt als getan, denn viele Kunden bleiben anonym.

Couponing: CRM mit unbekannten Kunden

Immer mehr Handelsunternehmen setzen auf gezielten Einsatz von Coupons. Während solche Angebote in Anzeigen hohe Streuverluste aufweisen, bietet das Internet eine kostengünstige Verbreitung: Kunden drucken die Coupons aus, die mittels Barcode an der Kasse eingelesen werden. Die Branchenorganisation GS1 Germany hat inzwischen Coupon-Barcodes normiert, so dass diese weltweit eingelöst werden können. Beim Checkout-Couponing wird an der Kasse – passend zu den gekauften Waren – ein Gutschein ausgedruckt, der beim nächsten Besuch für ein bestimmtes Produkt gilt. Couponing wird auch im Mobile Marketing neue Wege in den Kundenbeziehungen eröffnen: Interessenten fotografieren mit Ihrem Handy einen Matrix-Code und erhalten vor Ort ein Gewinnlos, einen Gutschein oder Produktinformationen.

All diesen Coupons ist eines gemeinsam: sie sind nicht personalisiert. Fürs CRM bietet die Auswertung jedoch einige wertvolle Erkenntnisse. Welche Coupons werden eingelöst? Wie groß muss der Preisvorteil sein? Gibt es regionale oder saisonale Unterschiede? Wenn man Coupons mit Gewinnspielen nutzt, geben die Teilnehmer ihren Namen an – aus unbekannten Besuchern werden Kunden mit Namen, sofern sie die Erlaubnis zur Speicherung erteilen.

Kundenkarten: CRM mit bekannten Kunden

Zwar fallen im Handel Unmengen an Kassendaten an, aber nur die intelligente Analyse und die Verknüpfung mit personenbezogenen Informationen macht daraus ein Kundenprofil – die beste Grundlage für die gezielte Kundenansprache. Allerdings ist hier Vorsicht geboten: Eine kritische Öffentlichkeit reagiert sofort, wenn Datenmissbrauch vermutet wird.

Tante Emma kannte noch keine Kundenprofile. Sie sortierte ihre Kunden vielleicht auch in Gruppen ein, aber nur selten schrieb sie dies auf. Ihr Gefühl wird im Handel durch intelligente Software ersetzt. Business Intelligence  hilft, Datenfluten zu filtern und Besonderheiten zu erkennen. Kundenkarten dienen dem Handel dazu, Kunden zu binden und mehr über sie zu wissen.

In Deutschland buhlen drei große Kundenbindungsprogramme mit ihren Plastikkarten um den knappen Platz in der Geldbörse der Verbraucher. Allen voran Payback, außerdem Happpy Digits und die DeutschlandCard. Aber ein Blick in die Kundenliste des Kartenherstellers Manhillen genügt, um zu erkennen, dass auch Mittelständler mit eigenen Karten zu punkten versuchen: Die Buchhandelskette Thalia stärkt ihre Filialen mit einem Bonusprogramm gegen den Internethandel, das Sport- und Modehaus Schriever wirbt um seine Premium-Kunden; über 300 mittelständische Tankstellen bieten mit Tankpool24 eine gemeinsame Tankkarte an. Auch B2B-Kunden kann man mit Karten binden.

Im iXtenso-Interview betont Kartenhersteller Frank Manhillen:

Frank Manhillen sagt: „Bonusprogramme sind kein Selbstläufer! Eine schlechte, nicht an den Kundenbedürfnissen orientierte Unternehmensführung kann man nicht einfach mit einer Kundenkarte wettmachen. Will ein Unternehmen mit seiner Kundenkarte Erfolg haben, muss dahinter ein Kundenbindungskonzept stehen, das den Kunden einen echten und überzeugenden Mehrwert bietet.“ Mit einem guten CRM-System müsse man zielgruppengerechte Kommunikations-Maßnahmen einsetzen, um die Adressaten vom Mehrwert des Kundenbindungsprogramms zu überzeugen.

Software für die passenden Empfehlungen

Der Mehrwert für das Handelsunternehmen liegt auf der Hand: Der Kunde legt seine Karte beim Bezahlen an der Kasse vor – sie wird mittels Barcode, Magnetstreifen oder Chip-Leser erfasst. Aus anonymen Bondaten werden personalisierte Kaufprofile. Die Analyse des Kaufverhaltens soll die Kundenzufriedenheit und die Kauffrequenz steigern, Bestandskunden will man mit maßgeschneiderten Aktionen fester binden und mittels Cross- und Up-Selling profitabler nutzen. Per SMS, Mail-Newsletter oder per Post kann man dem Kunden passende weitere Produkte anbieten. Dabei hilft Empfehlungssoftware, englisch so genannte Recommendation Engines. Im Online-Handel war Amazon hier Vorreiter: Kunden die diesen Artikel bestellten, haben auch jenen angesehen. Der Online-Shop Otto.de setzt seit Herbst 2009 eine neue Software ein, deren Kaufempfehlungen treffsicherer sind als das Vorgängerprogramm. Kunden lassen sich häufiger zu einem Kauf anregen.

Tante Emma konnte zum Käse noch irgendeinen Wein empfehlen. Damals kannte man kaum ein Dutzend Sorten. Heute gibt es zum Käse aus aller Welt passende Weine aus aller Welt. Und weil Kunden durchaus neugierig sind, reagieren sie recht aufgeschlossen, wenn sie im passenden Moment die richtige kulinarische Empfehlung bekommen.

Was im Lebensmittelhandel funktioniert, gilt auch im Fachhandel. Kunden sind meist keine Experten und vertrauen auf den Rat von Fachverkäufern. Deren Arbeit kann passende Software unterstützen – an der Bedientheke ebenso wie am Info-Schalter. „Bei den Waagen wird die Software immer wichtiger“, meint etwa der Marketing-Manager Daniel Joha von Mettler-Toledo. Und es gibt immer mehr Versuche, durch persönliche Shopping-Assistenten den Einkauf zu beeinflussen. Registrierte Kunden bekommen ein Mobilterminal und scannen ihre Artikel. Daraus schließt die Software auf mögliche weitere interessante Produkte, die dann auf dem Display angeboten werden. In Verbindung mit Silber-, Gold- und Platin-Kundenkarten können abgestufte Nachlässe gelten – fürs ganze Sortiment oder auch nur für einzelne Segmente oder Produkte. Dabei muss die Software immer mehr Variablen berücksichtigen. Aus Rabatten für Alle wird ein umfassendes Konditionen-Management. Tante Emma wusste davon noch nichts. Treue Kunden konnten bei ihr anschreiben und bekamen kleine Zugaben. Von Management oder Marketing sprach sie noch nicht. Doch ihre Zeiten sind bekanntlich vorbei.
 

René Schellbach, EuroCis.com

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