„Lieber Einkaufswagen, zeige mir den Weg!“
Shopping Cart 2.0 – Spielerei oder Idee mit echtem Mehrwert?
DFKI/Oliver Dietze
Einkaufswagen ist gleich Einkaufswagen? Weit gefehlt. Auch vor diesem Bereich des Einzelhandels machen Digitalisierung und Automatisierung nicht Halt. Das, was in der Regel nicht viel mehr ist als ein großer Korb auf Rädern, der dem Kunden den Transport der Waren im Store erleichtert, wird vielleicht schon bald zum smarten Shopping-Begleiter. iXtenso hat sich die neuesten Entwicklungen einmal genauer angeschaut.
Autonomes Fahren: ein Projekt des DFKI
Mit dem Einkaufswagen der Zukunft beschäftigt sich unter anderem das DFKI (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz). Das Ziel: ein autonomer Shopping Cart. Damit gemeint ist ein selbstfahrender Einkaufswagen, der in der Lage ist, einem Kunden zu folgen oder im Idealfall sogar vorauszufahren und den Weg zu gewünschten Produkten anzuzeigen. Damit ein solcher Wagen verlässlich funktioniert, müssen jedoch verschiedene Herausforderungen gemeistert werden.
Wenn der Wagen dem Kunden hinterher- oder neben diesem fahren soll, muss zunächst eine Kopplung zwischen Cart und der jeweiligen Person hergestellt werden. „Je nach eingesetzter Sensorik kann dies beispielsweise über optische Sensoren oder auch die Kopplung zum Smartphone des Kunden gelöst werden“, erklärt Frederic Kerber, Leiter des Innovative Retail Laboratory (IRL) im DFKI.
Zuverlässige Navigation
Soll der Wagen darüber hinaus auch die Rolle der Navigation verlässlich übernehmen können, muss er in der Lage sein, eine Route zu den jeweiligen Produkten zu ermitteln. Dafür benötigt er die genauen Produktpositionen, eine Karte des jeweiligen Stores und Echtzeitinformationen über die eigene Position. „Hier kann der Einsatz eines Indoor-Positionierungssystems eine zuverlässige Lösung sein, es gibt aber auch Ansätze, dies über Sensorik innerhalb des Einkaufswagens zu lösen“, so Kerber.
Die größte Herausforderung bei der Navigation stellt der Umgang mit unwägbaren und sich bewegenden Hindernissen dar. Im Einzelhandel meint dies konkret sowohl Mitarbeiter als auch Kunden, die sich durch ein Geschäft laufen. Kerber zufolge ließen sich Zusammenstöße oder kleinere Unfälle zum jetzigen Zeitpunkt technisch noch nicht hundertprozentig verhindern, weshalb eine das Shopping Cart in Läden noch nicht zum Einsatz kommt.
Transportroboter
Zusammen mit dem Korean Institute of Science and Technology Europe (KIST-EU) forscht das DFKI darüber hinaus im deutsch-koreanischen Kooperationsprojekts „WALL-ET – Warehouse Autonomous Lean Logistics Entity for Transportation“. Ziel ist die Entwicklung eines Transportroboters mit höhenverstellbarer Ladefläche, der sowohl in der Industrie als auch im Einzelhandel eingesetzt werden könnte.
Schwere Waren wie Möbel oder größere Paletten könnten so mühelos aufgeladen und transportiert werden. Auch die Ergänzung um einen Roboterarm, der in der Lage ist, die Waren eigenständig aus den Regalen zu greifen und im Wagen abzulegen, ist denkbar. Neben der notwendigen Technik steht die Entwicklung einer Software im Fokus des Projekts. Diese soll die reibungslose Interaktion zwischen Mensch und Roboter ermöglichen.
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Bereits Realität: der Smart Cart von Caper
Nicht Forschungsprojekt, sondern erprobte Realität ist der Shopping Cart des us-amerikanischen Unternehmens Caper. Ihr „Smart Cart“ fällt schon allein optisch sofort ins Auge. Der Grund: Ein Monitor mit Touchscreen, integriertem Scanner und Zahlungsterminal befinden sich in Augenhöhe des Kunden; dort wo sonst höchstens ein Kindersitz befestigt ist.
GPS und Self Scanning
Der „Smart Cart“ verbindet Self-Scanning, Self-Checkout und Navigation. Über den Bildschirm wird dem Kunden eine Karte des Stores angezeigt, anhand derer er zum gewünschten Produkt geleitet wird. Die Lokalisierung erfolgt mithilfe von Sensoren, die im Store verteilt angebracht sind. Außerdem werden dem Kunden über diesen Kanal Informationen zu Angeboten, Produktempfehlungen oder sogar Rezepten ausgespielt.
Mithilfe des integrierten Barcode-Scanners können Kunden die Waren eigenhändig scannen. Eingebaute Sensoren erkennen, welche Waren in den Cart gelegt oder auch wieder entnommen werden. Unverpackte Waren, beispielsweise in der Obst- und Gemüseabteilung, werden darüber hinaus direkt im Wagen gewogen.
Eine Registrierung mit Smartphone oder Kundenkarte ist für die Benutzung des Carts nicht erforderlich. Benötigt wird einzig die Kreditkarte beziehungsweise das Smartphone für den Bezahlvorgang, der direkt am Cart selbst mithilfe des eingebauten Terminals getätigt werden kann. Ein kleines Manko: Eine Barzahlung ist an den Carts bislang nicht möglich.
Verbessertes Einkaufserlebnis
Seit Anfang 2019 ist der „Smart Cart“ in einigen Lebensmitteleinzelhandelsketten in den USA und Kanada in Anwendung. „In den Stores, in denen unsere Carts im Einsatz sind, können wir ganz klar ein verbessertes Einkaufs- und Zahlungserlebnis feststellen. Der durchschnittliche Warenkorb ist um 18 Prozent gewachsen und bei Kundenbewertungen liegen wir bei 9,1 von 10 Punkten“, erzählt Lindon Gao, CEO von Caper.
Zufriedene Kunden, höherer Umsatz – aus Händler- wie auch aus Kundensicht also eindeutig eine Entwicklung mit Mehrwert. Und die Projekte des DFKI? Transportroboter, Roboterarm und autonomer Cart könnten dort eine Hilfe sein, wo Kunden körperliche Unterstützung benötigen – ob aufgrund von körperlichen Behinderungen oder einfach, weil gewünschten Waren zu schwer oder sperrig sind.
Unser Fazit: Auch an Stellen, die auf den ersten Blick unbedeutend für das Einkaufserlebnis erscheinen, schlummert echtes Potenzial.
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