Bericht • 12.06.2015
Mobile Payment nimmt langsam Fahrt auf
Auch deutsche Verbraucher haben Interesse am mobilen Bezahlen
Es ist eine Binsenweisheit, die immer wieder durch Studien bestätigt wird: Die deutschen Verbraucher lieben ihr Bargeld. Nach aktuellen Berechnungen des EHI Retail Institute werden immer noch knapp 80 Prozent der Transaktionen im deutschen Einzelhandel mit Bargeld abgewickelt.Laut EHI-Angaben hat sich jedoch der kartengestützte Umsatz an der Ladenkasse in den letzten zwanzig Jahren verachtfacht. Sind die Deutschen also tatsächlich rückständig, was die Nutzung innovativer Bezahlmethoden angeht? Zwar wird dieses Argument in der Branche immer wieder gerne angeführt, wenn es um die Frage geht, warum sich das mobile Bezahlen hierzulande noch nicht flächendeckend durchgesetzt hat. Aktuelle Zahlen wiederlegen jedoch die Annahme, dass der Grund dafür allein bei den Kunden zu suchen ist.
70 Prozent der Kunden würden an der Ladenkasse mobil Bezahlen
Die Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw Saar) hat vor kurzem für GS1 Germany den aktuellen Stand technologischer Entwicklungen sowie die Akzeptanz auf Händler- und Kundenseite untersucht. Das Ergebnis: Rund 70 Prozent der befragten Konsumenten würden bereits heute Mobile Payment im stationären Handel nutzen. Auch wenn die „klassischen“ Zahlungsmöglichkeiten – Barzahlung, EC- oder Kreditkarte – verglichen mit Mobile Payment in Deutschland immer noch beliebter sind, sprechen diese Zahlen eine deutliche Sprache.
In der aktuellen Studie der htw Saar zeigt sich auch ein Grund für den geringen Marktanteil mobiler Bezahllösungen: Die Kunden vertrauen den Payment-Anbietern nicht. Zwar würde immerhin die Hälfte der Befragten auch hochpreisige Waren (Käufe über 100 Euro) mobil bezahlen – aber nur, wenn der Handel selbst als Abrechnungsanbieter fungiert. 89 Prozent der befragten Kunden nennen den stationären Handel als vertrauenswürdigsten Abrechnungsanbieter, während reine Mobile Payment-Anbieter auf dem letzten von acht Plätzen landen.
Hier müssen die Händler also selbst aktiv werden und zum Beispiel mit einer eigenen App diesem Wunsch der Kunden entsprechen. Sie gilt den meisten Kunden als sicherste Alternative bei der Zahlungsabwicklung. Meist müssen Kunden sich für die Nutzung des mobilen Bezahlens per App einmalig registrieren, damit dann beim Bezahlen der Einkaufsbetrag durch das sichere Online-Lastschriftverfahren direkt von dem bei der Registrierung verifizierten Konto abgebucht werden kann.
Branchenkooperation setzt sich für das mobile Bezahlen in Deutschland ein
Auch viele Händler sind inzwischen überzeugt vom Wachstumspotential des mobilen Bezahlens. Bereits im April wurde in Berlin die Initiative „NFC City Berlin“ gestartet, bei der sich sechs führende Handelsunternehmen (Galeria Kaufhof, Real, Kaiser’s, Obi, Rewe und Penny) mit den Mobilfunknetzbetreibern Deutsche Telekom, Telefónica Deutschland und Vodafone zusammengeschlossen haben, um Kunden für das mobile Bezahlen via NFC zu gewinnen. Mehr als 2.000 Kassenterminals in 500 Shops und Märkten der Partner wurden bereits für Mobile Payment aufgerüstet, womit sich die Zahl der NFC-Akzeptanzstellen in Berlin verdoppelt hat.
Die teilnehmenden Unternehmen sehen sich damit als Impulsgeber für das ganze Land. „Digitale Produkte und Services bereichern und vereinfachen zunehmend den Alltag der Kunden. Durch die Zusammenarbeit starker Handelspartner und aller Mobilfunknetzbetreiber in Deutschland wird Mobile Payment schnell weiter ausgebaut“, sagt zum Beispiel Alfons Lösing, Managing Director Wholesale and Partnering bei Telefónica Deutschland. Auch die Händler sind von der Zukunftsfähigkeit der mobilen Bezahlalternativen überzeugt: „Der Handel in Deutschland hat eine hohe Innovationskraft. Wir sind Partner der Initiative, um unseren Kunden mit Mobile Payment eine zeitgemäße Alternative zu bieten. Wir wollen aber auch dazu beitragen, diese sichere, moderne und bequeme Form des Bezahlens zu etablieren“, betont Jens Siebenhaar, Vorsitzender der Geschäftsführung der Rewe Systems.
NFC scheint sich dabei bereits als technischer Standard für das mobile Bezahlen durchzusetzen – nicht nur die „NFC City Berlin“, sondern die Mehrheit der aktuellen Projekte geben der Nahfunk-Technologie den klaren Vorzug vor Alternativen wie QR-Code- oder Bluetooth Low Energy (BLE)-Lösungen.ALDI Nord als Multiplikator für mobiles Bezahlen
Mit der Unternehmensgruppe ALDI Nord ist im Juni diesen Jahres ein weiteres großes Handelsunternehmen auf den Mobile Payment-Zug aufgesprungen – und zwar komplett: In allen 2.400 Filialen bundesweit sollen Kunden jetzt kontaktlos Bezahlen können. Auch ALDI Nord setzt dabei auf eine NFC-Lösung. Dass mit ALDI Nord auch ein als eher konservativ geltender Discounter auf die neuen Lösungen setzt, könnte durchaus eine positive Signalwirkung für viele andere Händler haben, die sich immer noch unsicher sind, ob sie die Investition in Mobile Payment bereits wagen sollen.
Handel und Verbraucher wollen Mobile Payment
Mobile Payment wird sich auch in Deutschland durchsetzen – und das eher früher als später. Natürlich stimmt es, dass die deutschen Verbraucher besonders gern Bargeld nutzen, um im Laden zu bezahlen. Je mehr sich Smartphones in allen Altersgruppen durchsetzen, desto größer wird auch der Anteil der Nutzer, die ihr Gerät auch zum mobilen Bezahlen nutzen wollen. „Die wachsende Beliebtheit der Kartenzahlung wie auch die Aufgeschlossenheit insbesondere junger Leute für mobile Bezahlverfahren zeigt, dass der Trend eindeutig zur bargeldlosen Zahlung geht“, ist zum Beispiel auch BITKOM-Vizepräsident Ulrich Dietz sicher.
Zwei wichtige Punkte gibt es jedoch zu beachten: Die deutschen Verbraucher sind besonders sensibel, wenn es um die Sicherheit persönlicher Daten geht. Das gilt insbesondere für Konto- und Transaktionsdaten. Und sie vertrauen beim Thema Datensicherheit dem Händler eher als dem Payment-Anbieter. Der Handel muss hier also selbst sichere Bezahlmöglichkeiten bieten und darf sich nicht komplett auf die Drittanbieter verlassen.Der zweite Punkt ist schlicht und ergreifend die fehlende Hardware-Infrastruktur: Nach Angaben des BITKOM gibt es derzeit in Deutschland erst rund 60.000 Akzeptanzstellen für das kontaktlose Bezahlen per NFC, was nur rund acht Prozent aller Kassenterminals entspricht. In den kommenden zwei Jahren wird die Anzahl der NFC-fähigen Terminals nach Einschätzung des Branchenverbandes aber stark wachsen.
„Wenn die Kassenterminals flächendeckend umgerüstet sind, kann das Bezahlen per Smartphone in kürzester Zeit einen Durchbruch erleben“, so Dietz. „Zudem müssen Verbraucher noch besser über die Möglichkeiten und vielfältigen Vorteile des kontaktlosen Zahlens aufgeklärt werden.“
Autor: Daniel Stöter, iXtenso.com
Themenkanäle: Mobile Payment, Mobile Shopping, Smartphone