Von Live-Chats und künstlich intelligenten Suchmaschinen
Mensch oder Maschine: Von wem möchten Sie gern beraten werden? Das hängt wahrscheinlich von der Art ab, wie Sie angesprochen werden.
Ob Live-Chats mit echten Mitarbeitern oder künstlich intelligente Suchfunktionen wie bei Watson von IBM. Wichtig ist nur, Kundenwünsche so schnell und unkompliziert wie möglich zu erfüllen.
Sie kennen sicherlich die Geschichte von Sherlock Holmes und Dr. Watson. Egal in welcher Variante – Buch oder Film – angesiedelt im Viktorianischen Zeitalter in London oder im modernen New York. Diese beiden Figuren, die der Schriftsteller Arthur Conan Doyle erschuf, ergänzen sich mit ihren Fähigkeiten hervorragend und lösen so die schwierigsten Fälle: Sherlock Holmes ist an Intelligenz, Spürsinn und Kombinationsfähigkeit nicht zu übertreffen. Was ihm allerdings häufiger abgeht, ist emotionales Einfühlungsvermögen. Aber dafür hat er ja Watson.
Was aber hat das nun alles mit dem Einzelhandel zu tun? Nun, Online-Shopping ist auch eine Form der Recherche und Suche nach der optimalen Lösung. Wenn die Fragen, die der Kunde hat, individuell und umgehend beantwortet werden können, erzielen Online-Shops und Kundenservices den größten Umsatz.
Hierzu gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. „The North Face“ bietet derzeit beispielsweise in einem Pilotprojekt für einen Teilbereich seiner Waren im Webshop die Möglichkeit, auch eine Suchanfrage in ganzen Sätzen zu formulieren.
Mit Aussagen wie: „Ich werde im Januar nach New York reisen und brauche eine passende Jacke“ könnte eine herkömmliche Suchmaschine nichts anfangen. Das System, das diese Anfrage allerdings tatsächlich zu einem passenden Suchergebnis führen kann, heißt Watson. Eine Lösung von IBM. Arthur Conan Doyles Figur war zwar nicht die Vorlage für den Namen, sondern ein Mitbegründer von IBM, dennoch verbindet dieses Tool unglaubliches Wissen aus unzähligen Quellen, mit deren Inhalten es gefüttert wird, und die Fähigkeit, auf semantischer Ebene zu suchen – wie Sherlock und Watson halt.
„Bei ‚The North Face‘ ist Watson programmiert und gefüttert mit Hintergrundwissen, das relevant ist für die Auswahl einer Jacke – von geografische über wetterbezogene Eigenschaften bis hin zu allen verfügbaren Informationen aus dem Webshop über die Warengruppe Jacke stellt Watson so lange Fragen, bis er die optimale Jackenauswahl bereitstellt“, beschreibt Marcus Gross, Cognitive Solutions Sales bei IBM Deutschland.
Hundertprozentig schafft er das nicht mit jeder Aussage, die der Kunde in die Suchmaske eingibt, aber dennoch ist das Resultat ganz ansehnlich. Und macht auch ein bisschen mehr Spaß als herkömmliche Suchfunktionen im Shop. Tatsächlich ist Watson gerade im Bereich Einzelhandel dazu gedacht – als sogenannte „kognitive“ Lösung – Entscheidungen beim Kauf zu unterstützen, indem er so viele Informationen wie möglich auswertet.
„Besonders wertvoll könnte Watson allerdings für den Kundenservice werden“, ergänzt Gross. Tatsächlich dazu in der Lage, am Telefon Gemütslagen eines Kunden am Tonfall zu deuten, könnte diese Funktion so manchem Anbieter dabei helfen, Kundenansprüchen den wachsenden Kundenanspruch im mobilen Zeitalter an immer schnelleren und passenden Service zu entsprechen.
Mit Whatsapp, Facebook und Chat Funktionen den Kundenservice interaktiver und schneller machen
Nicht nur eine künstlich intelligente Lösung mit semantischer Suchfunktion wie Watson kann helfen, diese Kundenwünsche zu befriedigen. Auch andere Lösungen, die dem Kundenverhalten entsprechen können hier das Tempo beschleunigen.
So wie interaktive Chat-Lösungen für Social-Media-Kanäle, die nun auch immer mehr Unternehmen für den Kundenkontakt verwenden. „Interaktivität wird immer wichtiger. Die Kunden wünschen sich Live-Interaktionen, Video-Chats und die Kommunikation über Facebook und WhatsApp direkt und persönlich mit dem Kundenservice“, erklärt Hannes Meine, Head of Marketing bei der optimise.it GmbH, einem Anbieter von Chatlösungen. Neue Möglichkeiten anzubieten sei eine Möglichkeit, sich von der Konkurrenz abzuheben und die Zielgruppe zu überzeugen, die alles über mobile Geräte erledigt.
Unternehmen wie Saturn und Roller nutzen diese Möglichkeiten schon. „Die Chat-Kanäle lassen sich für einen Mitarbeiter im Kundencenter bündeln und individuell freischalten“, so Meine. In der Echtzeit-Kommunikation mit den Kunden über einen persönlichen Chat sieht er einige Vorteile: „Während ein Telefonat nur mit einem Kunden geführt werden kann, können in einem Chat bis zu vier Kunden in der gleichen Zeit bedient werden. Einfache Anfragen können extrem schnell beantwortet werden.“
Der Einzelhandel erkenne die Notwendigkeit, gerade in Medien wie Facebook präsent zu sein. „Das wird auch noch in den nächsten Jahren einer der wichtigsten Punkte sein, um Kundenservice zu optimieren“, prognostiziert Meine und ergänzt: „Die Vorteile der Chat-Lösungen sind messbar. Im Online-Retail konnten die Einzelhändler schon bis zu 25 Prozent ihrer Kosten einsparen. In anderen Branchen, wie beispielsweise im Energiebereich, bereits bis zu 35 Prozent. Wir schätzen, dass es möglich ist, sie um 40 Prozent zu senken.“
Außerdem lasse sich sehr gut nachvollziehen, ob eine Person, mit der gechattet wurde, auch tatsächlich eingekauft habe, denn das Nutzerverhalten werde bei den Chatlösungen mitgemessen.
Ob ein technische Lösung wie Watson in Zukunft den Menschen aus dem Kundenservice vertreiben könne? „Sicherlich nicht“, sagt Meine und ist überzeugt: „Ein Kundenverständnis wie ein echter Mensch wird Watson nie haben. Aber auch solche Lösungen werden immer wichtiger. Und sie widersprechen sich nicht mit unseren Angeboten. Auch bei uns gibt es in manchen Bereichen vorgefertigte Antworten, die auf gewisse Anfragen rausgeschickt werden können. Diese Bausteine sind allerdings von den Mitarbeitern so formuliert, dass auch hier die menschliche, individuelle Note herauskommt.“
Die Gemeinsamkeit von Watson und den Chat-Lösungen liegt in der Interaktivität mit dem Kunden – entweder mit einer künstlichen Intelligenz oder mit einem Menschen über alternative Kommunikationswege. Was sie beide ausmacht, ist, dass der Kunde sich nicht auf die jeweilige Suche einstellen muss, sondern dass das System auf seine Art, Fragen zu stellen, eingerichtet ist. Dadurch kann Kommunikation einfacher werden, Suchzeiten und Warteschlangen in Call-Centern werden verkürzt.
Themenkanäle: Online-Handel, Kundenbeziehungsmanagement