Zebra Technologies hat eine Studie über die Einstellung von Kunden und deren Kaufverhalten vorgestellt. Die Studie zeigt, dass mehr als die Hälfte der Kunden der Generation X ein Geschäft besucht haben, ohne etwas zu kaufen, dann aber den Artikel online erwarben.
In Anbetracht dessen hat Mark Thomson, Retail Industry Director EMEA bei Zebra Technologies, gute und schlechte Nachrichten für den Handel: Es gibt Chancen, aber es besteht auch Handlungsbedarf.
Herr Thomson, welche Erkenntnisse haben Sie mit der Studie für den Handel gewonnen?
Mark Thomson: Wir haben in der Zebra-Umfrage festgestellt, dass Kunden den Laden verlassen, ohne etwas zu kaufen, weil der gewünschte Artikel nicht im Lager war. Außerdem konnte der Einzelhändler ihnen keine geeignete Alternative zum Kauf ähnlicher Produkte anbieten oder die Möglichkeit geben, das Produkt online oder im Geschäft zu bestellen. Manchmal weisen Einzelhändler Käufer dann auf ihre Website hin, was das Problem jedoch wieder in die Hände des Kunden legt und keinen guten Kundenservice darstellt.
Mal provokant gefragt: Ist das das Ende des stationären Handels?
Überhaupt nicht. Wir haben festgestellt, dass die Leute immer noch in den Geschäften einkaufen wollen. Der klassische Einzelhandel wird nicht verschwinden. Während der Online-Handel immer noch wächst, hat sich die Wachstumsrate jedoch im Vergleich zu den Vorjahren verlangsamt.
Aber wir sehen, dass der Lagerbestand für den Umsatz entscheidend ist. In unserer Studie berichteten 43 Prozent der Einzelhandelsmitarbeiter von Kundenbeschwerden über nicht vorrätige Ware und 39 Prozent der Käufer verließen schon einmal aufgrund von Regallücken ein Geschäft, ohne etwas zu kaufen. Das ist es, was wir als „liegengebliebenes Geld“ bezeichnen.
Was sind die Gründe dafür, dass Produkte nicht auf Lager sind?
Die Gründe reichen von unzureichendem Bestellmanagement über schlechte Nachfrageprognosen oder Schwund bis hin zu geringen Vorräten reichen. Ein physischer Lagerbestand ist sehr teuer und stellt vermutlich die größten Einzelkosten für einen Händler neben den Personalkosten dar. Daher kann es sich nicht jeder Einzelhändler leisten, jede Größe und jede Farbe jedes Artikels in ausreichender Zahl als Präsenzbestand anzubieten.
Außerdem ist es schwierig, eine genaue Bedarfsprognose zu erstellen, selbst mit den richtigen Tools. Hinzu kommt der Warenschwund durch Produkte, die entweder nicht geliefert oder gestohlen werden. Und darüber hinaus: Wenn Sie nicht feststellen können, welche Produkte verloren gegangen sind, dann können Sie sie nicht ersetzen. Einige Einzelhändler tappen hier bis zur nächsten Inventur im Dunkeln und die erfolgt manchmal vierteljährlich oder sogar nur jährlich.
Und die Kunden reagieren darauf ...
... indem sie den Laden frustriert ohne einen Einkauf verlassen und es im Internet bestellen. Sie wissen inzwischen, dass sie online Artikel in verschiedenen Größen und Farben bestellen können, um sie zu Hause auszuprobieren und dann – manchmal sogar kostenlos – wieder zurücksenden können. Deshalb erleben wir einen signifikanten Wandel hin zu mehr Onlinekäufen.
Was würden Sie den Einzelhändlern raten, um dieses Problem anzugehen?
Die erste Maßnahme ist, das Herzstück zu kontrollieren, nämlich die Lieferkette: Stellen Sie sicher, dass die richtigen Produkte auf den LKW geladen, ins Lager geliefert und in die Regale geräumt werden.
Dafür kann RFID-Technologie eingesetzt werden. In den letzten Jahren beobachten wir, dass RFID vielseitig eingesetzt wird, insbesondere im Modebereich, aber auch in den Logistiksparten von Lebensmittelgeschäften und anderen Einzelhändlern. RFID bietet einen halbautomatisierten Weg, Produkte entlang der Lieferkette und im Geschäft zu verfolgen und zu identifizieren. Einzelhändler können wöchentlich oder täglich überprüfen, was im Lager ist, was bewegt wird und was nachgefüllt werden muss.
Die Einführung von RFID ist allerdings eine große Investition, oder?
Unserer Erfahrung nach kommt der Return on Investment für Einzelhändler ziemlich schnell. Darüber hinaus bietet die RFID-Technologie eine Vielzahl von Vorteilen. Sie können nicht nur Bestandskontrollen in sehr kurzen Zyklen erledigen, sondern auch die Auswahl für die Omnichannel-Umsetzung ausgehend von einer lokalen Filiale und nicht von einem Lager aus durchführen. Auf diese Weise können Einzelhändler die Umweltbelastung und die Transportkosten reduzieren und sogar den Kunden dazu ermutigen, sich seine Produkte im Geschäft abzuholen, was zu einer Kundenrückkehr in den Laden führt.
Andere Einzelhändler, wie Tommy Hilfiger, nutzen RFID, um Kundenerlebnisse im Geschäft zu schaffen, wie beispielsweise einen intelligenten Spiegel in einer Umkleidekabine, der weiß, welche Kleidungsstücke ein Kunde anprobiert und andere verfügbare Größen anzeigt oder ergänzende Produkte oder Accessoires vorschlägt.
Gibt es neben einer besseren Lagerverwaltung noch andere Möglichkeiten für den stationären Handel?
Ja, die gibt es. Ich bin der Ansicht, dass Einzelhändler überdenken sollten, was der genaue Zweck ihres Ladens ist. Eine Antwort darauf kann Showrooming sein, denn dieses Konzept hat eine Reihe von Vorteilen. Wenn Einzelhändler Beispiele für die bereitgestellten Artikel anbieten, können Kunden sich das Material und die Qualität ansehen, die Größe überprüfen und sich dann sicher sein, dass es auch das richtige Produkt für sie ist. Wenn sie tatsächlich einen Artikel kaufen wollen, können sie ihn online von zu Hause aus bestellen oder er wird direkt für sie im Geschäft bestellt. Auf diese Weise können Einzelhändler die Menge der Retouren, die sie erhalten, minimieren und Platz sparen.
Was bedeutet dieser letzte Aspekt für die Mitarbeiter?
Es ist wichtig, Mitarbeitern die richtige Technologie zur Verfügung zu stellen, damit sie aussagefähig und vernetzt sind und Zugang zu genauso vielen, wenn nicht sogar mehr Informationen haben als ihre Kunden. Das ist die Art von digitaler Erfahrung, die Menschen im Handel suchen: schnelle Hilfe, gute Beratung und ansprechende Interaktion.
Der Einsatz von solcher Technologie bringt zusätzliche Vorteile mit sich: Sie können viel Zeit damit verbringen, das Personal zu schulen, Informationen bereitzustellen und sie diese lernen zu lassen. Alternativ können Sie ihnen diese Informationen in Form von mobilen Geräten in die Hände geben. Auf diese Weise können Einzelhändler ihre Mitarbeiter viel schneller an Bord holen, was bedeutet, dass die Filialen flexibler und agiler sind, um auf Hochverkaufszeiten zu reagieren. Zeiträume wie die Weihnachtszeit oder die Black Friday- / Cyber Monday-Woche – die heute eigentlich ein ‚Cyber-Monat‘ ist – erfordern von den Händlern, dass sie ihr Mitarbeiterkontingent viel schneller anpassen und einlernen können.
Trotz einiger Bedenken und Probleme prognostizieren Sie also nicht den „Tod des klassischen Einzelhandels“?
Nein. In der Zukunft sehe ich eine Mischung aus Ladengeschäften, Showrooms und Onlineshopping. Meiner Meinung nach werden wir mehr Geschäfte sehen, die sich auf das Kundenerlebnis konzentrieren, die nicht unbedingt jeden Artikel auf Lager haben, sondern den Kunden einen sehr schnellen Zugang dazu durch Lieferung am nächsten oder sogar am selben Tag ermöglichen. Ich denke, wir werden an einen Punkt kommen, an dem sich das richtige Gleichgewicht zwischen Offline- und Onlineshops einstellt.