Zukunftsstrategie: Zurück zur Beratung

Curated Shopping verspricht das ideale Einkaufserlebnis im Online-Handel

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Online-Shopping – das Schlaraffenland für Käufer. Es bietet eine riesige Auswahl, ist unverbindlich, ungestört und schnell. So viel zur Idealvorstellung. Die Realität ist häufig eine andere. Mal eben das richtige Alltagsoutfit zu finden, gleicht schnell der Nadel im Heuhaufen. Kuratiertes Einkaufen soll dabei helfen und das Beste von Online- und Offline-Handel verbinden.

Entnervtes Klicken und Scrollen beim Online-Shoppen und das nonstop. Mehr ist nicht immer gleich besser, das gilt auch für das Angebot von Produkten. Nach gefühlten zwanzig Seiten verschwimmen die Blusen im Einheitsbrei. Überforderung macht sich breit. Der Suchende gibt auf. Und wieder stirbt er den Tod – der Warenkorb. Freude am Einkaufen sieht anders aus. Die wesentliche Herausforderung für die virtuelle Einkaufswelt lautet deshalb: Den Spaß am Online-Shopping wiederherzustellen, bevor er dem Kunden vollends verloren geht.

Foto: Zukunftsstrategie: Zurück zur Beratung
Quelle: Kisura

Der Kurator – Kompass durch den Kleiderdschungel

Vor ein paar Jahren schwappte ein Lösungsansatz aus den USA nach Deutschland: das Kuratieren. Das Wort lateinischen Ursprungs bedeutet “Sorge tragen, sich sorgen um“. Das Verkaufskonzept, auch als Curated Commerce oder Personal Shopping-Service bekannt, bietet dem Kunden eine onlinebasierte, individuelle Einkaufsberatung durch einen Kurator. Das Steckenpferd des stationären Handels wird somit mit den Vorzügen der Online-Welt verknüpft.

Kuratierter Konsum gehört in anderen Bereichen heute schon zum Alltag. Nicht nur Film- und Musikstreaming-Seiten liefern auf Basis von Nutzerinformationen personalisierte Vorschläge. Bei der Curated Shopping-Variante von Anbietern wie Kisura, Sugarshape oder Kindhochdrei wird zusätzlich ein persönlicher Stylist einbezogen und gibt dem Einkaufserlebnis eine persönlichere Note. Der Fokus liegt hier besonders auf der Stärkung der Kundenbeziehung durch einen direkten Dialog. Versprochen wird eine personenbezogene Beratung, die die perfekte Passform und den persönlichen Geschmack liefern kann. 

Allein Angebote zu durchforsten ist passé, das übernimmt der Kurator. Das innovative Online-Geschäftsprinzip scheint in Fachkreisen gut anzukommen. Outfittery, ein Anbieter für Herrenmode, durfte sich im Mai über den Forumpreis der Zeitschrift TextilWirtschaft freuen. Curated Shopping ist aber nicht nur eine Möglichkeit für Modeanbieter, sondern kann auch in diversen anderen Branchen, wie beispielsweise im Möbel- oder Tierbedarfshandel, eingesetzt werden.

Ist der Personalisierungstrend am Nerv der Zeit?

Die Bedürfnisse der Konsumenten haben sich deutlich verändert. Schnelle Ergebnislieferungen und individualisierte Angebote sind nun die Erwartungshaltung. Längst ist der Preis nicht mehr der alleinige Kaufauslöser. Der Markt ist gesättigt mit Angeboten, deshalb braucht der Online-Handel eine Neustrukturierung. Das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Ipsos fand heraus, dass sich knapp 59 Prozent der Konsumenten eine persönliche Beratung beim Online-Einkauf wünschen. 

Rund 73 Prozent der heranwachsenden Shopper Generation „Generation Z“ ist laut der Accenture Global Consumer Shopping Survey 2017 sogar offen dafür, Serviceorientierung à la Curated Shopping zu nutzen. Dies hat somit durchaus das Zeug zum wettbewerblichen Differenzierungsmittel. Der Kunde und seine Bedürfnisse wie Bequemlichkeit, Erlebnis und Emotionalität werden hiermit in den Mittelpunkt gerückt und festigen die Kundenbeziehung.

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Quelle: Kisura

Voraussetzungen für Curated Shopping

Wer den Curated Shopping-Ansatz auch für seinen Store ausrollen möchte, braucht ein CRM-System, Stilberater und Lagerfläche. Die Stilberatung kann durch angestellte Stylisten aus Fleisch und Blut geschehen oder virtuell über einen Algorithmus und Chatbots. Stilberater müssen nicht zwingend im Haus sein, sondern können durch Fremdanbieter zur Verfügung gestellt werden. CRM-Systeme und Datenbanken mit Passformen werden von entsprechenden Anbietern zur Verfügung gestellt und können nahtlos in bereits vorhandene Shopsysteme integriert werden.

Ein Knackpunkt dürften die Lagerungskosten sein. Pure-Player wie Zalandos Tochter Zalon greifen auf ein großes Lager zurück. Um möglichst alle Wünsche abdecken zu können, muss auf ein extrem breites Sortiment zurückgegriffen werden. Zwar kann die Lösung nicht jeden Kunden überzeugen, denn für Nutzer, die gern selbst auf Jagd gehen und stöbern, ist die Selektierung mittels Kurator keine Option, dennoch ist der Serviceansatz etwas, das dem Online-Handel neuen Input geben kann. 

Namentliche Ansprache gestaltet den Einkaufsprozess persönlicher....
Namentliche Ansprache gestaltet den Einkaufsprozess persönlicher.
Quelle: Screenshot Kindhochdrei Webseite

Ablauf: Emotionale Kundenbindung ist das A & O

Für Kunden und Anbieter sieht das interaktive Service-Modell vielversprechend aus. Der Konsument findet auf der übersichtlich gehaltenen Anbieterseite keinen Katalog, sondern eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zum betreuten Einkaufen. Eine Registrierung auf der Website wird vorausgesetzt, kommt aber mit keiner Verpflichtung einher. Bei Modeanbietern werden als erstes per Online-Fragebogen Präferenzen und No-Gos des Kunden erfasst und seine physiologischen Begebenheiten abgefragt. Bei manchen Anbietern wie Zalon kann zusätzlich ein eigenes Foto hochgeladen werden, mit dem der Kurator arbeitet. Dies verleiht dem Ganzen eine noch persönlichere Note. Die gewonnenen Daten werden direkt in das Kundenbeziehungsmanagement-System, dem CRM eingespeist. Das daraus entstandene Bild ist nicht statisch, sondern in stetiger Weiterentwicklung. Retouren oder geänderte Präferenzen werden einbezogen und ermöglichen ein flexibles Kundenprofil.

Im zweiten Schritt kommt es zur Kontaktaufnahme, wahlweise via Telefonanruf, Videotelefonie oder Chat per Messenger. Je nach Anbieter kann der Kunde sogar entscheiden, welcher Experte sich für den gesamten Beratungsablauf um ihn kümmern darf. Gemeinsam werden dann im Gespräch individuelle Interessen nochmals abgeklopft. Der Kunde kann sich nun zurücklehnen und braucht selbst nicht aktiv zu suchen, denn der Kurator erstellt für ihn ein abgestimmtes Paket. Je nach Modell segnet der Bestellende die Outfitvorschläge vor dem Versand online ab, oder bekommt ein Überraschungspaket. Der Clou? Es beinhaltet aufeinander abgestimmte Outfits und keine Einzelteile. Der Warenkorb weist so einen weitaus höheren Durchschnittswert auf als bei anderen E-Commerce-Modellen. 

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Durch die Outfitvorschläge ist Produktinspiration für den Kunden vorprogrammiert. Laut einer repräsentativen Studie des ECC Köln sehen rund 52,2 Prozent der Konsumenten, die dem Service gegenüber offenstehen oder ihn genutzt haben, genau dies als den größten Vorteil des Curated Shopping-Modells. Die Aufgabe des Kunden besteht lediglich darin, in Ruhe zu Hause auszuwählen, welche Kleidungsstücke er behalten möchte und die restlichen Teile zurückzusenden. Die Beratung gibt es kostenlos, den Versand meistens auch. Die Verpackung und eine beigelegte handgeschriebene Notiz lassen die Bestellung eher wie ein Geschenk statt wie einen Einkauf wirken. 

Das Komplettpaket von Curated Shopping führt dazu, dass der Kunde sich online nicht alleingelassen, sondern an die Hand genommen, abgeholt und verstanden fühlt und trifft den heutigen Zeitgeist. Aus psychologischer Sicht kann das Versenden eines prallgefüllten und aufeinander abgestimmten Pakets von Vorteil für den Händler sein. Durch die Angst der Konsumenten vor Verlust (Loss Aversion) kann es schwieriger sein, die Produkte zurückschicken, als sie zu behalten. Auch der Überraschungsfaktor und das “Sich-verstanden-fühlen“ kann eine positive Emotion auslösen, die dazu verleitet, nicht nur den ursprünglichen Bedarf zu decken, sondern mehr zu kaufen als angedacht.

Autor: Inga Kuhlow, iXtenso

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