Ohne Technologie scheint nichts mehr zu gehen. Zugleich gilt die Digitalisierung als großer Heilsversprecher im Handel: Die einen testen die Grenzen der digitalen Machbarkeit, indem sie dem Kunden so nah wie nur möglich rücken, um bestenfalls schon im Voraus zu wissen, was er wirklich will. Die anderen erhoffen sich durch die neuen digitalen Kanäle mehr Kunden und bessere Umsatzzahlen, um dem schleichenden Niedergang letztendlich doch noch entgegenzuwirken.
Aktuell wird der Handel von neuen Technologie-Trends überrannt, die noch vor ein paar Jahren mehr nach Science-Fiction als nach naher Zukunft klangen:
Voice Commerce: Wir erleben den Markteintritt der Conversational Interfaces wie Amazon Echo und Google Home, die auf Basis von Kundendaten Befehle ausführen, Empfehlungen geben und individuelle Dienstleistungen anbieten. Amazon Echo hat ganz klar das Ziel, auf Zuruf Bestellungen aufzunehmen. Digitale Sprachassistenten sind somit eine attraktive Alternative zum Blick auf den Bildschirm und zum Eintippen von Texten oder sonstigen Befehlen. Der Einsatz von intelligenten Sprachassistenten kann besonders im Customer Service für Händler sinnvoll sein. Kunden nutzen die Sprachsteuerung vor allem, um Informationen zu suchen oder um Musik abzuspielen. Aus diesem Grund sollten alle Händler ihre Online-Präsenz für die Sprachsuche optimieren – Shopping auf Zuruf wird allerdings auch 2018 noch eine Nische sein.
Für den Kundensupport werden Chatbots oder Dialogsysteme immer interessanter, sowohl in der Beratung als auch bei der Suche. Bereits heute werden im Online-Handel Fashionshopper nicht mehr nur von persönlichen Stylisten beraten, sondern von intelligenten Chatbots auf Grundlage von Daten aus der Kaufhistorie. Doch es muss nicht gleich ein smarter Bot sein, der berät: Denn Chatten ist per se eine sehr persönliche Sache – Kommunikation von Mensch zu Mensch – und somit für Händler ein neuer Kanal zum Kunden. Aber Achtung: hier gilt es den richtigen Ton zu treffen, denn Chatten bedeutet Plaudern.
In der Logistik wurde in den vergangenen Jahren viel experimentiert und es wurden erste Pilotprojekte mit dem Einsatz von Drohnen und Lieferrobotern auf den Weg gebracht. Denn mit dem stetig wachsenden E-Commerce wird die letzte Meile zur Herausforderung. Doch sowohl autonome Fahrzeuge als auch kleine Transportroboter stecken aktuell noch in der Testphase. Vor allem die komplexen Verkehrssituationen in den Städten stellen noch große Herausforderungen für die Self-Driving-Delivery dar. Eine schnelle und alltagstaugliche Lösung ist hier noch nicht in Sicht – für die City-Logistik sind E-Fahrzeuge (auch Lasten-E-Bikes) die vielversprechendere Alternative. Wahrscheinlicher ist der Einsatz von selbststeuernden Auslieferungsfahrzeugen in ländlichen Regionen.
Auch der Roboter, der im Laden den Verkäufer ersetzt, ist noch Zukunftsmusik. Doch die Robotertechnologie wird künftig nicht mehr nur im Lager, sondern auch im Store eingesetzt werden. Auf großen Flächen können selbststeuernde Roboter falsch einsortierte Waren an ihren Platz im Regal zurückbringen und die Inventur übernehmen. Im Kundenservice am PoS können sie über ein Display die Suche nach bestimmten Produkten ermöglichen und den Kunden dorthin führen, wo sich der gesuchte Artikel befindet. Zudem eignen sie sich als intelligente Einkaufswagen zum Warentransport. Sinn macht Robotertechnologie vor allem in großen Stores, um den Mitarbeitern mehr Spielraum für die individuelle Kundenberatung zu ermöglichen.
Die Blockchain ist aktuell wohl das meist gehypte Thema und zugleich eine Technologie, die so komplex ist, dass sie nur von wenigen Menschen, die sich nicht mit IT auseinandersetzen, verstanden wird. Vereinfacht kann man sie als dezentrale Datenbank für die Buchführung beschreiben, bei der nicht geschummelt werden kann, da Transaktionen absolut transparent durchgeführt werden. Im Einzelhandel liegen die größten Potenziale der Blockchain im Supply-Chain-Management: um die Lebensmittelsicherheit zu überwachen, indem beispielsweise die Unterbrechung der Kühlkette gemeldet wird, um der Fälschung von Waren vorzubeugen oder um klar nachvollziehen zu können, woher Produkte und ihre Ausgangsmaterialien zum Beispiel Textilien stammen. Erste Experimente sind im Gange, bis sich dies allerdings umfangreicher realisieren lässt, werden noch einige Jahre vergehen.
Was bei all diesem Technologie-Enthusiasmus im Handel nicht vergessen werden darf: dass Technologie im Dienst der Menschen stehen muss. Erfolgreich sind künftig jene Unternehmen, die die Technologie gezielt nutzen, um tatsächlich den Menschen zu erreichen. Denn eines ist klar: auch der technologisch-unterstützte Retail der Zukunft bleibt menschlich.