Erleben Theken mit persönlicher Bedienung eine Renaissance? Wenn es stimmt, dass Geiz nicht mehr geil ist, kann der Handel mit Service und Beratung punkten. In den letzten Jahren wurden im LEH die SB-Bereiche zulasten der Theken immer mehr ausgebaut. Sowohl als auch – so könnte das Motto jetzt lauten. Doch ein paar Meter mehr Theke genügen nicht, es kommt auch auf gute Warenpräsentation und geschultes Personal an. Die folgenden Tipps geben Anregungen für eigene Ideen.
Verkaufspsychologen wissen: Die Kunden wollen wählen können, aber ab einem bestimmten Punkt sind sie von der Angebotsfülle überfordert. Darauf muss bei der Warenpräsentation geachtet werden. Weniger ist oft mehr. Mitarbeiterschulungen lohnen sich fast immer. In anderen Branchen ist es selbstverständlich, dass Mitarbeiter weitergebildet werden. Schulungsthemen können auch Psychologie und Rhetorik sein. Das Personal macht motivierter mit, wenn die Schulung nicht den Anschein von Nachhilfe hat, sondern Wertschätzung ausdrückt. Ein Seminar an einem schönen Ort könnte ein Anreiz sein.
Viele Kunden sind in der Schlage lieber der Zweite oder Dritte, um Zeit zu haben, das Angebot in Augenschein zu nehmen. Dabei böte sich – ohne den Druck einer langen Warteschlange – die Chance für ein intensiveres Beratungsgespräch. Die Verantwortlichen im Markt sollten ihre Theken öfters beobachten. Was tun die Kunden, wenn gerade niemand hinter der Theke zu sehen ist? Man wird feststellen, dass einige die Gelegenheit nutzen, das Angebot zu betrachten, ohne gleich angesprochen zu werden.
„Was darf's denn sein?“ Dies ist die falsche Frage für unentschlossene Kunden. Besser:. „Herzlich willkommen. Ich freue mich, dass Sie unser Angebot betrachten. Schauen Sie in aller Ruhe. Ich bin für Sie da, wenn Sie mich brauchen.“ So kann man hinter der Theke arbeiten, ohne dass sich die Kundschaft als Störenfried fühlt. Oder: „Wissen Sie schon, was Sie heute kochen wollen? Ich habe da einen Vorschlag...“
Probieren und beraten
Das Personal steht hinter der Theke. Es muss die Distanz zur Kundschaft über die Ware hinweg abbauen. Das ist besonders schwer, wenn niemand vor der Theke steht. Dann könnte man eine Mitarbeiterin vor der Theke postieren. Ein Tablett mit kleinen Warenproben weckt Neugier und Interesse. Doch die Mitarbeiterin sollte dann nicht nur die kleinen Stücke anbieten, sondern das Beratungsgespräch beginnen. Auch die Wartezeit in der Schlange lässt sich mit Probierstücken gut verkürzen,
„Riechen Sie mal“, auch diese Einladung ist nur an der Theke möglich, nicht am Regal mit der SB-Ware. „Diese Salami kommt aus Spanien und schmeckt würziger als diese hier aus Italien, probieren Sie mal.“ Schon ist man im Gespräch. Das setzt natürlich nicht nur verkäuferische Erfahrung sondern auch warenkundliches Wissen voraus. Und wenn es eine Schlange gibt, werden die nachfolgenden Kunden indirekt gleich mitberaten.
Egal ob „Grünländer Käse“, „Bavaria Blu“ oder „Rügenwalder Wurst“: Viele Produkte gibt es im SB-Kühlregal billiger als an der Theke. Kunden an der Theke akzeptieren das, wenn sie einen Mehrwert bekommen. Dieser Mehrwert kann die Beratung sein oder die Menge. Ein-Personen-Haushalte brauchen keine 150-Gramm-Packung. Kunden, die nur 50 Gramm wollen, dürfen nicht das Gefühl bekommen, dem Personal zur Last zu fallen. Und warum stellt das Personal nicht in ruhigen Zeiten Käse- oder Wurstteller zusammen, insgesamt vielleicht 150 oder 200 Gramm, mit vier oder fünf Sorten. An der Theke kann man Sorten kombinieren, die es im SB nicht zu kaufen gibt.
Cross-Selling und Up-Selling
Selbst wer mit einem Einkaufszettel – auf Papier oder im Kopf – kommt, ist vielleicht offen für weitere Empfehlungen. Cross- oder Upselling lohnt sich für den Handel und erhöht den Erlös an der Theke. Hier muss das Personal jedoch einschätzen, ob der jeweilige Kunde gerade in Eile ist oder nicht. Wer in seiner Mittagspause kommt, hat nur wenig Zeit für ein paar Einkäufe, bei Müttern mit kleinen quengelnden Kindern am Arm ist es ähnlich.
Ein Klassiker im Marketing der Waagen-Hersteller ist „der passende Wein zum Käse“: Mettler-Toledo und Bizarba bieten Waagen mit farbigen Kundendisplays an, auf denen Produkte als Ergänzung zum bisherigen Einkauf angezeigt werden. Solche Empfehlungen basieren auf intelligenter Software, die das Warenwissen des Personals wesentlich erweitert. Doch die empfohlenen Artikel müssen im Laden tatsächlich gelistet und im Regal verfügbar sein. Eine Schnittstelle zur Warenwirtschaft ist nötig, insbesondere wenn auch der Preis angezeigt wird.
Ideal, wenn der passende Wein gleich an der Theke mitverkauft wird. Dafür dürfte jedoch selten ausreichend Platz sein. Aber das Personal könnte einen Bon ausdrucken, der die Stelle zeigt, an welcher der Wein steht. Ob der Weg dann allerdings wirklich zum Weinregal führt, ist nicht garantiert. Eine Alternative: Der Wein wird gleich auf die Thekenrechnung addiert – mit einem Preisnachlass gegenüber dem Regalpreis.
Die Bedientheke hat eine Zukunft, wenn sie sich für den Handel und für die Kunden lohnt. Ein Selbstläufer ist sie nicht. Gefragt sind gute Ideen.
René Schellbach