Pause vom Online-Shopping – Konsument*innen sehnen sich nach Einkaufserlebnis vor Ort

Umsatzrückgänge und E-Commerce-Müdigkeit keine anhaltende Gefahr für Digitalisierung

Macht sich bei den Kund*innen langsam eine E-Commerce-Müdigkeit breit? Im Jahr 2022 mussten Online-Händler*innen zum ersten Mal in der Geschichte des E-Commerce Umsatzrückgänge hinnehmen. Expert*innen wie Carl Tillessen, Chefanalyst vom Deutschen Mode-Institut (DMI) und der Online-Großhandelsmarktplatz Faire.com erkennen vor allem eine Sehnsucht nach Begegnungen und echten Zufallsfunden, wie sie das Internet nicht bietet.

Eine Person betrachtet ein Schaufenster mit verschiedenen Schaufensterpuppen...
Quelle: George Bakos / Unsplash

Zufallssehnsucht und Algorithmus-Ängste

Ein zentraler Aspekt des Einkaufens im stationären Handel ist das sogenannte Serendipity-Prinzip, also der glückliche Zufall, beim Stöbern über ein besonderes Produkt zu „stolpern”, nach dem man nicht gesucht hat. Carl Tillessen von DMI erläutert:Onlineshops sind kein geeigneter Ort für Entdeckungen. Denn im Netz gibt es keine Verkäufer*innen, die uns euphorisch durch die frisch eingetroffene Ware führt. 

Auch diejenigen, die hauptsächlich online kaufen, vermissten während der Lockdowns die Möglichkeit des sogenannten ‚Showrooming‘, bei dem man die Dinge im Laden entdecken, anschauen, anfassen, an- und ausprobieren kann, bevor man sie im Netz bestellt. Sogar die Onlinehändler*innen selbst mussten erkennen, dass der stationäre Handel viele der Käufe anregt, die dann im Onlineshop nur noch abgewickelt werden.” Zwar können wir auch beim Shopping im Netz auf Produkte aufmerksam werden, die wir nicht gezielt suchen. Jedoch fremdeln wir zunehmend mit den Algorithmen, die diese vermeintlichen Zufälle berechnen. 

Frederik Reim, Country Lead für Deutschland bei Faire stimmt Tillessens Analyse zu: „Wir erleben weltweit eine starke Nachfrage nach dem Einkaufsbummel in kleinen, unabhängigen, eigentümergeführten Läden.” Bei Faire kaufen über 700.000 Einzelhändler*innen Waren von 100.000 unabhängigen Hersteller*innen aus 19 Ländern und kreieren so jeweils ein individuelles Sortiment für ihre Kundschaft. 

Beim Einkaufsbummel steht immer häufiger auch das Gemeinschaftsgefühl im Vordergrund – ein Aspekt, der nach Einschätzung Reims während der Lockdowns für viele Menschen zu kurz kam. Laut einem von Faire zusammengestellten Report machen 15 Prozent der auf Faire einkaufenden Einzelhändler*innen aus Europa und dem Vereinigten Königreich ihr Ladengeschäft zum sozialen Treffpunkt. Beispiele hierfür sind Café-Buchhandlungen oder Yogastudios, in denen die Händler*innen entsprechende Produkte verkaufen. 

„Viele unserer Kund*innen begleiten uns schon von Anfang an und sind echte Stammkund*innen. Sie kaufen ganz bewusst nicht online, sondern kommen gerne persönlich bei uns vorbei und lassen sich beraten. Sie wollen Produkte mit Persönlichkeit – keine billige Massenware”, beschreibt Claudia Achilles, Inhaberin des Münchner Ladens Stadtkind die Ansprüche der Kundschaft. Mit der Pandemie hat sich der Schwerpunkt auf das Einkaufen vor Ort verlagert: 65 Prozent der Kund*innen bevorzugen jetzt den Erwerb von Produkten und Dienstleistungen, die in ihrem eigenen Land hergestellt wurden – so ein weiteres Ergebnis, das der Report von Faire preisgibt. 

„Überall auf der Welt wollen Konsument*innen nach den Entbehrungen der letzten Jahre wieder gezielt in kleinen unabhängigen Läden einkaufen gehen”, so Reim weiter. Ausdruck fand diese Sehnsucht zuletzt in einer aktuellen Studie des Marktforschungsinstituts IFH Köln: So wünschen sich 45 Prozent der befragten Konsument*innen mehr Begegnungsorte und 43 Prozent attraktive Shoppingangebote für ihren Bummel in der Innenstadt.

Digitale Tools für den Erlebnis-Einzelhandel

Dennoch bedeutet dieser Trend keine „De-Digitalisierung“ des Shoppings. Es mag zwar eine gewisse E-Commerce-Müdigkeit unter Konsument*innen aufkommen, gleichwohl nutzen Ladenbesitzer*innen selbst verstärkt digitale Lösungen, um das Einkaufserlebnis in ihren Läden noch reizvoller zu machen. Das belegt eine weitere Studie, welche das IFH Köln 2022 für Faire umgesetzt hat. Demnach nutzt bereits jede*r fünfte Einzelhändler*in Großhandelsplattformen wie Faire und sammelt dabei positive Erfahrungen. Ein gern genutzter Vorteil ist unter anderem die einfache Auswahl ungewöhnlicher Produkte, die nicht in jedem Laden zu finden sind. Die zunehmende Digitalisierung des Großhandels unterstützt Ladengeschäfte somit, ihr Warenangebot und das damit einhergehende Einkaufserlebnis zu etwas ganz Besonderem zu machen.

Quelle: Faire.com

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