Bericht • 10.10.2013

Catch me if you can - Kundenansprache im Wandel

Rückblick: Faszination Handel am 26. September 2013

Am 26.09.2013 fand bereits zum sechsten Mal die IFH-Veranstaltung Faszination Handel in den Räumen der Universität zu Köln statt. Die diesjährige Veranstaltung stand unter dem Motto „Catch me if you can – Kundenansprache im Wandel“ und lockte knapp 100 Besucher, welche vier spannenden Vorträgen rund um das Thema Kundenansprache lauschten.

Prof. Dr. Reinartz, Direktor der Gesellschaft zur Förderung des Instituts für Handelsforschung an der Universität zu Köln e.V. und Inhaber des Lehrstuhls für Handel und Kundenmanagement (Universität zu Köln) führte durch das Programm, welches neueste wissenschaftliche Erkenntnisse mit Praxisbeispielen aus der Handelspraxis vereinte. Im Folgenden erhalten Sie einen kurzen Rückblick zu den Vorträgen der Experten.

Die Gesellschaft zur Förderung des Instituts für Handelsforschung an der Universität zu Köln e.V. bedankt sich an dieser Stelle nochmals herzlich bei allen Referenten, die den Tag mit ihren Vorträgen in hohem Maße bereichert haben sowie bei allen Teilnehmern.

Individualisierte Kundenansprache – Erkenntnisse aus dem Neuromarketing

Prof. Dr. David Scheffer (geschäftsführender Gesellschafter der MassineScheffer GmbH und Professor für Personalmanagement und Wirtschaftspsychologie an der NORDAKADEMIE, Hochschule der Wirtschaft) und Christian Jourdant (Partner der MassineScheffer GmbH)

„Der Kunde erwartet, dass sich der Handel individuell auf ihn einstellt.“ Dies ist die zentrale Aussage von Prof. Dr. David Scheffer, der gemeinsam mit Christian Jourdant tiefe Einblicke in das Neuromarketing und dessen praktische Umsetzung gab. Es reiche heutzutage nicht mehr aus, nur das Alter und Geschlecht seiner Zielgruppe zu kennen. Der Trend gehe eindeutig in Richtung individualisierter Zielgruppen. Die Ära des Durchschnittsmarketings wäre somit vorbei. Jourdant veranschaulichte dies anhand eines plakativen Beispiels: Vergleicht man Menschen lediglich aufgrund „harter“ Faktoren, wie beispielsweise Alter, Familienstand und Einkommen, seien Prince Charles und Ozzy Osbourne tatsächlich demographische Zwillinge. Somit ist nicht die Demographie, sondern mehr die Psychographie ausschlaggebend bei der Kundenansprache. Beziehungsmenschen haben beispielsweise ganz andere Bedürfnisse und Erwartungen als Analytiker, Strategen oder Trendsetter.

Auf Basis der Theorie des Psychiaters C.G. Jung entwickelte Scheffer einen onlinebasierten psychologischen Test, durch den Konsumenten bestimmten Zielgruppen zugeteilt werden. Diese Cluster basieren auf „weichen Faktoren“, beispielsweise darauf, wie ein Mensch Entscheidungen trifft (Fühlen vs. Denken) oder wie er Informationen verarbeitet (im Detail vs. im großen Zusammenhang). Mit Hilfe des entwickelten Online-Tests clusterte die MassineScheffer GmbH gemeinsam mit Otto über 50.000 Otto-Kunden in unterschiedliche Gruppen. Durch ausführliche Analysen wurde deutlich, dass ein Großteil der Otto-Kunden im trendaffinen Bereich lag. Als Konsequenz strukturierte Otto seine Werbekampagnen entsprechend des eigenen Kundentypus um und konnte so besser auf die Bedürfnisse der eigenen Kundengruppe eingehen. Christian Jourdant beendete den Vortrag mit den Worten: „Es sind die Details, auf die es ankommt“.

Catch me on the run... oder wie der mobile Kanal die Kundenansprache verändert

Boris Hedde (Geschäftsführer der IFH Institut für Handelsforschung GmbH)

Smartphone – Gatekeeper oder Salestool? Dies ist die zentrale Frage, über die Boris Hedde, Geschäftsführer der Institut für Handelsforschung GmbH, in seinem Vortrag referierte. Die Nutzung mobiler Endgeräte verbreite sich immer weiter – so nutzen aktuellen Forschungsergebnissen zufolge rund 63,3 Mio. Deutsche ein Mobiltelefon. Die Mehrheit der Nutzer sei männlich, gebildet und berufstätig, so Hedde. Am meisten genutzt werden Mobiltelefone hierbei für den Mailverkehr, zur Wetterauskunft und zum Chatten. Doch wie genau kann nun der Handel vom Zuwachs der mobilen Internetnutzung profitieren? Besonders handelsrelevant seien hierbei vor allem Mobile Apps, die E-Mail-Funktion sowie das Online-Shopping. Zeitlich betrachtet werden rund 12 Prozent des mobil genutzten Internetzugangs im Bereich Shopping genutzt. Besonders beliebte Produktkategorien sind: Bücher & Medien, Fashion & Accessoires und Consumer Electronics. Jedoch wünschen sich laut einer aktuellen Studie des IFH Köln viele Konsumenten auch die Verfügbarkeit von Drogerieprodukten und Lebensmittel über den mobilen Kanal.

Laut Hedde gibt es drei zentrale Erfolgsfaktoren in Bezug auf die mobile Internetnutzung, wenn direkter Umsatz in den stationären Filialen generiert werden soll: Erstens die mobile Website, durch die Kunden direkt in die Filialen geleitet werden können, zweitens mobile Couponing, welches insbesondere der Neukundengenerierung dient und drittens die digitale Stempelkarte, durch die Kunden mit Hilfe eines Bonussystems an die Händler gebunden werden. Auch QR-Codes sind ein entscheidendes Tool für den stationären Händler, Kunden auch in den Ladengeschäften über das Smartphone zu erreichen. „Eine ECC-Studie zeigt, dass 47 Prozent der deutschen Smartphone-Nutzer ihr Mobiltelefon kaufunterstützend bei Besuchen in Retail-Stores einsetzen und jeder Dritte Konsument plant, QR-Codes zur Generierung weiterer Informationen zu scannen“, so Hedde.

Um den indirekten Umsatz zu erfassen, der durch Kundenbestellungen direkt über ein mobiles Endgerät generiert wird, muss der Kaufprozess allgemein sowie das Cross-Chanel Verhalten der Konsumenten betrachtet werden. Der Weg der Kaufvorbereitung zeigt: Online ist der neue Showroom. Um die Vorteile des stationären Handels bei diesem Trend für sich zu nutzen, empfiehlt Hedde, die unterschiedlichen Kanäle optimal miteinander zu verzahnen. Er beendete seinen Vortrag mit dem Statement: „Das Smartphone ist das neue Herzstück des Handels.“

Ist kreative Werbung erfolgreicher?

Prof. Dr. Werner Reinartz (Direktor der Gesellschaft zur Förderung des Instituts für Handelsforschung an der Universität zu Köln und Inhaber des Lehrstuhls für Handel und Kundenmanagement an der Universität zu Köln)

„Was glauben Sie? Ist kreative Werbung wirklicherfolgreicher?“ mit dieser Fragen leitete Prof. Dr. Reinartz seinen Vortrag ein. Die Mehrheit der Zuhörer im Raum gab hierauf ein Handzeichen für „Ja“.

Die Praxis zeigt jedoch, dass kreative Werbung erfolgreich sein kann, aber nicht muss. So wurde die Priceless-Kampagne von MasterCard über eine lange Zeit sehr erfolgreich ausgestrahlt. Als Gegenbeispiel nannte Reinartz die Nissan-Kampagne „Life is a journey. Enjoy the ride“. Es handelte sich hierbei um eine hoch kreative Kampagne, die mehrere Kreativ-Awards gewann, jedoch nicht zum gewünschten Kauferfolg führte. Auch bekannte Werbeagenturen, wie Jung von Matt und Scholz & Friends sehen in jüngster Zeit davon ab, an Kreativ-Wettbewerben teilzunehmen. „Am Ende des Tages steht der Produkterfolg“, so Reinartz. Kreativität allein sei nicht entscheidend für eine erfolgreiche Werbekampagne. Doch welche Faktoren sind entscheidend für eine erfolgreiche Werbekampagne, in welcher sich Kreativität und Verkaufserfolg die Waage halten? „Think outside the box“ – dies ist Reinartz zufolge der Grundtreiber für den Erfolg. Kreativität sei immer eine positive Andersartigkeit. Das Grundmuster kreativen Denkens bestehe hierbei aus fünf Bausteinen:

  1. Originalität (einzigartige Elemente)
  2. Flexibilität (Perspektivenwechsel)
  3. Elaboration (ungewöhnliche Details)
  4. Synthese (Kombination voneinander unabhängiger Ideen und Objekte)
  5. Künstlerischer Wert (Verwendung attraktiver Formen, Farben und Stilmittel)

In einer kürzlich veröffentlichten Studie bestimmte Reinartz auf Basis dieser fünf Dimensionen das Ausmaß der Kreativität von 437 TV-Kampagnen 90 verschiedener Markenartikel in zehn verschiedenen Konsumgüterkategorien. Die Ergebnisse zeigen: Je kreativer eine Kampagne im Durchschnitt ist, desto besser verkauft sich die beworbene Marke. Bei durchschnittlich kreativen Werbekampagnen beträgt der Effekt 20 Prozent, bei hochkreativen Kampagnen sogar 42 Prozent. Das Ausmaß an Kreativität ist hierbei abhängig von der Produktkategorie: Besonders kreativ sind Werbekampagnen von Colagetränken, Rasierern und Joghurt. Weniger kreativ hingegen sind Waschmittel- und Shampoo-Kampagnen. Prof. Dr. Reinartz beendete seinen Vortrag mit dem Statement: „Werbekreativität schafft Wert und weist einen signifikanten Umsatzeffekt auf.“

Mehr als eine physische Barriere? Die Auswirkungen der Produktdistanz am POS

Vanessa Gartmeier (Seminar für Handel und Kundenmanagement der Universität zu Köln)

Vanessa Gartmeier, Doktorandin am Seminar für Handel und Kundenmanagement der Universität zu Köln, stellte in Ihrem Vortrag ein Forschungsprojekt vor, welches die Auswirkung physischer Barrieren am Point of Sale (POS) am Beispiel von Kühlmöbeltüren in Supermärkten untersucht. Die zentrale Fragestellung lautet: „Stellen Türen von Kühlmöbeln aufgrund der verursachten psychologischen Distanz eine Kaufbarriere dar und führt dies zu einer Veränderung im Entscheidungs- und Kaufverhalten der Konsumenten?“

Die Untersuchung erfolgte anhand einer Kundenbeobachtung und -befragung in zwei strukturähnlichen Märkten einer deutschen Lebensmitteleinzelhandelskette. In einem Markt wurden Molkereiprodukte hinter Glastüren im Kühlregal ausgelegt, in dem anderen Markt erfolgte die Produktpräsentation ohne Türen. Die Ergebnisse zeigen eindeutig: Kunden im Supermarkt mit Türen gingen gezielter vor. Hier führte ein physischer Produktkontakt immer auch zum Kauf des Produkts. Obwohl insgesamt weniger haptische Kontakte sowie Sichtkontakte stattfanden als im Markt mit Türen, kam es insgesamt seltener zum Kaufabbruch. Die Kunden benötigten außerdem mehr Zeit bis sie ein Produkt anfassten, bzw. kauften und verbrachten mehr Zeit im Geschäft. Dies zeigt, dass physische Barrieren beim Kaufprozess zu einem elaborierteren Entscheidungsprozess führen. In der Konsequenz führen Türen dazu, dass weniger Spontaneinkäufe getätigt werden, was wiederum Umsatzeinbußen zur Folge hat.

Als Implikation für das Management resümierte Gartmeier: „Es ist notwendig, diesem negativen Effekt entgegenzuwirken durch die Reduzierung der wahrgenommenen Distanz zum Produkt." Dies könne beispielsweise durch Plakate bewirkt werden, auf denen der Konsum von Produkten in der betrachteten Kategorie abgebildet ist als sog. „mental imagery“. Ungeplante Käufe könne man durch Coupons oder Geschmacksverkostungen begünstigen.

Autoren: Lilan Grote, Sabine Buschmann (IfH Köln)

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