Vorsicht mit Preispromotions: „Erziehen Sie Ihre Kunden nicht zu Schnäppchenjägern!“
Der Neurowissenschaftler Kai-Markus Müller spricht mit uns über die Wirkung von Preisen
panthermedia.net/cluckva
Im Gespräch mit iXtenso gibt Prof. Dr. Kai-Markus Müller, CEO von The Neuromarketing Labs GmbH, Einblick, was in Gehirnen von Käufern vorgeht, die Produkte und Preise sehen.
Woher er das weiß? Er ist Neurowissenschaftler und kann in Gehirne schauen. Deshalb rät er Händlern, sich damit auseinanderzusetzen, ob Rabattaktionen auch wirklich die gewünschte Wirkung erzielen.
Sind Preise überhaupt so wichtig? Geht es dem Kunden nicht um das Produkt?
Es gibt eine Reihe von Studien, die ermittelt haben, dass unsere Wahrnehmung von Produkten sich durch Preise tatsächlich verändert, dass der Preis einen sensorischen Einfluss auf unser Gehirn hat.
In einer bekannten Studie aus Kalifornien wurde ein Wein von Weinkennern verköstigt. Gleichzeitig wurden Hirnscans durchgeführt. Zu den vermeintlich verschiedenen Weinen wurden den Probanden zusätzlich Preisinformationen gegeben. Dabei stellte sich heraus: Wenn Sie ein und denselben Wein als teuer deklarieren, dann schmeckt er den Probanden besser, als wenn Sie ihn als günstig deklarieren. Und das stimmt sowohl, wenn Sie die Leute befragen, als auch wenn Sie denen ins Gehirn schauen.
Die Assoziation zwischen Preis und Wahrnehmung ist gelernt, die hat sich ganz tief eingegraben bei uns.
Hat der Preis also immer einen realen Einfluss auf das Kaufverhalten?
Nicht immer, das hängt davon ab, ob Sie den Preis in den Mittelpunkt stellen oder nicht. Wenn Sie den Konsumenten mit der Nasenspitze auf den Preis stupsen und sagen, „Schau mal auf den Preis, lieber Kunde, hier kannst du ein Schnäppchen machen“, dann schon. Ein typisches Beispiel hierfür ist die MediaMarkt-Werbung „Ich bin doch nicht blöd“. Das gilt ebenso, wenn Sie sehr teure Preise in den Fokus stellen.
In vielen Fällen aber, würde ich sagen, wird der Einfluss des Preises vom Verkäufer überschätzt.
Was halten Sie von dynamischen Preisen?
Mit dynamischen Preisen können Sie kurzfristig Volumen abschöpfen, da können Sie für die nächsten vier Monate schon mal durchstarten, wenn Sie der Konkurrenz mit knapp niedrigeren Preisen die Kunden abgreifen.
Aber langfristig trainieren Sie Ihre Kunden darauf, auf den Preis zu achten und verlieren sie dann schnell wieder an das günstigste Angebot. Sie wollen nicht so unprofitabel sein wie Tankstellen, die immer versuchen, sich ganz knapp zu unterbieten. Die verdienen dann am Liter Benzin noch ein paar Mikrocent. Jetzt subventionieren sie sich damit, den Tankenden teure Snacks zu verkaufen. Aber ihr eigentliches Kernprodukt haben sie schon kaputt gemacht.
Heißt das, dass man als Händler mit diesem Lerneffekt vorsichtig umgehen muss?
Absolut. Das Käufergehirn kann man trainieren. Das sieht man zum Beispiel an den Preisen für Flugreisen. Heute akzeptieren wir, dass jeder, der mit uns im Flieger sitzt, für sein Ticket einen anderen Preis bezahlt haben könnte. Der Kunde wurde darauf trainiert, im Internet nach dem billigsten Preis zu suchen. Und jetzt geht eine Airline nach der anderen Pleite.
Auch im Einzelhandel lässt sich das beobachten: Die Textilbranche hat ihre Kunden darauf trainiert, nur noch bei Discountern oder reduzierte Ware zu kaufen. Die Modebranche spürt das jetzt, Kunden suchen nach den billigsten Produkten und schicken diese dann im schlechtesten Fall sogar wieder zurück.
Aber mit einzelnen Preis-Promotions könnten Sie doch neue Kunden anlocken?
Die Frage ist: Wollen Sie das? Sie ziehen so selektiv genau die Kunden an, an denen Sie nie viel verdienen werden.
Schauen wir uns das Beispiel des Baumarkts Praktiker an: Warum ging Praktiker Pleite? Praktiker hat dauernd Promotions gemacht, hat nur über den Preis verkauft. Zu Praktiker gingen die Leute, die extra zwanzig Kilometer fahren, um dort einen Gartengrill im Angebot für 50 Euro zu kaufen. Bei der nächsten Promotion von Praktiker, in der der gleiche Grill jetzt für 35 Euro verkauft wurde, haben sie den Grill zurückgebracht und wollten sogar noch die Differenz von 15 Euro ausgezahlt kriegen.
Wenn Händler selektiv mit Preisangeboten werben, gerade bei teureren Produkten, wird das meines Erachtens problematisch. Bei einem Edeka oder Rewe macht sich das nicht so bemerkbar, da kaufen Sie einen Joghurt oder eine Zahnpasta im Angebot und den Rest ihres Warenkorbs kaufen Sie zum normalen Preis. Oder Sie holen sich von den reduzierten Joghurts gleich acht Stück.
Aber in einem Baumarkt holen Sie in der Regel genau das, woran Sie Bedarf haben. Dann kaufen Kunden eben den reduzierten Rasenmäher und mehr nicht. Da lassen sich Einzelhändler manchmal von der falschen Industrie inspirieren.
Was wäre denn für Sie ein positives Gegenbeispiel?
Schauen Sie mal Hornbach oder dm an. Natürlich gibt es da hin und wieder Angebote, um gewisse Ware von der Ladenfläche zu kriegen, aber die Kunden kommen nicht wegen Preis-Promotions in den Laden.
Was funktionieren kann, ist, wenn Sie wie Aldi oder Lidl ein dauerhaft gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Da weiß der Kunde, hier gibt es Ware einer gewissen Qualität immer ziemlich günstig.
Was würden Sie einem Einzelhändler also raten? Wie soll er mit dem Thema Preisgestaltung umgehen?
Meiner Meinung nach ist die Kunst eines guten Pricings, den Preis so wenig wie möglich in den Mittelpunkt zu stellen. Händler sollten ein tolles Einkaufserlebnis schaffen, eine gelungene Produktpräsentation, und das Vertrauen der Kunden gewinnen.
Erziehen Sie Ihre Kunden nicht zu Schnäppchenjägern. Gegen den Onlinehandel zu bestehen wird schwer genug. Wenn Sie preislich mit Internetanbietern mithalten wollen, ist das, wie mit dem Pferd gegen das Auto anzutreten. Das ist nicht die Zukunft des Einzelhandels.
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