Das soziale Netzwerk nebenan.de ist die größte Nachbarschaftsplattform in Deutschland und seit 2018 können auch lokale Gewerbetreibende Teil der Nachbarschaft auf nebenan.de werden. Seit 2020 veranstaltet die Plattform unter der Initiative "Kauf nebenan!" verschiedene Aktionen zur Unterstützung lokaler Gewerbe. Das spielt vor allem zur jetzigen Zeit eine entscheidende Rolle für Kleingewerbetreibende.
Stefanie Kindler, Projektleitung „Kauf nebenan!", berichtet darüber, wie die Nachbarschaftsplattform Händler dabei unterstützen will, sich digital aufzustellen und welche Bedeutung der lokale Handel in der Zukunft spielen wird.
Frau Kindler, welche Idee steckt hinter der neuen Aktionsseite „Kauf nebenan!“ und wer kann sich hier registrieren?
Stefanie Kindler: Ursprünglich ist das Ganze als Motto gestartet, um lokale Gewerbe zu unterstützen. Bei „Kauf nebenan!“ beschäftigen wir uns mit den Fragen: Wie können wir nachhaltig und langfristig Kleingewerbe, Dienstleister und Freiberufler unterstützen und alle Spieler in unserem „Ökosystem“ zusammenbringen?
Auf der Zusatzseite kaufnebenan.de können sich Händler aus unserem Netzwerk registrieren und erhalten regelmäßig Informationen zu geplanten Aktionen und haben Zugang zu unserem kostenlosen Wegweiser, der “Kauf nebenan!”-Akademie.
Wie findet dieser Austausch statt?
Gewerbetreibende berichten von persönlichen Erfahrungen, vor allem was die Digitalisierung angeht. Zum Beispiel davon, wie sie das kontaktlose Zahlen eingeführt haben und was das für eine Wirkung auf ihre Kunden hatte. Um die Händler weiter in dieser Richtung zu schulen, bieten wir seit Oktober 2020 die „Kauf nebenan!“-Akademie an. Sie gilt als digitaler Wegweiser für unsere Nutzer. Denn wir stellen fest, gerade kleinere Geschäfte suchen bei der Digitalisierung Unterstützung. In der Akademie stellen wir lokalen Gewerbetreibenden kostenlos weiterbildende Inhalte zum digitalen Wandel zur Verfügung, sowohl von uns selbst als auch von unseren Partnern, wie PayPal und DPD beispielsweise. Die Themenschwerpunkte reichen von Netzwerken, der Kundenbindung, bis hin zur Finanzierung, SEO und Keyword-Recherche. Auch gibt es Antworten auf die oft gestellten Fragen: Wie setze ich einen Onlineshop auf? Wie kann ich am besten Kontakt über Portale knüpfen? Welche digitalen Tools brauche ich überhaupt?
Glauben Sie, dass die Pandemie für mehr Solidarität untereinander gesorgt hat?
Ja, absolut, das Miteinander hat sich verändert. Das Engagement auf „nebenan.de“ ist extrem gestiegen. Gerade im ersten Lockdown wurde die Plattform vor allem für Nachbarschaftshilfe herangezogen, die Isolation hat für vermehrten Austausch gesorgt. So war zum Beispiel die Anzahl der Hilfsangebote auf der Plattform im März 2020 zehnmal so hoch wie üblich und im April 2020 doppelt so hoch. Daraus haben sich tolle Ideen ergeben, zum Beispiel wurde von den Balkonen aus Musik für die Nachbarn gespielt.
Wie hat sich die generelle Nutzung von nebenan.de im vergangenen Jahr verändert?
Was die Händler angeht, haben wir bei „nebenan.de“ gemerkt, dass diese die Plattform vermehrt selbst nutzen. Vor allem die Gastronomen, die besonders hart vom Lockdown betroffen wurden, haben die Plattform dafür herangezogen, um ihre Kundschaft zu erreichen und zum Beispiel auf ihren Lieferservice aufmerksam zu machen. Diese Not haben wir sehr schnell bemerkt und dementsprechend zeitnah mit unserer ersten “Kauf nebenan!” Gutschein-Aktion reagiert.
Wie sehen solche Gutschein-Aktionen aus?
Um vor allem die lokalen Gewerbe, die aufgrund er Lockdown-Regelungen schließen mussten, zu unterstützen, haben wir unsere Nutzer zu Gutscheinkäufen oder Spenden aufgerufen. Die Gutscheine sind einlösbar, sobald die Läden wieder geöffnet sind und drei Jahre lang gültig. Das Tolle daran: Unsere Partner haben bei der ersten Aktion die Gutscheinbeträge verdoppelt. Das Ganze war sehr erfolgreich. Insgesamt konnten wir so durch unsere erste Gutschein-Aktion im letzten Frühjahr über 1,2 Millionen Euro Umsatz verbuchen, mit denen wir den Gewerben helfen konnten.
Im November, mitten im Einbruch des Weihnachtsgeschäftes, folgte dann die zweite Gutschein-Aktion, in Zusammenarbeit mit PayPal. Während der Aktionen standen wir sehr eng im Kontakt mit unseren lokalen Gewerben und waren im stetigen Austausch mit unseren Inbound-Teams. Mit beiden Aktionen haben wir insgesamt 1,5 Millionen Euro umgesetzt und konnten somit rund 5.500 Gewerbe unterstützen.
Planen Sie für dieses Jahr weitere Aktionen dieser Art?
Auf jeden Fall arbeiten wir an weiteren Konzepten. Jetzt geht es darum, den Händlern langfristige Unterstützung anzubieten. Ganz aktuell haben wir eine Empfehlungsaktion mit Unterstützung von PayPal ins Leben gerufen, die vor allem das Thema Digitalisierung ins Praktische übersetzt: Nachbarn können lokale Gewerbe dazu einladen PayPal QR-Code als weitere sichere und kontaktlose Bezahlmethode anzubieten. Beide Seiten erhalten bei erfolgreicher Nutzung dieses zusätzlichen Angebots eine Prämie. Denn in einer nebenan.de-Umfrage im März 2021 haben wir herausgefunden, dass über 60 Prozent unserer Nutzer lieber kontaktlos bezahlen möchten, dieses bei vielen Geschäften, Studios und Cafés ums Eck allerdings noch nicht möglich ist. Weitere Ideen sind in Planung - viel verraten kann ich an dieser Stelle noch nicht, aber es bleibt spannend und immer verbunden mit dem Ziel, diese wichtigen Begegnungsorte in unseren Nachbarschaften zu stärken.
Glauben Sie, dass Innenstädte und Gemeinden durch die Lockdowns eine neue Bedeutung für die Kunden bekommen?
Ja, die Gemeinschaft bekommt eine neue Bedeutung, gerade jetzt, wo man sich hauptsächlich in seinem eigenen Umfeld aufhält. Leider sehen wir momentan, wie die ersten lokalen Gewerbe wegfallen. Dadurch ändert sich das Bewusstsein der Leute extrem: Wir alle haben die Erfahrung gemacht, dass wir nicht mehr einfach so ins Café oder Restaurant gehen können – das, was vorher bei vielen die Lebensqualität ausgemacht hat. Denn das ist genau das, was wir auf „nebenan.de“ immer wieder erfahren: Eine Symbiose in den Nachbarschaften zwischen Nachbarn und lokalen Händlern sowie Gastronomen. Das sind wichtige Begegnungsorte für den Austausch.
Damit, dass diese jetzt so drastisch wegfallen könnten, hat keiner gerechnet. Ich denke, dass die Wertschätzung für genau diese Dinge, die nicht mehr selbstverständlich sind, in Zukunft viel größer sein wird. Und gerade Situationen wie unsere Gutschein-Aktionen zeigen ja, wie wichtig den Kunden die Unterstützung der Gewerbe ist.
Sind Plattformen wie Ihre ein Zukunftsmodell für den lokalen Handel?
Ja, weil wir sehr nahe dran sind - sozusagen hyperlokal. Und genau das brauchen gerade auch Kleingewerbe, denn hier treffen sie ihre wirklich relevanten Kunden an. Diesen Kontakt online und offline zu verbinden - das ist unsere Mission. Und darin sehen wir großes Potential, das zeigt die steigende Nutzung unserer Plattform. Und das in beide Richtungen: Nicht nur Händler suchen ihre Kunden. Auch Nachbarn suchen vermehrt nach lokalen Angeboten, weil auch das Bewusstsein für Nachhaltigkeit wächst.
Ich glaube also auf jeden Fall, dass solche Netzwerke wichtig sind, insbesondere, um unsere Innenstädte zu retten, aus denen kleine Gewerbe nicht wegzudenken sind.
Kann der rein stationärer Handel die nächsten 20 Jahre überleben, ohne ein hybrides Geschäftsmodell?
20 Jahre ist natürlich sehr weit gedacht. Ich glaube schon, dass es zukünftig nicht mehr ausreichen wird, reinen stationären Handel zu betreiben. Ja, es muss eine Hybridform geben. Auf dem Weg dorthin dürfen die Gewerbetreibenden aber nicht allein gelassen werden. Es muss begleitende Konzepte geben, Initiativen, Aktionen, und Unterstützung – und das auf allen möglichen Kanälen, staatlich und privat.
Jedes Geschäft ist anders, von der Branche bis hin zur Zielgruppe. Jeder hat andere Bedürfnisse, Probleme und Hindernisse und ich glaube, es ist wichtig, jedes davon einzeln zu beleuchten, um die Händler gezielt unterstützen zu können.
Denken Sie, dass diese angesprochenen Probleme und Hindernisse auch vor Corona schon da waren, und jetzt erst sichtbar wurden?
Corona hat die Sache beschleunigt, absolut. „kaufnebenan.de“ war aber auch vorher schon ein Thema. Wir haben früh bemerkt, dass kleine Händler vor einer großen Herausforderung stehen. Langfristig können sie nicht mit den großen Onlinehändlern konkurrieren, denn sie verfügen nicht über die gleichen Mittel.
Die Pandemie hat die ganze Problematik schließlich immens nach vorne katalysiert und aufgezeigt, wie wichtig das Thema Digitalisierung auch dort ist.