Interview • 04.02.2015

Multichannel-Commerce: Handelsunternehmen müssen sich neu organisieren

Interview mit Dr. Bernhard Blüthner, Geschäftsführender Gesellschafter, SALT Solutions GmbH

Dr. Bernhard Blüthner: Sortimente, Preise, Warenbestände, Kundenkonto – all...
Dr. Bernhard Blüthner: \"Sortimente, Preise, Warenbestände, Kundenkonto – all das muss über alle Verkaufskanäle abgestimmt und realtime-fähig sein.\"
Quelle: SALT Solutions GmbH

Etablierte Einzelhändler tun sich schwer, eine geeignete Multichannel-Strategie zu entwickeln. Gewachsene organisatorische Strukturen und IT-Landschaften, die sich über Jahre hinweg bewährt haben, stehen heute oftmals im Weg. iXtenso.com spricht mit Dr. Bernhard Blüthner, Geschäftsführender Gesellschafter bei SALT Solutions, über die Notwendigkeit der Unternehmen, sich neu zu organisieren.

Herr Dr. Blüthner, das Buzzword Multichannel bewegt die Branche seit über fünf Jahren. Dennoch lässt sich die Anzahl erfolgreicher Beispiele an einer Hand abzählen. Woran liegt das?

Für Aufsehen sorgen vor allem Startups, die von Beginn an ihre interne Organisation, die Prozesse und die IT auf Multichannel-Commerce ausrichten. Die großen Handelsunternehmen ziehen jetzt erst langsam nach. Das liegt zum einen an der Massenträgheit, die unweigerlich in gewachsenen Einheiten die Entscheidungsprozesse charakterisiert: Entscheidungen werden länger abgewogen, bei der Umsetzung sind zahlreiche Akteure beteiligt – oft mit divergierenden Interessen.

Zum anderen lassen sich die bestehenden Anwendungslandschaften nicht mit einem Fingerschnipp auf Multichannel-Commerce umstellen. Manche Technologien und Systeme haben sich über Jahre bewährt und sollen für die Anforderungen des Multichannel-Commerce auf einmal nicht mehr ausreichen? Diese Einsicht setzt sich nur langsam durch.

Wie können etablierte Handelsunternehmen darauf reagieren?

Ein Beispiel, das uns immer wieder in Handelsunternehmen begegnet, ist die organisatorische Trennung zwischen Online-Shop und stationärem Handel. Dafür gibt es jeweils eine Firma mit eigener Führung und separaten IT-Systemen. Natürlich verfolgen diese getrennt voneinander agierenden Einheiten eigene Ziele und setzen dabei auf unterschiedliche Maßnahmen.

So wird Multichannel-Commerce aber kein Erfolg. Bietet ein Händler seinen Kunden beispielsweise Click & Collect, also die Möglichkeit, eine Online-Bestellung in einer Filiale abzuholen, müssen die Prozesse zwischen Online-Shop und Flächenbewirtschaftung miteinander harmonisiert sein. Sortimente, Preise, Warenbestände, Kundenkonto – all das muss über alle Verkaufskanäle abgestimmt und realtime-fähig sein.

Auf Geschäftsleitungsebene gilt es, die Grundlagen für eine Multichannel-Strategie vorzugeben – diese Aufgabe darf nicht in die Unternehmensbereiche delegiert werden. Im Ergebnis entstehen neue Organisationsformen, für die es noch keine „Best Practices“ gibt

Wie können solche Entscheidungsprozesse im Detail aussehen?

Multichannel erschöpft sich nicht in Aufbau- und Ablauforganisation. Entscheidend ist, dass alles automatisiert wird. In diesem Punkt wird die Rolle der IT unterschätzt und diese oft zu spät eingebunden. Die Verzahnung aller Kanäle erfordert die ständige Einbeziehung der IT – in der Organisation und im Service, um im IT-Sprech zu bleiben: Im Backend ebenso wie im Frontend.

Geht es an die detaillierte Ausgestaltung, sollten die Unternehmen keinen Hypes hinterherlaufen, sondern im ersten Schritt genau schauen, was zur Unternehmensphilosophie und auch zur Zielgruppe passt. Es muss ein tatsächlicher Nutzen für die Kundschaft bestehen, wenn man Kunden binden und neue hinzugewinnen möchte.

Welche Eckpfeiler müssen Ihrer Meinung nach eine Multichannel-Strategie stützen?

Kurze Lieferzeiten ohne Versandkosten bieten die Pure Player beinahe konkurrenzlos attraktiv. Zusätzliche Services mit echtem Mehrwert für die Kunden sind entscheidend. Kunden unterscheiden nicht zwischen Online-Shop und Filiale einer Marke: Alle Dinge, die Online möglich sind, sollten auch in der Filiale angeboten werden und umgekehrt. Das Thema Payment kann dabei das Zünglein an der Waage spielen. Denn damit haben Kunden die Freiheit, mit dem von ihnen favorisierten Verfahren zu zahlen – und die Mitarbeiter in der Filiale oder im Kundenservice jederzeit den Überblick zu offenen und beglichenen Rechnungen. Multichannel-Commerce ist kein Selbstzweck, und die notwendigen Investitionen muss man auch stemmen können!

Interview: Daniel Stöter, iXtenso.com

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