Nachhilfe vom Online-Bruder
Wie der stationäre Handel das Messen lernt
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Obwohl der Kunde eine unsichtbare Datenspur im Store hinterlässt, nutzt der stationäre Modehandel diese bislang kaum, um seinen Kundenservice zu verbessern. Das soll sich jetzt ändern.
Der Online-Handel hat nicht nur eine neue Art des Einkaufens erfunden, sondern gleich das passende Controlling dazu. Mit dem Ziel, dem Kunden stets alle Wünsche von den Augen abzulesen. Somit wird der Online-Handel im Fach „Messen & Auswerten“ zum Klassenprimus.
Es gibt fast nichts, das nicht beim Surfen im Online-Shop ausgewertet wird. „Conversion Rate“, „Click-Through-Rate“, „durchschnittlicher Bestellwert“, „Verhältnis neuer vs. zurückkehrender Besucher“, „Absprungrate“ (Bounce Rate) und „Verweildauer im Shop“ sind nur einige der Kennzahlen, an denen der Erfolg der Online-Shop-Aktivitäten gemessen wird. Das wirklich Mächtige dabei: Der Analyse folgt immer auch eine Maßnahme – meist sogar vollautomatisiert.
Und der stationäre Handel? Es wird Zeit für ein paar Nachhilfestunden …
Ohne Echtzeitdaten geht gar nichts
Seit Jahren beklagt sich der stationäre Handel über unpräzise Bestände und nicht aussagekräftige historische Statistiken. Unglücklich über seine Einkaufsentscheidungen auf Basis der Vorjahres- Verkaufszahlen, hätte der Handel gerne Echtzeitdaten und Bestände, mit denen verlässliche, wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen getroffen werden können. Schließlich gilt es hohe Sicherheitsbestände zu vermeiden, um so Kapitalbindung zu reduzieren.
Was aber bedeutet „transparente Bestände“? Reichen die Aussagen, die das Enterprise-Resource-Planning (ERP) bietet, nicht aus? Leider nicht. In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass das ERP einen höheren Bestand aufweist, als auf der Fläche tatsächlich verfügbar ist. Noch dazu handelt es sich nicht um Echtzeitbestandsdaten.
Dieser „Ghost Stock“ bereitet natürlich Probleme im Verkauf. Man glaubt, ein bestimmter Artikel – beispielsweise ein roter Rock in Größe 38 – sei vorrätig, ist er aber gar nicht. Damit kann er weder verkauft werden, noch wird er aus dem Zentrallager nachgefüllt – eine klassische Out-of-Stock-Situation also.
Ähnlich problematisch ist auch der umgekehrte Fall, bei dem das ERP einen niedrigeren Bestand anzeigt, als real verfügbar ist. Ursache für diese Abweichungen ist eine unzureichende Genauigkeit in den einzelnen Prozessen.
Der Einsatz von RFID-Technologie ermöglicht es, Artikel individuell auszuzeichnen und automatisch – das heißt mit enormer Geschwindigkeit – zu erfassen. Intelligentes Artikelmanagement steht auf drei Säulen: Einzelteilidentifikation, Echtzeiterfassung von jeder Warenbewegung und eine vorrausschauende Analyse mit konkreten Handlungsempfehlungen für das Store-Personal. Das sind die Fundamente für hervorragenden Kundenservice und effiziente Prozesse.
Sinnvolle Kennzahlen im Store
Natürlich stehen bei der Messung von Kennzahlen der praktische Nutzen für Store-Betreiber und das Management in der Zentrale im Vordergrund. Drei Bereiche lassen sich dabei zur Erhebung von Daten unterscheiden:
- Kennzahlen zur Bestandsgenauigkeit und -verfügbarkeit
- Kennzahlen zur Kampagnen-Erfolgsmessung
- Kennzahlen zum Customer Engagement & zur Service Qualität
Wie feingranular das Kennzahlen-Gerüst aufgebaut sein muss, ist von der Größe und Anzahl der Stores, der Sortimentstiefe und dem Warendurchfluss abhängig. Und natürlich von den eigenen Zielen: Egal ob fünf oder 800 Stores, die Kennzahlen für die Bestandsgenauigkeit sind für jeden Händler extrem wichtig und stellen in der Praxis heute immer noch eines der Kernprobleme dar.
Gerade einmal zu 75 Prozent ihres Warenbestandes können kleine und mittlere Händler tatsächlich exakte Aussagen treffen. Dies reicht jedoch nicht aus, um die Erwartungen der Kunden an Omnichannel-Services zu erfüllen. Ein Zustand, der durch Bestandstransparenz und entsprechende Kennzahlen, abgestellt werden kann.
Die Artikelverfügbarkeit auf der Fläche – auch als „Planogram Compliance“ bekannt – ist die zweite zentrale Kenngröße. Dabei geht es initial weniger um die exakte Position, sondern mehr um die Tatsache, dass die Ware tatsächlich auf der Fläche ist. Schließlich kann nur Ware, die für den Kunden sichtbar ist, gekauft werden. Dies ist eine Kennzahl, die mit einer Alert-Funktion versehen werden kann, damit eine definierte Mindestverfügbarkeit nicht unterschritten wird.
Über die Artikelverweildauer auf der Fläche bekommen Store-Verantwortliche wichtige Aussagen, ob sie im „Verkaufsplan“ voraus oder zurückliegen.
Der Klassiker im E-Commerce, die Conversion Rate, beschreibt das Verhältnis Website-Besucher zu Käufen. Diese Kennzahl gibt Aufschluss über bestimmte Artikel, die schon im Warenkorb waren, dann aber nicht gekauft wurden. Das war lange Zeit im Store unmöglich zu messen, jetzt entwickelt sich die Fitting Room-Conversion Rate auch hier zur zentralen Kennzahl. Wie viele und vor allem welche Artikel nimmt ein Kunde mit in die Umkleidekabine und welche kauft er dann tatsächlich?
Kennzahlen lassen sich auch zur Steuerung der Service-Qualität nutzen. Die Replenishment-Quote beispielsweise besagt, wie schnell fehlende Ware auf die Fläche gebracht wird. Hingegen beantwortet die Fitting Room-Response Time, wie schnell das Verkaufspersonal Kundenanfragen aus der Umkleide bedient.
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Handlungsempfehlungen für das Store-Personal
Und was kann der Store noch vom Web-Shop lernen? Ganz klar, die schnelle Reaktion nach der Interpretation des Zahlenmaterials. Einen Datenfriedhof braucht niemand. Auf die Analyse muss die Erkenntnis folgen, was konkret zu tun ist. Gute Systeme versehen das Zahlenwerk für Management- und Store-Personal gleich mit automatisierten, konkreten Handlungsempfehlungen. Das spart Zeit bei Entscheidungen, entlastet, und lässt das Store-Personal das Richtige tun.
Kennzahlen sollten also alltagstauglich sein. Visuell eindeutig aufbereitet und selbsterklärend werden sie in klare Handlungsempfehlungen „übersetzt“. Mitarbeiter im Verkauf wird in ihrer Arbeit entlastet, wenn ihnen das System rät, für einen bestimmten Artikel eine andere Platzierung im Store zu wählen, zum Beispiel wenn die Verweildauer auf der Fläche im Vergleich zu anderen Stores zu hoch ist.
Ein anderes Beispiel ist die Warenverfügbarkeit. Die „Recommendation“ vom System an dieser Stelle ist: „Bei Artikel 47699-0010 ist der Mindestbestand erreicht, bitte füllen Sie jetzt 3 Stück nach.“ Das kann den Gang ins Back-Store-Lager oder auch eine automatisierte Bestellung im Hauptlager auslösen. Der Warenfluss ist somit optimiert. Regallücken entstehen erst gar nicht.
Fazit
Dem Filialhandel tun Nachhilfestunden in puncto Analysen und Maßnahmen in jedem Fall gut. Denn nicht nur das Store-Personal profitiert von intelligenten Handlungsempfehlungen, auch das Management erhält über alle Filialen effiziente Steuerungsmechanismen. Entscheidungen werden auf Basis von Echtzeitdaten getroffen und erlauben ein zeitnahes Handeln. Am Ende freut sich der Endkunde über einen erstklassigen Service, der dank der persönlichen und kundigen Beratung im Store den Online-Handel an dieser Stelle sogar übertrifft.
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