Vor einem Jahr haben wir uns mit Thomas Rausch, Sales Director beim Payment-Experten GLORY, über den Einfluss der Corona-Krise auf den Handel unterhalten. Jetzt möchten wir von ihm wissen, wo der Handel heute steht und mit welchen nachhaltigen Veränderungen die Branche auch nach der Pandemie rechnen muss.
Herr Rausch, vor fast genau einem Jahr haben wir uns über Herausforderungen und Potenziale für den Handel in der Krise unterhalten. Was hat sich aus Ihrer Sicht seitdem getan?
Auch wenn die Infektionszahlen derzeit erfreulicherweise zurückgehen: Gewisse Hygieneanforderungen, die aufgrund der Pandemie entstanden sind, haben sich in unserem Alltag gefestigt. Die AHA-Formel und andere Hygienekonzepte befolgen wir mittlerweile instinktiv und Verbraucher sowie Mitarbeitende sind für das Thema sensibilisiert. Um die veränderten Bedürfnisse der Kunden zu erfüllen, sollten Händler daher weiterhin Hygienemaßnahmen beachten und umsetzen. Aber nicht nur die Hygiene in Geschäften und am POS gewinnt an Bedeutung, auch innovative und digitale Geschäftsmodelle wurden im letzten Jahr in rasanter Geschwindigkeit vorangetrieben. Während Lebensmittelhändler mit einer extrem hohen Anfrage zu kämpfen hatte, mussten sich andere Geschäfte, die nicht öffnen durften, alternative Wege überlegen, um zu überleben. Gleichzeitig hat der Online-Handel durch Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren einen großen Aufschwung erlebt. Stationäre Händler stehen jetzt vor der Aufgabe, Kunden wieder für den Verkauf vor Ort zu begeistern und Mehrwerte zu bieten, um Menschen in die Geschäfte und Innenstädte zu locken.
Die letzten Monate haben aber vor allem eines gezeigt: Der Handel muss und möchte zusammenhalten, zusammenarbeiten und gemeinsam wachsen. Daher haben wir im März den GLORY V-SQUARE ins Leben gerufen: Auf der digitalen Plattform können sich Händler zur aktuellen Situation und zur Zukunft der Branche austauschen, Erfahrungen teilen und gemeinsam nach Lösungen in der Digitalisierung und Automatisierung suchen.
Die Landesregierungen lockern nach und nach, der stationäre Handel atmet auf und öffnet langsam die Tore. Wie kann der stationäre Handel jetzt wieder seine Kunden begeistern?
Händler sind derzeit mit unterschiedlichsten Herausforderungen konfrontiert: Während Geschäfte, die erst seit kurzem wieder offen haben, noch an ihrem Hygienekonzept feilen, investieren andere in neue Lösungen, um Kunden erneut in die Läden zu locken. Denn obwohl Menschen immer mehr online bestellen, schätzen sie nach wie vor den Einkauf im stationären Handel. Eine aktuelle YouGov-Studie zeigt, dass die Befragten gerne Geschäfte besuchen, weil sie dort die Waren vor dem Kauf anfassen und testen können. Aber auch das Einkaufserlebnis – insbesondere zusammen mit Freunden – schätzen viele. Die Wahrnehmung, die ein Laden in einem Einkaufszentrum oder der Innenstadt bietet, kann ein Online-Shop so schnell nicht ersetzen. Dieses Potenzial sollte der stationäre Handel auf jeden Fall nutzen und anhand moderner Filialkonzepte den Verkaufsprozess kundenzentriert gestalten.
Mit neuen Technologien können Händler zudem Kunden zahlreiche spannende Services bieten: Das Abheben von Bargeld am POS mittels Cash Back spart den zusätzlichen Weg zur Bank, am Self-Checkout können Besucher in ihrem eigenen Tempo bezahlen und Shop-in-Shop-Lösungen erhöhen die Attraktivität im Lebensmittelhandel. In der Textilbranche können intelligente Umkleidekabinen Kunden beim Anprobieren von Kleidungsstücken beraten, Ihnen Alternativen vorschlagen oder Größen, die nicht verfügbar sind, auf Knopfdruck direkt nachbestellen. Daneben optimieren automatisierte Lösungen wie digitale Preisschilder auch interne Prozesse und sparen so Kosten ein.
Corona hatte daneben Auswirkungen auf unser Bezahlverhalten: In einer von GLORY in Auftrag gegebenen KANTAR-Studie gab jeder Zweite an, während der Krise bargeldlos zu zahlen. Dieses Verhalten entsprach jedoch meist nicht Verbraucherwünschen: 41 Prozent tätigten aufgrund der entsprechenden Aufrufe in den Geschäften ihre Einkäufe mit EC- oder Kreditkarte. Über ein Drittel verzichtet auf Bargeld aus Sorge, sich sonst leichter mit Corona infizieren zu können. Daher verwundert es nicht, dass viele Befragte nach der Pandemie zu ihren früheren Zahlungsgewohnheiten zurückkehren und 41 Prozent wieder bevorzugt bar bezahlen möchte. Scheine und Münzen werden also auch nach Corona eine wichtige Rolle am POS spielen.
Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf das Innovationsverhalten im Handel?
Corona war für die Branche ein Katalysator in der Digitalisierung. Egal ob Lieferservice, Online-Präsenz oder automatisierte Prozesse im Geschäft: Händler mussten sich mit innovativen Lösungen auseinandersetzen und waren gezwungen, neue Wege zu gehen. Dadurch ist auch die Offenheit für technische Lösungen und die Investitionsbereitschaft gestiegen. Aufgrund der neuen Hygieneanforderungen am POS haben zahlreiche Händler zudem nach Lösungen gesucht, die den Bezahlvorgang möglichst hygienisch und reibungslos gestalten – ohne dabei Kunden in der freien Wahl bei der Art der Bezahlung einzuschränken. Hier kann automatisiertes Cash Management einen wichtigen Mehrwert bieten. Die Lösungen lassen sich einfach in das bestehende Ladendesign integrieren. Kunden können Scheine und Münzen direkt in den Automaten einzahlen, dieser prüft das Bargeld auf Echtheit und gibt automatisch das Wechselgeld heraus. Mitarbeitende kommen so nicht mehr mit dem Bargeld in Berührung, was vielen Kunden hygienischer erscheint – gerade, wenn das Personal parallel mit frischer Ware hantieren muss. Außerdem haben die Angestellten am POS dadurch wieder mehr Zeit für den Kunden und Fehlbeträge am Tagesende werden vermieden.
Wenn Sie ein positives Resümee für den Handel aus der Krisenzeit ziehen, welches wäre das?
Die Pandemie war für Händler zweifelsohne fordernd, anstrengend und nervenaufreibend. Sie hat allerdings auch die Digitalisierung in einem unvorstellbaren Tempo vorangetrieben und Akteure in der Branche für ihre Mehrwerte sensibilisiert. Viele der Lösungen, die aus der Not heraus entstanden sind, werden auch nach Corona zahlreiche Vorteile bieten und den Handel nachhaltig verändern – von neuen Kooperationsmodellen und Veranstaltungsformaten über eine engere Verzahnung aus Online- und Offline-Angeboten bis hin zu innovativen Technologien für die kontaktlose Barzahlung.