E-Commerce: Der große Profiteur der Corona-Krise?
Umsätze im Onlinehandel sinken drastisch; neue Geschäftsmodelle zur Kundenversorgung gefragt
Der E-Commerce war zu Beginn der Corona-Krise der große Hoffnungsträger des Einzelhandels. Aktuelle Marktentwicklungen zeigen jedoch, dass diese Annahme nicht haltbar ist. Trotz alledem kommt dem Onlinehandel eine zentrale Aufgabe zu: Er ist Ausgangspunkt eben jener neuen Geschäftsmodelle, die dieser Tage mit viel Kreativität und Unternehmergeist aus dem Boden gestampft werden.
Die neusten Erkenntnisse des Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh) zeigen deutlich, dass auch der Onlinehandel dieser Tage teils hohe Umsatzeinbußen hinnehmen muss. Allein im März 2020 brachen die Umsätze um fast 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein. Tendenz steigend. Einzig die Kategorien, die auch im Einzelhandel stark nachgefragt wurden, verzeichneten zum Teil deutliche Zuwächse: Lebensmittel, Drogeriewaren, Medikamente und Do-it-yourself- beziehungsweise Baumarkt-Sortimente.
Das Onlinefashiongeschäft konnte hingegen bislang nicht profitieren, denn der Onlinehandel kann Einnahmeausfälle schlichtweg nicht in allen Branchen auffangen. Unternehmen wie Zalando oder H&M meldeten daher stark rückläufige Umsätze. Diese Tendenz zeigt sich auch im „Corona Consumer Check“ des IFH Köln. Konsumenten würden nur in Ausnahmefällen ihren stationären Einkauf ins Internet verschieben. So haben lediglich 13 Prozent der Befragten ihren Einkauf in Kalenderwoche 13 über das Internet statt über den gewohnten stationären Handel getätigt.
Jeder zweite E-Commerce-Händler erwartet Umsatzrückgang
Auf Nachfrage des bevh unter dessen Mitgliedsunternehmen berichteten fast neun von zehn Unternehmen (88,3 Prozent), dass sie direkt von den Auswirkungen der Pandemie betroffen seien. 41 Prozent der befragten Unternehmen verzeichneten bereits Nachfragerückgänge, mehr als sechs von zehn erwarten diese im Jahresverlauf. Zudem gehe gut jedes zweite E-Commerce-Unternehmen von Umsatz- und Ergebnisminderung durch Lieferengpässe aus. Gut 50 Prozent der Unternehmen rechneten sogar mit einer temporären Schließung zumindest von einzelnen Produktbereichen im Jahresverlauf.
Um herauszufinden, wie sich der deutsche Markt nach dem Corona-Virus entwickeln wird, hat das eCommerce Competence Center von Arvato Supply Chain Solutions die aktuelle Datenlage mit der Entwicklung in China verglichen und daraus mögliche Szenarien abgeleitet.
Die Analyse „Der E-Commerce Markt nach Corona“ zeigt, dass der Vertrieb von Sportartikeln das Vorkrisenniveau zügig wieder erreichen könnte, sobald die Menschen ins Freie dürfen und Sportvereine sowie Fitnessstudios wieder öffnen. Auch bei Luxuswaren ist eine schnelle Erholung zu erwarten, weil die Kundengruppen weniger finanzielle Einschränkungen durch die Krise erleiden. Auch Marken des Beauty-Segments rechnen mit einer schnellen Erholung und einer deutlichen Verlagerung hin zum Onlinehandel.
Entsprechend lange wird es voraussichtlich dagegen dauern, bis sich der Umsatz des mittelpreisigen Bekleidungssegmentes wieder auf das Niveau vor der Krise erholt, da die Hauptkunden den größten finanziellen Verlust erleiden und den Einkauf zunächst einschränken müssen.
Corona-Krise: Treiber digitaler Geschäftsmodelle
Die Hoffnung, dass der Onlinehandel als großer Profiteur aus der Corona-Krise hervorgeht, scheint damit passé, bestätigt auch Gero Furchheim, Präsident des bevh: „E-Commerce ist heute ein normaler Einkaufskanal. Deshalb wirkt sich solch eine Krise in der Konsumstimmung voll auf unsere Branche aus. Die Behauptung, der E-Commerce würde pauschal als ‚Gewinner‘ aus der Corona-Pandemie hervorgehen, ist schlicht falsch. Richtig ist aber, dass die Chancen des E-Commerce für die Versorgung der Kunden und die Geschäftsmodelle des Einzelhandels neu erlebt werden.“
Das zeigt sich vor allem im Onlinelebensmittelhandel, dem einstigen Sorgenkind des deutschen E-Commerce. So empfinden viele Kunden die Lieferung von Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs in der aktuellen Situation als Erleichterung. Daher stiegen auch die Bestellungen bei Lebensmittelhändlern mit Onlineangeboten und Lieferdiensten wie REWE, Picnic, Food.de oder getnow nachweislich an. „Die Unsicherheiten bezüglich des Coronavirus brechen das gewohnheitsmäßige Einkaufsverhalten in großem Maße auf und setzen den Onlinelebensmittelhandel für viele Konsumenten in attraktiveres, neues Licht“, erklärt Dr. Eva Stüber, Mitglied der Geschäftsleitung am IFH Köln, in einer Pressemeldung.
Die Marktteilnehmer erwarten daher, dass die gestiegenen Nutzungszahlen für den Onlinelebensmitteleinzelhandel auch nach der Corona-Pandemie anhalten. Wenn sich die Kunden erst einmal an das Prozedere gewöhnt und die Vorteile genossen hätten, könnte sich das Online-Einkaufsverhalten stabilisieren, so die Annahme. Zweifellos werden weitere Marktteilnehmer ihre Angebote und Arbeitsweisen entsprechend überprüfen und erhalten jetzt die Chance, neue Konzepte und Ansätze online zu etablieren.
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