Interview • 01.09.2011

„Es gibt keine CRM-Software, CRM sollte in jeder Software sein“

Interview mit Hannes Rambold, CEO MobiMedia Group

Customer Relationship Management (CRM) ist keine Abteilung im Unternehmen, sondern der ganzheitliche Gedanke der vom Kundenwert ausgehenden Unternehmensführung. Nach dieser Maxime fordert Hannes Rambold, dass die für Kundenbeziehungen eingesetzte Software jederzeit die richtige Analyse der Fakten ohne Suchzeiten präsentiert. Nur wenn sie leicht zu bedienen ist, wird sie von den Nutzern auch angenommen. Immer stärker von der Industrie nachgefragt werden laut Rambold spezielle Händlerportale für das CRM via Internet.

 

MobiMedia ist Spezialist für CRM-Lösungen im B2B-Konsumgüterbereich. Auf der EuroCIS haben Sie eine Websoftware für B2C vorgestellt. Wie hängt das Eine mit dem Anderen zusammen?

Für einen überzeugenden Webauftritt B2C, also mit der Zielgruppe Verbraucher, benötigt der Hersteller strukturierte Daten über Verfügbarkeiten auf der Fläche, Zielgruppendefinitionen und Produktinformationen. All das wird im B2B-Bereich gesammelt. Erfahrungen aus dem detaillierten Verbraucherverhalten wiederum fließen in die Analyse der Kollektionsrahmenplanung der Hersteller mit ein. Neu ist das Thema der Koordinierung Online-Verkauf mit dem stationären Handel. Wir benötigen heute ein koordiniertes Vorgehen, da der Verbraucher beide Bereiche nützt.

Was unterscheidet CRM B2B und B2C?

Klassisch gesehen ist CRM immer der Bezug Verbraucher zu Hersteller. Die Organisation der Flächen ist hier nur ein Teilbereich. Wir nutzen heute die Verbraucheranalysen zur Auswahl geeigneter Flächen und für die inhaltliche Gestaltung der Kollektion auf den unterschiedlichsten Flächen. Der Flächenmix moderner Hersteller muss sich der Frage stellen: erreiche ich in jedem Gebiet meine jeweilige Zielgruppe.

In der Bekleidungsindustrie sehen Sie sich als Marktführer. Weitere Schwerpunkte bilden die Schuh-, Sport-, Nonfood-, Uhren- und Schmuckindustrie. Ticken die Branchen ähnlich? Oder müssen die jeweiligen Händler unterschiedlich angesprochen werden?

Die Teilbranchen agieren sehr ähnlich, unterscheiden sich jedoch in vielen gewachsenen Details. Allen gemeinsam ist die Beschäftigung mit modischen Produkten. Daher spielt die Analyse der Zielgruppe, der modischen Entwicklung und der Profilschärfung der eigenen Marke die entscheidende Rolle.

Als Software-Anbieter im Vertriebsbereich müssen wir gewährleisten, dass die modische Aussage einer Marke auf der Fläche auch tatsächlich wahrgenommen wird und umgekehrt die Verbrauchereinstellungen und Tendenzen ins Design zurückfließen. Derzeit bemerken wir den Trend zu mehr einheitlichem Verhalten: Systemvertrieb, herstellereigene Flächen und ein verstärktes Markenprofil – bisher nur bei Modeanbietern gelebt – werden im Sport-, Schuh- und Schmuckbereich immer mehr integriert.

Wie groß ist die Bereitschaft der jeweiligen Händler, spezielle Portale der Hersteller zu nutzen, in denen sie ihre Verkaufszahlen analysieren und Bestellungen verfolgen können?

Soweit die Portale übersichtlich sind und einen starken Warenbezug anbieten, werden sie sehr stark genutzt. Unsere Portale gehen ohne Schulung und ohne PR-Maßnahmen online. Die Nachfrage ist flächendeckend. Diese Werkzeuge sollten aber auch im Vertrieb aktiv genutzt werden. Unsere Kunden kombinieren heute bereits die Vororder im Showroom mit dem Online-Portal und können so die Vorteile aktiv nutzen. Online werden die Ordergespräche vom Handel vorbereitet, Kollektionen vorab bereits gesichtet. Nach dem Ordertermin wird der Auftrag online überarbeitet. Flash-Programme häufen sich, da sie binnen 24 Stunden online präsentiert und abgeschlossen werden können.

Wie technikaffin sind zum Beispiel Schuhhändler oder Juweliere?

Wir haben heute keine Akzeptanzprobleme mehr. Händler sind technisch auf dem aktuellen Niveau. Die Portale und die Software werden ohne Schulung übernommen und genutzt.

Was sind die wichtigsten Entscheidungskriterien bei der Auswahl von CRM-Software?

Entscheidend ist in unseren Branchen der nachhaltige Bezug zur Ware. Wenn Sie an Dienstleistung Ihren Kunden gegenüber interessiert sind, beschäftigen Sie sich mit der Frage der richtigen Ware zum richtigen Zeitpunkt. Wer das am besten macht, macht das Geschäft.

Der zweite Punkt ist die Intelligenz der Software, die es gewährleistet, jederzeit die richtige Analyse der Fakten ohne Suchzeiten zu präsentieren und mit hoher Bedienfreundlichkeit angenommen zu werden. „Wenn die Zahlen sprechen, stirbt die Mode", so eine Aussage aus dem Hause Wöhrl. Im Umkehrschluss hat die Software die Aufgabe Entscheidungshilfen ohne Bedienaufwand zu geben und Kommunikationskanäle zwischen den Playern zu unterhalten.

Mobile Geräte werden für den Vertrieb im Kundenkontakt immer wichtiger. Was erwarten Sie vom iPad? Gibt es nennenswerte Alternativen?

MobiMedia nutzt nun schon seit 1986 mobile Touch-Screen-Systeme! Apple hat mit der neuen Haptik und Bedienung ein neues Zeitalter eröffnet. Das iPad stellt ein Präsentations- und Dialoginstrument dar, das die softwarebasierten Computer ergänzt aber nicht ersetzt. Die Alternativen zum iPad werden kommen, müssen aber in Bedienfreundlichkeit und Haptik noch lernen. Wir erwarten einen zusätzlichen Schub mit dem neuen Betriebssystem Win8 und entsprechende neue Versionen der Browser-Oberflächen. Dann bekommen wir auch alternative Bildschirmgrößen und digitale Arbeitstische, aber auch interaktive Systeme auf den Flächen.

Wie aufwändig ist die Anpassung von CRM-Software für Tablet-PCs oder Smartphones?

Der Aufwand ist abhängig von der Flexibilität der Software-Infrastruktur. Bei MobiMedia haben wir einen denkbar geringen Aufwand. Die ersten integrierten Systeme mit iPad werden im Frühsommer 2011 ausgeliefert. Unsere Kunden können das iPad einfach ergänzen, ohne ihr Vertriebssystem neu aufbauen zu müssen.

Am CRM sind unterschiedliche Stellen im Unternehmen beteiligt. Wie bekommt man Außendienst, Website und Call-Center unter einen Hut?

Hier spielen zwei Faktoren eine Rolle. Erstens: Ein integriertes olap-basiertes Planungssystem regelt einen effizienten Dialog. Zweitens: Für unterschiedliche Arbeitsplätze angepasste Bildschirme und Hardware sorgen für die ausreichende Nutzung der Systeme. Das größte zu meisternde Problem stellen nicht integrierte Systeme in der Infrastruktur der Firmen dar. Die berüchtigten Medienbrüche. Wir betonen immer, es gibt keine CRM-Software, denn der CRM-Gedanke sollte in jeder eingesetzten Software integriert sein. Nur so lassen sich Einsparpotenziale erreichen. CRM ist nun mal keine Abteilung im Unternehmen, sondern der ganzheitliche Gedanke der vom Kundenwert ausgehenden Unternehmensführung.

Die Industrie hat nicht nur den Handel im Blick, sondern auch die Einkaufsverbände. Wie sorgt man für kohärente Daten auf allen Seiten?

Nun, wir arbeiten mit mehreren Fachverbänden zusammen und bringen Herstellerkataloge, begleitende Informationen, Aufträge und Handelswarenwirtschaften zusammen. Allein bei unserem Kunden Intersport arbeiten wir mit mehreren hundert Herstellern und über tausend Händlern mit einem einheitlichen System. Die Lösung des gordischen Knotens "wie passen individuelle Kataloge mit Standards zusammen" liegt in der Bescheidenheit. Nur gleichartige Informationen lassen sich standardisieren. Individuelles läuft weiter individuell und muss beim Ordervorgang zwischen den Systemen notfalls manuell gemappt werden. Allerdings liegt dahinter auch immer eine individuelle Entscheidung des Einkäufers.

Beispiel Sporthandel: Der Dachverband der Sportartikelhandelsverbände in Europa, die FEDAS, will für leichten elektronischen Datenaustausch der Sportartikelbranche sorgen. Kleine Händler kämpfen stets mit der IT. Sind sie die Problemkinder im System?

Gerade der Sportbereich tut sich leicht, nachdem sich FEDAS mit ihrer Warengruppeneinteilung durchsetzen konnte. Wir sehen für kleine Händler keine besonderen Probleme. Soweit kleine Händler branchenspezifische Warenwirtschaftssysteme einsetzen oder die Mitgliedschaft in einem Fachverband nutzen, haben sie alle Möglichkeiten des digitalen Datenaustausches ohne spezielle Kenntnisse. Der Versuch, mit eigens „gestrickter“ Software Datenaustausch zum Billigtarif zu bekommen, kann allerdings nicht gutgehen.

MobiMedia war mit einem roten Doppeldeckerbus auf der EuroCIS. Wie war die Messe aus Ihrer Sicht? Wofür interessierten sich Ihre Besucher?

Der Doppeldecker sollte zeigen, dass MobiMedia in der Software immer auch Emotionen auslösen möchte. Software kann auch begeistern. Ich denke, dies ist uns gelungen. Die Besucher folgten uns in der Überzeugung, dass gute Systeme immer auch motivierend wirken. In erster Linie konnten wir viele Interessenten für unser Händlereinkaufstool MobiWaves begeistern, das diese Tage online geht. Große Handelsorganisationen arbeiten an der koordinierten Organisation ihrer Flächen. So standen Planungssysteme, digitaler Dialog über vernetze digitale Werbe-Screens und iPads, sowie die Datenversorgung eigener Webshops über Produktinformationsmanagement – PIM – im Vordergrund.

Welche Trends sehen Sie in Sachen CRM und Vertriebs-IT in den nächsten Jahren?
Wir sehen den Trend in der Nutzung verteilter intelligenter Datenbanken, die in Kombination mit CRM-Systemen individuelle userorientierte Informationen auf der Fläche bieten, die zentral steuerbar sind. Hört sich unverständlich an. Daher ein Beispiel: Ein Kunde - ob im Web oder auf der Fläche - erhält künftig Informationen über das Warenangebot, das auf seine Bedürfnisse exakt zugeschnitten ist. Also Ware, die seinem Profil entspricht, die auch immer verfügbar ist, die zum heutigen Wetter passt und so weiter. Diese Info läuft nur auf selbsterklärenden Systemen und sie ist in jedem Fall visualisiert, mit möglichst wenig Text. Also wir werden unser Business visualisieren.

Und was ist vielleicht nur ein Hype?

Ein schnell verlandender Hype sind proprietäre Systeme, die nicht mit der umfänglichen IT-Landschaft vernetzt sind, sowie Systeme, die keine individuellen und aktuellen Informationen filtern können, also vergangenheitsorientiert sind.

Interview: René Schellbach, Erstveröffentlichung: EuroCIS.com

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