Facebook, WhatsApp und Co. beeinflussen maßgeblich unser Kommunikationsverhalten. Mit der Freischaltung von Messenger-Diensten für Unternehmen werden sie wohl langfristig auch den Online-Handel verändern. War früher noch die One-to-Many-Kommunikation üblich, etabliert sich hier zunehmend die One-to-One-Kommunikation. Der eCommerce befindet sich auf dem besten Weg zum Conversational Commerce.
iXtenso fragte bei Caroline Langer, International Marketing Manager bei iAdvize, nach, inwieweit Messenger die Online-Kommunikation zwischen Kunden und Händler verändern und welche Rolle Bots dabei spielen könnten.
Frau Langer, umfasst das Thema „Conversational Commerce“ eigentlich nur Messenger-Dienste?
Caroline Langer: Conversational Commerce wurde zum Buzz-Thema durch den Facebook-Messenger. Es beinhaltet aber grundsätzlich das Prinzip, dass Unternehmen in den Dialog mit dem Kunden treten und dass dieser auf einer One-to-One-Ebene stattfindet. Diese kann auch über Funktionen wie „Chat“, „Call“ oder „Video“, die auf einer Webseite integriert sind, ausgeführt werden. Oder aber eben in den sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook. Das sind jede Menge Kanäle, die das Thema Conversational Commerce abdecken und zu dieser Art der Dialogform im eCommerce beitragen.
Mit welchen Herausforderungen sehen sich Händler an dieser Stelle konfrontiert?
Langer: Für Unternehmen und besonders für kleine Händler ist es eine große Herausforderung, all diese Kanäle unter Dach und Fach zu bekommen. Deswegen stellen wir von iAdvize eine Plattform zur Verfügung, die diese zentralisiert und für den Kundenberater, den Community Manager, und all diejenigen, die die Kontakte bearbeiten, nutzbar macht. Die Kanäle werden in einer Agentenkonsole vereint, sodass die eingehenden Kontakte zwar mit dem entsprechenden Kanal markiert, aber an ein und derselben Stelle angezeigt werden.
Das heißt, der Berater selber kann die Anfragen deutlich schneller und effizienter bearbeiten und muss nicht immer zwischen den einzelnen Kanälen hin und her wechseln. Gerade bei Messenger-Diensten ist es wichtig, dass die Anfragen an die richtigen Ansprechpartner weitergeleitet werden. Unsere Plattform bietet daher die Möglichkeit, die Kontakte den richtigen Experten zuzuordnen.
In einer Pressemitteilung hieß es vor Kurzem, dass Facebook seinen Messenger für Unternehmen freigeschalten habe. Wird der Facebook-Messenger direkt auf der Webseite des Anbieters integriert oder läuft weiterhin alles über Facebook?
Langer: Bei unserem Kunden voyages SNCF haben wir die Messenger-Funktion auf der Webseite integriert. Der Kunde wird aber zu Facebook weitergeleitet und verlässt somit die Anbieterseite. Im Messenger selbst tritt der dann trotzdem direkt in Kontakt mit dem Händler. In der Anwendung sieht das dann wie folgt aus: Der Kunde befindet sich zunächst auf der Webseite, bucht eine Reise und kann dann entscheiden, ob er die Bestätigung per E-Mail oder über den Messenger erhalten möchte. Entscheidet er sich für den Messenger, erhält er die Bestellbestätigung und alles, was die Reise betrifft, direkt auf das Smartphone. Außerdem kann der Kunde jederzeit direkt mit dem Anbieter in den Dialog treten. Anstatt den Kundenservice anzurufen oder eine E-Mail zu schreiben, können die Kunden direkt auf die Bestellbestätigung antworten. Das ist für den User sehr angenehm, da alle Informationen an einem Ort zur Verfügung stehen. Für das Unternehmen ist es interessant, weil der Messenger einen direkten Kontakt zum Kunden darstellt. Somit wird die Kundenbindung erhöht. Denn der Kontakt bricht nicht so schnell ab, wie es beispielsweise im Chat auf der Webseite der Fall sein kann.
Die Chatfunktion auf der Webseite kann für einen Kunden also auch frustrierend sein?
Langer: Ein Chat kann natürlich eine frustrierende Erfahrung sein, denn der Kunde erwartet eine direkte Antwort auf seine Frage. Deswegen haben wir es bei einem Telekommunikationsanbieter so gelöst, dass der Chat nur angezeigt wird, sobald ein Kundenberater verfügbar ist. Ist gerade kein Berater erreichbar und der Kunde trotzdem in einer kritischen Lage, können ihm andere Kontaktmöglichkeiten wie zum Beispiel der Messenger angeboten werden. Dafür werden verschiedene Regeln im System hinterlegt.
Können Kundenberater mehrere Kunden gleichzeitig bedienen?
Langer: Das ist möglich und vor allem auch wichtig. Technologisch gesehen können bis zu sechs Unterhaltungen unabhängig vom Kanal, also Messenger, Chat oder Twitter, in unserer Plattform bearbeitet werden. Wir empfehlen aber drei Chats, um die Qualität beizubehalten und die Effizienz zu steigern. Die Unterhaltung dauert zwar etwas länger – im Vergleich zu einem telefonischen Gespräch – aber dafür laufen mehrere Gespräche parallel. Je nach Anbieter liegt die Zeitspanne zwischen fünf und acht Minuten, da das Produkt natürlich auch erklärt werden muss.
Wie steht es um das Thema Datenschutz? Vor allem Facebook wird hier immer sehr kritisch beäugt.
Langer: Das Datenschutzrecht gilt ab dem Moment, in dem ein Nutzer eindeutig identifizierbar ist. In erster Linie ist es wichtig, dass der Kunde selbst entscheidet, welche Daten verwendet werden und wer darauf zugreifen darf. Das ist die Basis des deutschen Datenschutzrechtes. Es braucht außerdem eine eindeutige Zustimmung des Kunden, dass die Daten an den Anbieter weitergegeben werden dürfen. Er bestätigt die Datenschutzbedingungen dann über ein Opt-in, das rein datenschutzrechtlich Pflicht ist. Dem Kunden muss allerdings bewusst sein: In dem Moment, in dem er Daten im Messenger erhält oder weitergibt, werden diese im Messenger, also bei Facebook, gespeichert. Die Händler selbst müssen Datenschutzfragen vertraglich direkt mit Facebook regeln.
Stellen Sie als Dienstleister auch Bots zur Verfügung oder werden diese spezifisch von Facebook verantwortet?
Langer: Facebook stellt einen Bots-Store zur Verfügung. Dieser ist auf der diesjährigen F8-Konferenz in San Francisco vorgestellt worden. Jeder, der sich in diesem Store anmeldet, hat die Möglichkeit, ein eigenes Bot zu entwickeln. Bisher wird viel getestet und ausprobiert, es gibt aber nur wenige, die den Bot im eCommerce einsetzen. Ein Beispiel wäre hier der amerikanische Modehändler Spring. Was wir langfristig als Chance sehen, ist die Mischung aus Bots und dem Kundenservice im Hintergrund, denn ein Bot kann nur 30 Prozent der Anfragen bearbeiten. Sobald die Fragen präziser werden, einen Rechtschreibfehler enthalten oder die Frage noch nie gestellt wurde, muss natürlich ein Berater im Hintergrund sein.
Ist in diesem Zusammenhang Artificial Intelligence ein Thema?
Langer: Auf jeden Fall. Aber man sieht an den Tests, die bereits ausgeführt wurden, dass die Technologie noch nicht ausreicht, damit der Bot Fragen selbständig beantworten kann. Microsofts Bot „Tay“, der im Frühjahr 2016 gelauncht wurde, kann hier als Negativbeispiel genannt werden. Tay sollte auf Twitter von seinen Nutzern lernen. Leider brachten diese ihm sexistische und rassistisches Gedankengut bei, sodass Microsoft das Bot bereits nach 24 Stunden wieder offline nehmen musste. Das zeigt, dass das Thema Bots und Artificial Intelligence noch ganz am Anfang steht, aber ein immenses Potenzial dahintersteckt.
Messenger wie kik oder WeChat sind in Deutschland eher unbekannt. Welche Messenger werden von Online-Händler präferiert und gibt es länderspezifische Unterschiede?
Langer: Ja, es gibt teilweise sehr große Unterschiede. Innerhalb Europas sind es vor allem WhatsApp und Facebook. Der Facebook-Messenger ist in Frankreich sowie den südlichen Ländern beliebter, während WhatsApp in Deutschland und den nördlichen Ländern attraktiver ist. Das hat einen ganz einfachen Grund: WhatsApp gehörte bis vor zwei Jahren noch nicht zu Facebook. Viele nutzten daher nur den WhatsApp-Messenger und nach dem Kauf von Facebook hat sich das nicht groß geändert.
Ganz anders sieht es dahingegen in China aus. Dort hat sich WeChat etabliert. Das Land ist hier wirklich ein Vorreiter, wenn man sich anschauen möchte, wie die Zukunft aussieht, denn dort kann bereits über den Messenger gezahlt werden. Die Bezahlfunktion ist in der App integriert. WeChat interagiert mit allen anderen Apps und funktioniert wie der Internetbrowser. Die Chinesen reservieren Restaurants, buchen Reisen oder bezahlen ihren Einkauf via WeChat. In Europa steht diese Technologie noch ganz am Anfang.