Neuromarketing: Welche Erkenntnisse nützen Online-Shops?

Menschliche Aspekte im Kaufprozess lassen sich auf das Internet übertragen

Beim Neuromarketing werden Hirnforschung und Psychologie mit dem Marketing...
Beim Neuromarketing werden Hirnforschung und Psychologie mit dem Marketing verknüpft.
Quelle: Haufe-Lexware GmbH & Co. KG
Der Einkauf im Supermarkt umfasst selten ausschließlich die Artikel des Einkaufszettels - dass wir uns häufig zu Spontankäufen verführen lassen, ist dabei aber nicht nur unserer Disziplinlosigkeit zu verdanken. Geschickte Produktplatzierung, die richtige Aufmachung der Verpackung und die passende Hintergrundmusik regen zum Kaufen an.

Geben solche Maßnahmen bei der Kaufentscheidung den entscheidenden Einfluss, war Neuromarketing am Werk. Die Erkenntnisse dieses Forschungszweigs nützen auch Betreibern von Online-Shops. Wie lässt sich dort der Umsatz steigern?

Neuromarketing bringt Hirnforschung in das Marketing ein

Unter Neuromarketing wird die Verknüpfung von Hirnforschung und Psychologie mit dem Marketing verstanden. Konkret werden bestimmte Assoziationen, die bei der Betrachtung von Logos oder Gesichtern geweckt werden, mit Hilfe eines Kernspintomografen sichtbar gemacht. Dadurch lassen sich keine Gedanken lesen; sehr wohl kann aber erkannt werden, ob eine eher rationale oder emotionale Verbindung zu einem Produkt besteht. Aus Sicht des Herstellers ist das "Haben-wollen"-Gefühl natürlich äußerst wünschenswert - dann ist der Kunde automatisch weniger preissensibel und kritisch.

Verantwortlich ist dafür der "Nucleus accumbens", umgangssprachlich häufig auch als Belohnungszentrum des Gehirns bezeichnet. Dadurch neigen wir zu Impulskäufen, die vom Kontrollzentrum des Gehirns nicht rechtzeitig unterdrückt werden. Der Vorteil der Messung der Gehirnwellen besteht in der vergleichsweise hohen Zuverlässigkeit: Müssten die Probanden stattdessen einen Fragebogen ankreuzen, würden die Antworten keinesfalls ehrlich ausfallen. Kaum jemand gibt freiwillig zu, vom Marketing beeinflusst zu werden und unnütze Dinge anzuschaffen. Den meisten Menschen dürfte dieser Aspekt zudem kaum bewusst sein.

Rabattschilder locken zum Kauf
 
Die Fachliteratur zum Thema ist umfangreich - hier eine Auswahl auf dem 8....
Die Fachliteratur zum Thema ist umfangreich - hier eine Auswahl auf dem 8. Neuromarketing Kongress am 23. April 2015 in München.
Quelle: Haufe-Lexware GmbH & Co. KG
Eine der gesicherten Erkenntnisse besteht darin, dass Rabattschilder den Konsum befeuern. Was Händler an ihrem Umsatz leicht feststellen, wird von Neurologen bestätigt: Locken vermeintliche Preisnachlässe, lässt die Aktivität der Kontrollregion im Gehirn nach. Das Gefühl, eine Ware für einen geringeren Preis zu bekomme, als sie eigentlich wert ist, regt viele Menschen direkt zum Kaufen an - unabhängig davon, ob es sich tatsächlich um ein Schnäppchen handelt. Ebenso bekannt ist, dass Gesichter leichter in Erinnerung bleiben als Markenlogos; Letztere werden zudem weniger stark mit Emotionen verknüpft. Weiterhin ist das Image einer Marke wichtig: Bei Blindverkostungen rangiert Pepsi-Cola häufig vor Coca Cola. Ist der Markenname bekannt, ändert sich auch die Meinung der Mehrheit.

Umsatzstarker Online-Shop: Konzentration auf das Wesentliche

Wie lassen sich diese Erkenntnisse aber für das Online-Shopping nutzen? Ein wesentliches Problem der heutigen Zeit besteht in der Reizüberflutung, die es grundsätzlich erschwert, sich von der Konkurrenz abzusetzen. Dass dies dennoch möglich ist, zeigt beispielsweise der kanadische Online-Shop shopshoeguru.com: Jeder der dort verkauften Schuhe wird bildschirmfüllend wie ein Heiligtum präsentiert; die Bedeutung damit überhöht - wer sich für Schuhe interessiert, dürfte schnell schwach werden. Ein Vorteil des E-Commerce besteht in umfangreichen technischen Möglichkeiten, die heute auch online ein ganz besonderes Einkaufserlebnis ermöglichen.

„Die statische Website hat ausgedient. Die Zukunft gehört dem interaktiven...
„Die statische Website hat ausgedient. Die Zukunft gehört dem interaktiven Kauferlebnis“, so Ralf Pispers in seinem Buch "Neuromarketing im Internet".
Quelle: Haufe-Lexware GmbH & Co. KG

Das Buch "Neuromarketing im Internet" von Ralf Pispers und Joanna Dabrowski legt hierauf das Hauptaugenmerk: "Wir können interaktive (Video-)Dialoge realisieren, die es mit dem klassischen Point of Sale locker aufnehmen. Sprich: Menschliche Aspekte im Kaufprozess lassen sich vollständig auf das Internet übertragen." Aufgrund der Erkenntnis, dass eine Kaufentscheidung zu 95 Prozent emotional getroffen wird, sprechen sich die Autoren gegen langweilig gestaltete Online-Shops aus. Ebenso ist eine Reduzierung auf das Wesentliche sinnvoll - der emotionale Blick auf das Produkt geht schnell verloren, wenn Unmengen an Features und Angebote um den begrenzten Darstellungsplatz kämpfen.

Aus rationeller Sicht mag es naheliegend erscheinen, dem Kunden eine möglichst große Auswahl des Sortiments zu präsentieren, in der Hoffnung, dass er sich für ein bestimmtes Produkt interessiert. Tatsächlich fühlt er sich dann schnell überfordert; das Kontrollzentrum im Gehirn nutzt diese Unsicherheit um vom Kauf Abstand zu nehmen. Umsatz und Response lassen sich also durchaus steigern, indem die Webpräsenz nach den Erkenntnissen des Neuromarketings überarbeitet wird - herumgesprochen hat sich das allerdings noch nicht überall.

Autor: Manfred Hilscher, freier Redakteur

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