Unstrittig ist, dass der Einzelhandel immens unter der Corona-Krise und den damit einhergehenden wirtschaftlichen Folgen zu leiden hat. Während in den Metropolen und Großstädten die Einkaufsbereitschaft der Kunden wegen der vorherrschenden Einschränkungen noch zu wünschen übriglässt, scheint in Kleinstädten derzeit überraschende Konjunkturstimmung aufzukommen. Bei aller Euphorie mahnen jedoch die Experten: Es handelt sich um eine Momentaufnahme.
Vielerorts beklagten deutsche Kleinstädte schon vor der Corona-Pandemie die zunehmenden Leerstände von Verkaufsflächen. Vom „Aussterben des Einzelhandels“ war die Rede. Wenngleich sich nicht alle Unternehmen diesen Herausforderungen in gleichem Maße stellen müssen. Der kleine Krämer an der Ecke ist oftmals operativ und strategisch nicht annähernd so gut aufgestellt, wie etwa die global agierende Modekette oder der Elektronikfachhändler. Und dennoch sitzen sie in einem Boot. Denn, nur der passende Anbieter-Mix – eben aus Krämerladen und breit aufgestellten Handelsketten – bietet oftmals die Attraktivität, die uns Menschen in die Verkaufsflächen und letztlich an die Kassen lockt.
Man könnte nun meinen, für die Verkäufer in jenen Kleinstädten habe sich die Lage durch Corona zusätzlich massiv verschärft. Doch das Gegenteil scheint aktuell der Fall zu sein. „Im Moment erfreuen sich die Händler in vielen Kleinstädten einer erstarkten Kundenfrequenz“, betont Andreas Grüß, Geschäftsführer bei der LÜHRMANN Gruppe. „Die Menschen gehen in diesen Tagen vermehrt regional, wortwörtlich vor der eigenen Haustür einkaufen“, konstatiert er.
Die Einschränkungen im öffentlichen Leben und die Maskenpflicht beim Shoppen trübe zwar die Kauflaune, wenn es darum geht, weitere Strecken auf sich zu nehmen, um etwa das vielfältigere Angebot wahrzunehmen, das in Großstädten geboten wird. Bestärke aber mutmaßlich das Gefühl der Konsumenten, mit ihrem Einkauf den regionalen Handel stärken zu können.
Gleichwohl dürfe man bei dieser Annahme nicht vergessen, dass der derzeit stark dezidierte Tourismusstrom in den Metropolen massiven Einfluss auf die Statistiken und die Einschätzungen der Experten nehme. Der Vergleich zwischen Klein- und Großstädten hinke daher ein wenig, aber die Kernaussage bleibe: „Die kleineren Städte sollten die positive Entwicklung dazu nutzen, um sich dem Konsumenten mit innovativen Handels- und Innenstadtkonzepten zu präsentieren“, betont Andreas Grüß.
Sobald sich der Einkaufsalltag einigermaßen normalisiert und die Einschränkungen weitestgehend zurückgefahren wurden, müsse allerdings damit gerechnet werden, dass die Menschen wieder in alte Gewohnheitsmuster verfallen und es sie wieder vermehrt in die Großstädte und Metropolen zieht. Dorthin, wo meist ein noch besseres Einkaufserlebnis geboten wird.
Gut beraten seien daher die Verantwortlichen in den Kleinstädten, diese Momentaufnahme der guten Stimmungslage jetzt als Chance für eine Optimierung ihrer Verkaufskonzepte zu verstehen und das Thema „nicht auf die lange Bank schieben“, empfiehlt Grüß. Welche Ansprüche der Kunden gilt es in besonderem Maße zu fördern? Welche Mobilitätskonzepte der Zukunft sind vielversprechend und eine passende Lösung für die vorhandene Infrastruktur? Auf welchen Anbieter-Mix und welches Produktportfolio sollte man setzen? Diese und viele weitere Fragen gilt es zu klären. „Nicht alle Kleinstädte werden die passenden Antworten auf diese Fragen finden“, bedauert Andreas Grüß. Doch dort, wo die Zusammenarbeit zwischen lokalem Handel, Wirtschaftsverbänden und Politik, gut funktioniere, stünden die Chancen gut, dass man im Schulterschluss mit allen Beteiligten geeignete Konzepte etabliere.