Mobile Devices schaffen eine neue Art der Verbindung zwischen Kunde und Händler. Informationen und Angebote können von beiden Seiten jederzeit und überall abgerufen werden. Warum aktuelle Lösungen eine Erhöhung der Kundenbindung und neue Services im Store ermöglichen sowie welchen Nutzen der Händler daraus ziehen kann, wenn seine Kunden diese Angebote nutzen, erklärt Sven Tollmien, Director Innovation Services bei den Trendanalyse-Spezialisten von TrendONE, im aktuellen Interview.
Welche neuen Lösungen sind aktuell am Markt, mit denen Händler ihre Kunden im Store erreichen und idealerweise auch eine stärkere Kundenbindung erzeugen können?
Aktuell ist Couponing ein ganz großes Thema. Erfolgreich sind daher auch umfassende Couponing-Lösungen wie in den USA zum Beispiel Shopular, welche als „Sammelbecken“ für die digitalen Coupons verschiedener Anbieter fungieren. Ein wichtiges Feature ist dabei die Selektion. Das heißt, dem Kunden werden ortsgebunden direkt am POS nur die gerade für ihn relevanten und verfügbaren Gutscheine angeboten. Mit diesen Lösungen können sich die Händler und auch einzelne Marken natürlich gut positionieren und Kaufanreize schaffen.
Spannend sind außerdem auch Lösungen, die nicht nur die „Kunde-Händler-Beziehung“ sondern auch die „Kunde-Kunde-Beziehung“ intensivieren. Ein Beispiel ist Greentape. Die App fungiert als Plattform, auf der Empfehlungen und Infos zu bestimmten Produkten innerhalb der Nutzercommunity geteilt werden. Aber auch der Händler kann diesen Service ganz gezielt nutzen, um Kunden in den Laden zu bringen.
Welche Rolle spielen mobile Devices bei der aktuellen Entwicklung?
Die mobilen Geräte sind natürlich der Türöffner in die digitale Welt des Händlers. Falls der Kunde es wünscht, kann er auf seinem Endgerät jederzeit Zusatzinformationen und aktuelle Angebote, etc. abrufen. Das spannende an der aktuellen Entwicklung ist aber insbesondere die Bidirektionalität. Der Kunde vernetzt sich quasi mit dem Laden. Er wird nicht nur passiv vom Händler mit Informationen besorgt, sondern diese fließen auch vom Kunden zurück zum Händler.
Denn eines wird gerade in Deutschland - wo das Thema Datenschutz für viele besonders große Bedeutung besitzt - oft vergessen: Auch hier kann der Händler natürlich Daten sammeln, allerdings meist unpersonalisiert. Dazu gehört zum Beispiel auch die Laufwegeverfolgung im Laden. Aber auch personalisierte Daten können natürlich gesammelt werden. Denn wenn der Kunde die entsprechenden Anwendungen nutzt, gibt er auch freiwillig Daten an, zum Beispiel welche Produkte ihn interessieren. Das liefert dem Händler natürlich auch verwertbare Informationen.
Mobilgeräte sind aber auch auf Händlerseite wichtig. Die Kunden sind heute die permanente Verfügbarkeit von Informationen gewöhnt. Daher wird es schnell als schlechter Service empfunden, wenn ein Mitarbeiter zum Beispiel auf Nachfrage erst ins Lager gehen muss um zu prüfen, ob das gewünschte Produkt noch vorrätig ist. Viele Einzelhändler – wie zum Beispiel Apple – rüsten ihre Verkäufer daher ebenfalls mit mobilen Geräten aus, so dass sie schnell und direkt im Gespräch alle für den Kunden wichtigen Informationen abrufen können. Mit der richtigen Anwendung kann er dann auch Produkte in die Filiale bestellen oder dem Kunden direkt nach Hause liefern lassen. Das sind Services, die der Kunde als echten Mehrwert empfindet.
Wie kann eine umfassende Kundenansprache über alle dem Händler zur Verfügung stehenden Kanäle realisiert werden?
Viele denken immer noch, dass Kundenkommunikation immer nur in eine Richtung, nämlich vom Händler zum Kunden hin, verläuft. Aber es gibt heute eben auch immer mehr Anwendungen und technische Innovationen, die dem Händler Zusatzinformationen über seinen Kunden bringen. So wird zum Beispiel die Verfolgung und Analyse der Laufwege der Kunden im Store immer einfacher, da das Tracking zum Beispiel über das WLAN-Netz funktioniert.
Das sammeln von Daten ist eigentlich auch der entscheidende Faktor für die Kundenbindung. Denn wenn der Händler Informationen darüber hat, was den Kunden eigentlich genau in seinen Laden treibt und welche Produkte ihn besonders interessieren, kann er natürlich auch sein Angebot weiter optimieren.
Viele Händler denken immer noch zu sehr in „Kanälen“, unterscheiden also ganz klar zwischen print, Online, Mobile und PoS. Der Kunde denkt aber selbst eben nicht in Kanälen sondern eher an die verschiedenen Touchpoints, die er nutzen kann. Das heißt ich muss als Händler nicht nur darauf achten, jeden einzelnen Kanal zu bedienen, sondern ich muss darüber hinaus auch die unterschiedlichen Anforderungen der Touchpoints verstehen. Wenn ich zum Beispiel sage „Mobile ist ein Kanal“ muss ich auch daran denken, dass dieser Kanal wieder viele unterschiedliche Touchpoints beinhaltet, je nachdem, wo und in welcher Situation der Kunde das Mobilgerät nutzt.
Eine umfassende Ansprache des Kunden funktioniert über die Vernetzung der Touchpoints. Wenn zum Beispiel ein Produkt im Laden nicht verfügbar ist kann ich dem Kunden die Bezahlung mit seinem Smartphone anbieten und ihm das Produkt am nächsten Tag nach Hause liefern lassen. Damit bewege ich mich eigentlich nicht mehr im klassischen POS-Kanal sondern im Bereich Mobile, habe den Kunden trotzdem aber am POS beraten und ihm dort auch das Produkt verkauft.
Welche neuen Services können Händler den Kunden durch die technologische Entwicklung anbieten?
Ein ganz wichtiges Thema ist die zunehmende Individualisierung, die sich sowohl bei Preisen als auch bei Services, der Kundenansprache und sogar dem Produktangebot wiederspiegelt. Und das in allen Kanälen. Aus den auf vielfältige Weise generierten Daten lässt sich das individuelle Einkaufsverhalten relativ gut vorhersagen und bietet dem Handel einen Anknüpfungspunkt für die direkte, individuelle Kundenansprache. Auch die persönliche Beratung kann hiervon profitieren. Ein Beispiel: Benötigt der Kunde für einen besonderen Anlass ein neues Kleidungsstück, kann er sich auf dem Smartphone einen Überblick über das Angebot verschaffen und inspirieren lassen. Hat er etwas gefunden das ihm gefällt, kann er es über dieselbe Anwendung in die Filiale seiner Wahl schicken lassen und einen Termin zur Anprobe vereinbaren. Das ermöglicht dem Verkäufer, sich auf das Verkaufsgespräch vorzubereiten und im Idealfall (ergänzt durch weitere Daten wie das vorherige Einkaufsverhalten) dem Kunden passende Alternativen anzubieten. So empfindet der Kunde die Beratung und den Service am PoS als persönlicher und individueller und es wird ein besonderes Einkaufserlebnis geschaffen.
Ihr Vortrag auf dem „Mobile Gipfel 2013“ stand unter dem Titel „Living in a Post-Digital Era – was kommt nach Digital?“. Können sie einen kurzen Ausblick auf die Trends geben, die die Kommunikation zwischen Händler und Kunde in den nächsten Jahren bestimmen/verändern werden?
„Post-Digital“ bedeutet im Kern, dass die Differenzierung zwischen Analog und Digital einfach wegfällt und diese beiden Bereiche sich immer mehr vermischen. Beim Händler ist alles – von den Produkten über die Regale und so weiter – von einer „digitalen Sphäre“ umgeben, auf die der Kunde zugreifen kann. Er erhält Empfehlungen, Informationen und neue Möglichkeiten, den Kaufprozess durchzuführen und mitzubestimmen. In Zukunft wird die Integration des digitalen noch normaler und selbstverständlicher sein, als es heute schon teilweise der Fall ist.
Gerade in der Filiale ergeben sich durch die Verbindung von On- und Offline-Aspekten sowohl für den Händler als auch für den Kunden neue Interaktionsmöglichkeiten. Der Kunde profitiert davon, indem er ein besseres Einkaufserlebnis erhält. Der Händler kann seinen Kunden noch direkter ansprechen und so die Kundenbindung und die Verkaufszahlen erhöhen.
Interview: Daniel Stöter, Erstveröffentlichung EuroCIS.com