Die Zukunft der innerstädtischen Logistik könnte grüner und effizienter werden. "GreenPickUp" zielt darauf ab, eine intelligente Datenplattform zu entwickeln, die branchenübergreifend den innerstädtischen Warenfluss optimieren soll. Das ist heute wichtiger denn je: Das Projekt wird daher vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz BMUV gefördert.
Indem Lieferfahrzeuge besser ausgelastet werden und Waren gebündelt werden, sollen Schadstoffemissionen minimiert werden. Die Herausforderung ist, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit zeitgleich zu fördern. Wir haben Lars Mauch, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich Smart Energy and Mobility Solutions am Fraunhofer IAO, dazu befragt.
Lars, was unterscheidet „GreenPickUp“ von bisher existierenden Paketstationen?
Im ersten Projektschritt sollen Pakete über mobile Paketstationen, die sogenannten „GreenPickUps“ zugestellt werden. Im Unterschied zu gewöhnlichen Paketstationen werden diese nicht dauerhaft an einem Ort aufgestellt, sondern abhängig vom jeweiligen Bedarf mit Hilfe elektrischer Lastenräder im Stadtraum neu positioniert. Ein Algorithmus berechnet hierbei unter Berücksichtigung unterschiedlicher Datenbestände wie Sendungsaufkommen, Umweltdaten oder stadträumlichen Parametern, wie beispielsweise der Nähe zu ÖPNV-Stationen, täglich den optimalen Abstellort.
Bei der Positionierung des „GreenPickUps“ werden die Anforderungen der Empfänger*innen, Nachhaltigkeitsaspekte sowie die Wirtschaftlichkeit für die Logistiker*innen berücksichtigt. Basierend auf den im Projekt erforschten Rahmenbedingungen berechnet ein Algorithmus den optimalen Abstellort.
Wie können Einzelhändler*innen die Stationen nutzen?
Im Projekt betrachten wir verschiedene Anwendungsfälle für unterschiedliche Zielgruppen. In der ersten Umsetzungsphase fokussieren wir uns allerdings zunächst auf die klassische Paketzustellung im Endkundensegment, da hier die Sendungsgrößen kleiner sind und sich daher besser über Paketstationen abwickeln lassen.
Später sollen die Paketstationen allerdings auch in weiteren B2C-Anwendungsszenarien eingesetzt werden. Hierzu führen wir ausführliche Datenanalysen, beispielsweise zum Mobilitätsverhalten oder den Aufenthaltszeiten von Kund*innen im Einzelhandel durch. Auf diese Weise können wir auch optimale Orte für „GreenPickUps“ in Nähe des Einzelhandels identifizieren. Perspektivisch können Einzelhändler*innen die Stationen nutzen, um ihrer Kundschaft eine Abholung außerhalb der Geschäftszeiten zu ermöglichen – als eine Art „on-demand“ Paketstation außerhalb der Öffnungszeiten.
Wie würden Konsument*innen im alltäglichen Umgang einen Unterschied zu sonstigen Paketstationen merken?
Dem Projekt „GreenPickUp“ ging das Projekt „Digital_Logistics@LHS“ voraus, in welchem wir zusammen mit Stuttgarter Bürger*innen ein Zielbild für die Innenstadtlogistik der Zukunft erarbeitet haben. Ergebnis war unter anderem, dass viele Empfänger*innen gerne steuernd in den Zustellprozess eingreifen möchten. So sind beispielsweise viele Personen bereit, den Zustelltag weiter nach hinten zu verschieben, wenn sich so der Paketempfang oder die -abholung besser in den Alltag integrieren lassen.
Aus diesem Grund beschäftigen wir uns im Projekt mit der Frage, wie Empfänger*innen zukünftig mit der Plattform interagieren können. Ziel soll es sein, dass sie ihre Pakete über „GreenPickUps“ möglichst ohne zusätzliche Wege abholen und die Abholung mit anderen Aktivitäten verbinden können. Hierdurch erreichen wir eine Synchronisation von privaten und kommerziellen Verkehren auf der letzten Meile. Der größte Unterschied wird sein, dass sich die Empfänger*innen zunächst informieren müssen, wo der „GreenPickUp“ als nächstes aufgestellt wird.
Was macht einen idealen Standort für den „GreenPickUp“ aus?
Bei Paketstationen tritt – wie vermutlich auch bei „GreenPickUps“ – das Problem auf, dass man nicht steuern kann, mit welchen Fahrzeugen diese angefahren werden. Fährt eine Person beispielsweise mit dem SUV zu einer Paketstation auf dem Supermarktparkplatz, um ein Paket abzuholen, ohne den ohnehin fälligen Wocheneinkauf zu tätigen, entstehen zusätzliche CO2-Emissionen.
Aus diesem Grund werden „GreenPickUps“ idealerweise an hochfrequentierten Orten, an denen ohnehin viele Menschen vorbeikommen, aufgestellt. Aufgrund dessen fließt eine möglichst gute Erreichbarkeit durch den ÖPNV oder umliegende Einzelhändler*innen mit in die Bewertung ein. Perspektivisch können Paketstationen auch mit Sharing-Angeboten für E-Fahrzeuge oder Lastenräder verbunden werden. Teil des Forschungsprojektes ist es auch herauszufinden, ob „GreenPickUps“ gegebenenfalls zum Steuern von Mobilitätsströmen geeignet sind. So überlegen wir beispielsweise zur Verkehrsverlagerung keine „GreenPickUps“ in der Nähe von Schulen oder Kinderspielplätzen aufzustellen.
Gibt es schon konkrete Daten dazu, wie sehr „GreenPickUp“ Schadstoff-Emissionen reduzieren wird?
Für eine fundierte Abschätzung zu den Einsparpotenzialen fehlen uns momentan noch aussagekräftige Daten, welche wir aber in der Umsetzungsphase des Projekts erheben werden. Ausgehend von unseren bisherigen Analysen gehen wir jedoch davon aus, dass durch den Einsatz einer intelligenten Datenplattform und der bedarfsgerechten Positionierung der „GreenPickUps“ der Schadstoffausstoß bei gleichbleibendem Komfort für die Empfänger*innen signifikant gesenkt werden kann.
Welche Hindernisse gibt es in der Entwicklung?
Viele Projekte zur Verbesserung der Innenstadtlogistik schaffen es nicht, sich dauerhaft über die Pilotphase zu verstetigen. Um dieses Problem in unserem Projekt zu adressieren, beschäftigen wir uns frühzeitigt damit, wie wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle um die Datenplattform entstehen können. Im Zentrum dieser Überlegungen stellt sich auch die Frage, ob eine solche Datenplattform durch einen privaten, oder einen öffentlichen Akteur betrieben werden kann. Hierbei beschäftigen wir uns mit Konzessionsmodellen zur Vermeidung von Monopolstellungen und einem diskriminierungsfreien Zugang für alle Akteure.
Eine weitere Herausforderung ist der hohe Flächenbedarf nachhaltiger Zustellkonzepte mit Kleinfahrzeugen. Neben Aufstellflächen für mobile Paketstationen erfordert beispielsweise das Betreiben einer innerstädtischen Lastenradflotte zusätzliche Abstell- und Reparaturflächen, sowie Ladeinfrastrukturen und Lagerräume.
Auf der anderen Seite ist die Politik gefordert, die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Innenstadtlogistik zu schaffen. Erst wenn die Nachteile konventioneller Zustellformen überwiegen, werden sich nachhaltige Konzepte und Geschäftsmodelle großflächig durchsetzen.