Ein Kunde ist König? Zwei Kunden sind Ärger!
Wie Verkaufspersonal mit Kunden umgehen kann, die in Begleitung kommen
PantherMedia.net/Arne Trautmann
Ein Kunde kommt selten allein. Viele sind zum Shoppen in Begleitung unterwegs. Die begleitende Person ist dabei nicht immer gut gelaunt, geduldig oder freundlich. Kann der Verkäufer die zweite Person dann einfach ignorieren? Oder wie geht er am besten mit dieser Situation um?
Antworten gibt Burkhard Treude, selbstständiger Verkaufstrainer und Berater, der sich mit diesem Thema auseinandersetzt.
Herr Treude, was ist das Besondere an der Situation, wenn ein Kunde in Begleitung in ein Geschäft kommt?
In der normalen Verkaufspsychologie wird stets so getan, als wäre der Kunde allein. Es ist aber – damit hat sich lange niemand systematisch auseinandergesetzt – sehr häufig anders im Alltag, dadurch steigt die Komplexität für den Verkäufer. In einer Eins-zu eins-Situation kann er sofort sehen, wie der Kunde reagiert und was für eine Körpersprache er hat. Sobald es zwei Personen sind, muss er seine Aufmerksamkeit aufteilen und die Situation wird komplizierter. Erst recht, wenn da noch widerstrebende Energien im Raum sind, die möglicherweise vom Begleiter ausgehen.
Was sind denn typische Beratungssituationen, in denen man als Verkaufspersonal die Begleitperson eben nicht ignorieren sollte, auch wenn es zunächst einfacher scheint?
Da haben wir – um mal einige klischeehafte Beispiele zu nennen – den gelangweilten Ehemann, der seine Frau zum Einkaufen begleitet, eigentlich aber lieber die Sportschau kucken möchte.
Oder das trotzige oder pubertierende Kind. Da hat man es mit Konfliktpotential, mit einem Dilemma zu tun. Hier gilt es, die Situation so zu gestalten, dass ein Beratungsgespräch möglich wird. Sonst droht man den eigentlichen Kunden zu verlieren.
Aber auch beispielsweise ein Mensch mit einer Hörbehinderung, da sollte man nicht nur mit der Begleitperson kommunizieren.
Ein weiteres Szenario ergibt sich bei einer Familie mit Migrationshintergrund aus dem arabischen Kulturkreis. Die Mutter spricht kein Deutsch und bleibt im Hintergrund. Nur, wer weiß, wie in solchen Familien Entscheidungen getroffen werden, weiß auch, dass es entscheidend ist, mit ihr Blickkontakt aufzunehmen und ihre Zustimmung einzuholen.
Sie sprachen vorhin von „widerstrebenden Energien“. Können Sie dafür Beispiele nennen?
Ein Beispiel ist das Paar, das unterschiedliche Vorstellungen von der gemeinsamen Wohnungseinrichtung hat. Die Verkaufsperson läuft hierbei Gefahr eine Seite zu favorisieren, wodurch sie die andere verliert und so den Kauf gefährdet.
Dann gibt es das Phänomen der besten Freundin, die zum Shoppen als Beraterin mitkommt, ihrer Freundin aber alle Optionen madig macht. Da können Konkurrenzdenken, Neid und Missgunst im Spiel sein. Die eine Freundin möchte eigentlich gar nicht, dass die andere immer mehr positive Blicke auf sich zieht.
Nicht selten ist auch die Tochter oder der Sohn im Teenager-Alter, der einen Elternteil zum Einkaufen von Unterhaltungselektronik begleitet. Die Kinder kennen sich oft besser aus als die Eltern, führen diese dann vor statt helfend zur Seite zu stehen oder liefern sich eine Kompetenzschlacht mit dem Verkäufer.
Wie kann ein Verkäufer mit so einer Situation denn geschickt umgehen?
Hier ist es wichtig, die Begleitperson zum Co-Berater zu machen, ihm Verantwortung für das Ergebnis zu übertragen. Wenn der Verkäufer gezielt fragt, „Was meinen Sie denn, was Ihrer Frau am besten steht?“, kann der Kunde nicht hinter dem Rücken des Verkäufers gegen ihn arbeiten. Die Kunst besteht darin, alle als gleichberechtigte Gesprächspartner einzubinden. Aber dazu gehört auch Erfahrung.
Sie beraten und trainieren Einzelhändler. Was haben Sie im Laufe der Jahre selbst dazugelernt?
In den Trainings werden mir immer wieder Situationen geschildert, die ich selbst noch nicht kenne. Erst, wenn man vom Leidensdruck des Personals hört, wird einem klar, was im Verkauf eigentlich für Herausforderungen stecken. Dieser Beruf erfordert, in kürzester Zeit einen Draht zu den Kunden herzustellen: Man muss etwas über sie herausfinden, den Geschmack und Lebensstil erfragen. Von Verkäufern wird erwartet, dass sie das in ihre Beratung miteinfließen lassen.
Würden Sie Einzelhändlern raten, mit ihrem Personal solche Begleit-Szenarien durchzuspielen?
Das ist absolut sinnvoll. Solche Situationen einmal bewusst durchzugehen hilft später auch, selbst wenn die erlebte Situation nicht identisch ist mit der trainierten. Gewisse Techniken für den Umgang erlernt zu haben, entlastet einen.
Außerdem kann es hilfreich sein, solche Szenarien in einer Marketinggesellschaft mit Händlern aus anderen Branchen zusammen anzugehen. Denn das grundsätzliche Kundenverhalten ist überall gleich, ob in der Parfümerie oder im Schuhgeschäft: Abgesehen von Nuancen sieht man immer die gleichen Muster. Auch das wirkt entlastend für das Personal, denn branchenintern denkt man oft: Das machen die nur mit uns. Die Erkenntnis, dass es nicht so ist, kann sehr erleichternd sein.
„Der Kunde ist König“. Wie stehen Sie zu dieser Aussage?
Dieser Verkaufsmythos „Der Kunde ist König“ ist meines Erachtens völlig hinderlich. Der Kunde ist nicht König, wenn er sich völlig danebenbenimmt. Ich finde, er hat lediglich das Recht, auf Augenhöhe behandelt zu werden. Überschreitet das Verhalten gewisse Grenzen, ist es durchaus legitim, den Kunden zu bitten, das Geschäft zu verlassen. Der gegenseitige Respekt muss da sein.
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